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Die Predigt |
Christen
müssten fröhlicher sein
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Was könnte der Kirchenmusiksonntag Kantate, den wir heute begehen,
mit dem Beginn eurer Konfirmandenzeit zu tun haben?
„Kantate! Singt! Das weist darauf hin, dass der christliche
Glaube, zu dem wir Euch in der kommenden Zeit ermuntern wollen, eine
fröhliche und frohmachende Sache sein soll. Der Glaube an Gott
soll Menschen fröhlicher und gelassener machen, sonst stimmt
etwas mit diesem Glauben nicht. Da hatte ein bekannter Philosoph,
der dem christlichen Glauben skeptisch gegenüber stand, sicher
recht, als er sagte: Die Christen müssten eigentlich viel fröhlicher
sein, damit er wirklich glauben kann, dass sie einem Gott folgen,
der sie fröhlich macht.
Glaube und Lebensfreude
Gut, ich weiß, dass das mit dem fröhlichen Singen in Eurem
Alter eher schwierig ist. Das habt Ihr uns auf der Freizeit auch deutlich
gesagt. Doch ich sage Euch ebenso deutlich: Ich werde das Singen mit
Euch nicht aufgeben. Und vielleicht finden wir ja auch noch Formen,
wie es Euch leichter fällt.
Dass der Glaube eine fröhliche und froh machende Sache sein soll,
muss man ja nicht unbedingt nur am Singen merken. Ihr habt auch andere
Methoden, Lebensfreude zum Ausdruck zu bringen. Das habt Ihr am Wochenende
gezeigt. Eine fröhliche Freizeit war es, die Spaß gemacht
hat, haben manche deutlich gesagt. Da hätten wir in der Konfirmandenzeit
schon eine Menge erreicht, wenn wir Euch überzeugen könnten,
dass auch die Kirche und der Glaube an Gott eine fröhliche Sache
sein können. Wer fröhlich lebt, lebt ganz anders. Wer singt,
lebt ganz anders. Der lebt leichter und zufriedener.
Jammern, Klagen und brummig sein führen einen wie eine nach unten
gerichtete Spirale nur immer tiefer in den eigenen Sumpf hinein. Das
Singen und die Fröhlichkeit aber könnten einen gerade von
dort herausholen, so wie eine Lerche in diesen sonnigen Tagen sich
in immer neuen Spiralen singend und jubilierend nach oben in den blauen
Himmel schraubt.
Glaube befreit aus Depression
Ein fröhlicher Glaube kann Menschen heraufholen aus den tiefsten
seelischen oder körperlichen Tiefen, in die sie hineingeraten
sind. Davon erzählt die Geschichte, die zu dem heutigen Sonntag
Kantate als Predigttext gehört. Eine Geschichte aus dem Leben
des Apostels Paulus. Er und sein Begleiter Silas sich haben in der
griechischen Stadt Philippi wegen ihres christlichen Glaubens unbeliebt
gemacht, und sind wegen Aufruhrs verurteilt worden. Und dann heißt
es. Man kann es nachlesen und mitlesen auf dem Gottesdienstverteilblatt:
23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis
und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl
empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte
ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten
Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie.
26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass
die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten
sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als
aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des
Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich
selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.
28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!
29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und
fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte
sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet
werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und
dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen,
die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben
Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich
und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein
Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen
Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
Singen, wenn es einem schlecht geht?
Man kann es fast nicht glauben: Mit wundgeschlagenem offenen Rücken,
offen und blutig von den Stockschlägen, die Füße in
den Block geschraubt, nicht stehen und nicht liegen können, im
innersten Gefängnis, also im Hochsicherheitstrakt der damaligen
Zeit, stimmen da zwei mitten in der Nacht ein Loblied an. Die anderen
Gefangenen, die wohl keine Christen waren, haben sie vermutlich für
verrückt erklärt.
Wieso singen die beiden in dieser Situation, und noch dazu keine Klage-
sondern Loblieder? Ich meine, hinter diesem Singen in der Not steht
eine vordergründige und eine hintergründige Wahrheit. Zuerst
die vordergründige Wahrheit, die ich zu Beginn schon angedeutet
habe:
Singen und Fröhlichkeit sind so etwas wie eine Medizin gegen
Trübsinn und Depression. Bewusstes Singen und bewusste Freude
machen das Leben leichter. Menschen, die frei und lauthals singen
können, sind zufriedener. Und mag es auch das Gegröle in
einem Fußballstadion sein, das oft mit Singen nicht mehr viel
zu tun hat. Aber was man auf diese Art loswerden kann, entlädt
sich nicht auf andere Weise.
Singen als Ausdruck des Gottvertrauens
Doch das Singen in der Not hat auch eine tiefere Wahrheit: Paulus
und Silas singen nicht einfach, um ihre Schmerzen und die Schlaflosigkeit
zu vergessen und ihre Situation leichter und erträglicher zu
machen. Das wäre eher eine Art Galgenhumor. Die beiden singen
aus einem tiefen Gottvertrauen heraus. Sie wissen: Egal, wie es steht,
Gott hat uns nicht verlassen. Gott ist uns nahe, auch wenn wir hier
sitzen. Das haben sie schon oft genug erlebt, dass Gott gerade in
solchen Situationen da ist und alles zum Guten hinausgehen lässt.
