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predigt[e].de

Die Predigt vom Gründonnerstag 20. April 2000:
»Intim sein kann man nur mit einem«


Kirchenjahr

  Der Donnerstag der Karwoche, Gründonnerstag genannt (vermutlich von greinen = weinen), gilt als „Tag der Einsetzung des Heiligen Abendmahls“ durch Jesus. Evangelium ist die Erzählung von der Fußwaschung. In der Epistel berichtet Paulus, was ihm von diesem letzten Mahl überliefert wurde. Predigttext war diesmal ein Abschnitt aus dem 10. Kapitel des 1. Briefs des Paulus an die Gemeinde in Korinth:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  16 Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Predigt

  Gemeinschaft mit Christus

So schreibt der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeindeglieder in der Stadt Korinth. Eine rhetorische Frage stellt er seinen Lesern. Eine Frage, auf die es nach seiner Meinung nur eine Antwort geben kann: Natürlich, selbstverständlich bekommt man beim gemeinsamen Trinken aus dem Kelch und im gemeinsamen Essen des Brotes Gemeinschaft mit Christus und untereinander. Wenn das eine Frage wäre, bräuchte man dann überhaupt Abendmahl feiern?

Aber wie ist er da?

So einfach und so selbstverständlich ist das aber für viele heute nicht mehr. Ja, so einfach war es eigentlich nie: Wie soll man das begreifen, daß in einer solchen Hostie, in Neuendettelsau von Schwestern gebacken, Gott selber zu finden ist? Wie soll man das begreifen, daß in diesem Wein, (Flasche in die Hand nehmen und Etikett lesen) Gott selber gegenwärtig ist? So heißt es ja: "Nehmt und eßt. Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird." "Trinkt alle daraus. Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird."

"Das ist mein Leib." "Das ist mein Blut." Wie verstehen Sie das? Nehmen Sie einmal an, Sie müßten erklären, was das heißt: "Das ist." Heißt das: "Das ist in Wirklichkeit der Leib Jesu. "In echt" sagen die Kinder. Man sieht es nur nicht." Und: "Das ist in Wirklichkeit Blut, man sieht es nur nicht." Oder heißt es eher: "Diese Hostie bedeutet Jesu Leib, ist ein Zeichen für seine Gegenwart." Und: "Der Wein in diesem Kelch bedeutet Jesu Blut und ist ein Zeichen seines Sterbens am Kreuz."

Ja, wie denn nun?

Wenn Sie sich entscheiden sollten - so rate ich einmal - würden sich die meisten von Ihnen wohl eher für das Letztere entscheiden: Brot und Wein im Abendmahl bedeuten, symbolisieren Jesu Gegenwart. Und dann müßte ich Ihnen als Theologe sagen: Da denken Sie nicht katholisch. Sie denken aber auch nicht evangelisch-lutherisch. Sie denken evangelisch-reformiert. Können Sie sich vorstellen, daß vor ein paar Jahrhunderten über diese Frage ein heftiger Streit durch die Christenheit ging? Ein Streit, daß man sich gegenseitig den Glauben abgesprochen hat.

Nur ein Streit zwischen Theologen?

Die katholische Kirche lehrte und lehrt immer noch, daß bei der Wandlung Hostien und Wein in Leib und Blut Jesu Christi ver-wandelt werden. In ihrem Wesen und in ihrer Substanz sind sie Leib und Blut Jesu: ihr Aussehen ein bloßer äußerer Schein für unsere menschlichen Augen. Und die gegenteilige Position: Nach evangelisch-reformiertem Verständnis bedeuten Brot und Wein Leib und Blut Jesu.

Die evangelisch-lutherische Theologie hat sozusagen eine Zwischenposition eingenommen: Martin Luther möchte sich darauf verlassen können, daß Jesus wirklich da ist. Woran sollte man sich denn sonst festhalten? Aber wie er da ist, das braucht er nicht wissen. Und so findet er die Formulierung: "in, mit und unter Brot und Wein" sei Jesus Christus da. In einfachen Worten könnte man sagen: Gib dich damit zufrieden, daß Gott da ist. Das Geheimnis jedoch brauchst du nicht zu lüften.