Deswegen können sie auch jetzt singen. Rückblickend auf
diese Nacht im Gefängnis werden sie vielleicht später gesagt
haben: Die Tatsache, dass die Mitgefangenen zum Nachdenken gekommen
sind und dass eine ganze Familie zum Glauben gekommen ist, hat diese
Entbehrung voll aufgewogen.
Das ist der tiefere Sinn des Singens in der Not: Man bringt sein Vertrauen
zum Ausdruck, dass Gott auch in dieser Lage helfen kann. Man kann
durch den Glauben sozusagen mitten in der Not schon über die
Not hinausschauen. Ein weiser Mann aus Indien hat es einmal so gesagt
und es steht in unserem Gesangbuch (S. 45): „Der Glaube
ist der Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“
Deswegen ist es nun gar nicht so wichtig, ob man glaubt, dass diese
Geschichte sich damals in allen Einzelheiten genauso zugetragen hat.
Wichtig ist, ob man auch heute noch damit rechnet, dass die Gefängnisse
und Tiefen des eigenen Lebens nur ein vorläufiger Aufenthaltsort
sind. Wichtig ist, ob man seinem Glauben und seiner Fröhlichkeit
etwas zutraut. Wichtig ist, ob man Gott für das eigene Leben
etwas zutraut. Ein fröhlicher Glaube kann Berge versetzen, kann
Gefängnisse und Türen, echte und symbolische, öffnen.
Wenn jemand ganz tief unten ist
Und nun der zweite entscheidende Punkt in der Geschichte: Versteht
Situationen, wo Ihr ganz tief unten seid, ähnlich wie dieser
Gefängnisaufseher als eine Chance. Der Mann ist ganz am Ende.
Was kann es für einen Gefängnisaufseher Schlimmeres geben,
als dass seine Gefangenen weg sind? Von einem Moment auf den anderen
hat das Leben und Arbeiten keinen Sinn mehr, und so will er sich das
Leben nehmen. Paulus, der ihm zuruft, dass alle Gefangenen noch da
sind, und die überraschende Chance gegen alle Vernunft nicht
ergriffen haben, der schenkt ihm sozusagen sein Leben wieder neu.
So unerwartet in einem Moment vom Leben an die Grenze des Todes und
wieder zurück ins Leben gebracht zu werden, das ist schon eine
einschneidende Erfahrung. Der Gefängnisaufseher spürt das:
Da ist etwas passiert, nach dem ich nicht so leicht zur Tagesordnung
übergehen kann. Das ist ihm an die Nieren gegangen. Da hat er
die Hand Gottes auf einmal ganz nah gespürt.
Solche einschneidende Erfahrungen, solche Achterbahnsituationen im
Leben sollen einen offen machen für Gott, offen für den
Glauben. Der Gefängnisaufseher erkennt und ergreift die Gelegenheit
seines Lebens beim Schopf: „Was muss ich tun, damit ich gerettet
werde?“ fragt er. In anderen Worten: „Was muss ich tun,
damit mein Leben in Zukunft einen Sinn hat.“ „Was muss
ich ändern, damit sich mein Leben wirklich lohnt?“
Den Glauben weitererzählen
Und dann kommt das Dritte: Paulus und Silas erzählen dem Gefängnischef
von Gott und wie sich mit ihm zusammen das Leben lohnt. Und dann laden
sie ihn ein, zusammen mit seiner ganzen Familie zu Gott Ja zu sagen
und sich taufen zu lassen.
Ihr, die Konfirmandinnen und Konfirmanden, seid schon alle getauft.
Doch das Ja zu Gott haben damals Eure Eltern und Paten für Euch
gesprochen. Unsere Aufgabe als Vikarin, als Pfarrer, als christliche
Eltern, als Kirchengemeinde ist nun, Euch ebenso überzeugend
vom Glauben zu erzählen, damit Ihr dann Euer Ja bei der Konfirmation
selbst sagt.
Das ist gar keine leichte Aufgabe: Auch Paulus und Silas haben damals
ja nicht gleich mit dem Predigen angefangen. Am Anfang stand ihr überzeugender
Glaube. Also: Durch das eigene Tun zu überzeugen ist wichtiger
als alles Reden. Das ist übrigens auch die beste Erziehungsregel
für Eltern pubertierender Kinder. Und: Paulus hat erst dann zu
predigen angefangen, als der Gefängnischef diese einschneidende
Erfahrung gemacht und zu fragen begonnen hat. Also: Anderen den Glauben
nicht einfach ungefragt aufdrängen, aber sich nicht drücken,
wenn man gefragt wird.
Diese drei Dinge wünsche ich also Euch Konfirmandinnen und Konfirmanden
für Eurer kommendes Leben von Herzen: Einen fröhlichen Glauben,
der Gott etwas zutraut auch in schweren Situationen. Ein feines Gespür
für die entscheidenden und wichtigen Situationen in Eurem Leben,
wo Gott Euch eine Hand auf die Schulter legt und Euch einen Weg zeigen
will. Und am Ende der Konfirmandenzeit ein fröhliches Ja zu Gott
und unserer Gemeinde. Amen |
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