Das Abendmahl: ein Gemeinschaftsmahl

Wenn Gott aber nun wirklich da ist, wie Paulus betont, dann bedeutet das: Wir begegnen Gott und wir begegnen einander. Das Abendmahl stiftet Gemeinschaft. Es ist im tiefsten Sinne ein Gemeinschaftsmahl. Ich bin traurig, daß sich das Abendmahl in unserem evangelischen Gottesdienst zu einer Form entwickelt hat, bei der man diese Gemeinschaft fast nicht mehr entdecken kann. In den Worten des Paulus ist sie noch deutlich sichtbar:

16 Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das erinnert an die Form, in der damals im Judentum gefeiert wurde: Der Hausvater sprach ein Segenswort über dem Kelch. Er trank und dann ging der Kelch herum. So bekamen alle im Kreis Anteil an diesem Segen. Und als Jesus diesem Kelch einen neuen persönlichen Inhalt gab, bekamen alle im Kreis Anteil an dem neuen Bund zwischen Gott und Mensch. Wieviel deutlicher könnte diese Gemeinschaft derer, die alle auf die Vergebung angewiesen sind, werden, wenn da wirklich ein Kelch durch den Kreis wandern würde! Deswegen kann ich auch gar nichts mit der Sitte anfangen, die in manchen Kirchengemeinden Einzug gehalten hat, daß alle aus einem kleinen einzelnen Becher trinken, der mich allzu sehr ein Schnapsglas erinnert und die Gemeinschaft ganz zunichte macht.

Und auch das andere: Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Das erinnert deutlich daran, daß damals nicht jeder wie heute eine einzelne Hostie bekam, sondern daß da ein gemeinsames Brot war, ein Fladenbrot, von dem der Hausvater für alle im Kreis ein Stückchen abbrach und weitergab. Und als Jesus damals dieses Brot verteilte, teilte er damit seine Gegenwart an alle im Kreis aus. Deswegen das Fazit des Paulus: 17 Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Ein Traum von einem Abendmahl

So träume ich von einem Abendmahl, wo man wirklich miteinander im Kreis sitzen kann, wo ein Brot gebrochen wird und herumgeht und wo die Gemeinschaft viel stärker spürbar wird. Treue Gemeindeglieder wollen in den vergangenen Jahren die Beobachtung gemacht haben, daß in Gottesdiensten mit Abendmahl der Besuch meist ein wenig schlechter ist als sonst. Das scheint sich zu bewahrheiten, wenn ich die Zahlen der Gottesdienstbesucher anschaue, die wir regelmäßig notieren. Woran das liegt? Ich weiß es nicht recht. Aber es scheint das Abendmahl von vielen nicht als eine Einladung, als eine freudige Sache verstanden zu werden. Hat es auch mit der Art zu tun, wie es abläuft? Sie sehen: Ich habe mehr Fragen als Antworten. Doch ich würde mich freuen, wenn andere an diesem Punkt mitdenken und ihre Eindrücke einbringen könnten.

Intim geht nur mit einem

Zurück zu Paulus: Wenn Gott wirklich da ist, dann bringt das Abendmahl uns also ganz real, ganz echt und leibhaftig mit Gott und den Menschen in Verbindung. Und das hat für ihn Folgen. Auch unter Menschen kann man nach einer engen Gemeinschaft nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen. Wer enge Gemeinschaft miteinander hatte, muß sich von da an ganz ernst nehmen. Das gilt im Blick auf die Menschen und umso mehr im Blick auf Gott. Wie Paulus das meint, sieht man, wenn man den ganzen Abschnitt liest, aus dem diese zwei kurzen Verse kommen: Dort in Korinth scheinen Menschen, die aus dem gleichen Kelch getrunken und vom gleichen Brot gegessen haben, sich auch noch zu anderen Mahlzeiten gehalten zu haben, die in die heidnische Welt gehörten. Sie fanden offenbar nichts dabei. Vielleicht hat es auch zu ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen gehört. Und Paulus dazu: Das Abendmahl bringt in eine so intime Gemeinschaft mit Gott, daß man sich daneben keine andere Gemeinschaft vorstellen kann.

Das Abendmahl und die Intimität

Vielleicht liegt da ein Abendmahlsproblem verborgen: Das Abendmahl macht Menschen im Glauben miteinander intim. Aber in der Kirche Intimität zu zeigen, fällt naturgemäß unheimlich schwer. Es ist ein ganz natürlicher Selbstschutz, daß nicht einfach jeder nah an uns rankommen darf. Und trotzdem habe ich den Traum, daß sich das auf die Dauer ein wenig ändert: Ich habe den Traum, daß das Abendmahl Menschen zueinander bringt, die sich im Alltag nicht in die Augen schauen können. Ich habe den Traum, daß jede und jeder auch seine Nachbarin und seinen Nachbarn wahrnimmt. Auch die vor mir und den hinter mir. Ich habe den Traum, daß wir uns auf dem Weg zum gleichen Kelch und zum gleichen Brot auch in die Augen schauen können, uns anlächeln und die Hand geben. Wenn wir zusammen träumen, bleibt es vielleicht kein Traum. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de