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Die Predigt vom 14. Mai 2006 (Kantate / Konfirmandeneinführung):
»Wenn jemand ganz tief unten ist ...«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 4. Sonntag nach Ostern / Kantate („Singt!“). Sein Thema ist das Singen und Loben. Evangelium (1. Lesung) war ein Gotteslob im Munde Jesu und Epistel (2. Lesung) die Einladung des Paulus zu Singen und Dankbarkeit. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) kam aus der Apostelgeschichte Kapitel 16:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.
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Die Predigt
Christen müssten fröhlicher sein

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden!
Was könnte der Kirchenmusiksonntag Kantate, den wir heute begehen, mit dem Beginn eurer Konfirmandenzeit zu tun haben?
„Kantate! Singt! Das weist darauf hin, dass der christliche Glaube, zu dem wir Euch in der kommenden Zeit ermuntern wollen, eine fröhliche und frohmachende Sache sein soll. Der Glaube an Gott soll Menschen fröhlicher und gelassener machen, sonst stimmt etwas mit diesem Glauben nicht. Da hatte ein bekannter Philosoph, der dem christlichen Glauben skeptisch gegenüber stand, sicher recht, als er sagte: Die Christen müssten eigentlich viel fröhlicher sein, damit er wirklich glauben kann, dass sie einem Gott folgen, der sie fröhlich macht.

Glaube und Lebensfreude

Gut, ich weiß, dass das mit dem fröhlichen Singen in Eurem Alter eher schwierig ist. Das habt Ihr uns auf der Freizeit auch deutlich gesagt. Doch ich sage Euch ebenso deutlich: Ich werde das Singen mit Euch nicht aufgeben. Und vielleicht finden wir ja auch noch Formen, wie es Euch leichter fällt.
Dass der Glaube eine fröhliche und froh machende Sache sein soll, muss man ja nicht unbedingt nur am Singen merken. Ihr habt auch andere Methoden, Lebensfreude zum Ausdruck zu bringen. Das habt Ihr am Wochenende gezeigt. Eine fröhliche Freizeit war es, die Spaß gemacht hat, haben manche deutlich gesagt. Da hätten wir in der Konfirmandenzeit schon eine Menge erreicht, wenn wir Euch überzeugen könnten, dass auch die Kirche und der Glaube an Gott eine fröhliche Sache sein können. Wer fröhlich lebt, lebt ganz anders. Wer singt, lebt ganz anders. Der lebt leichter und zufriedener.
Jammern, Klagen und brummig sein führen einen wie eine nach unten gerichtete Spirale nur immer tiefer in den eigenen Sumpf hinein. Das Singen und die Fröhlichkeit aber könnten einen gerade von dort herausholen, so wie eine Lerche in diesen sonnigen Tagen sich in immer neuen Spiralen singend und jubilierend nach oben in den blauen Himmel schraubt.

Glaube befreit aus Depression

Ein fröhlicher Glaube kann Menschen heraufholen aus den tiefsten seelischen oder körperlichen Tiefen, in die sie hineingeraten sind. Davon erzählt die Geschichte, die zu dem heutigen Sonntag Kantate als Predigttext gehört. Eine Geschichte aus dem Leben des Apostels Paulus. Er und sein Begleiter Silas sich haben in der griechischen Stadt Philippi wegen ihres christlichen Glaubens unbeliebt gemacht, und sind wegen Aufruhrs verurteilt worden. Und dann heißt es. Man kann es nachlesen und mitlesen auf dem Gottesdienstverteilblatt:

23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. 25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Singen, wenn es einem schlecht geht?

Man kann es fast nicht glauben: Mit wundgeschlagenem offenen Rücken, offen und blutig von den Stockschlägen, die Füße in den Block geschraubt, nicht stehen und nicht liegen können, im innersten Gefängnis, also im Hochsicherheitstrakt der damaligen Zeit, stimmen da zwei mitten in der Nacht ein Loblied an. Die anderen Gefangenen, die wohl keine Christen waren, haben sie vermutlich für verrückt erklärt.

Wieso singen die beiden in dieser Situation, und noch dazu keine Klage- sondern Loblieder? Ich meine, hinter diesem Singen in der Not steht eine vordergründige und eine hintergründige Wahrheit. Zuerst die vordergründige Wahrheit, die ich zu Beginn schon angedeutet habe:
Singen und Fröhlichkeit sind so etwas wie eine Medizin gegen Trübsinn und Depression. Bewusstes Singen und bewusste Freude machen das Leben leichter. Menschen, die frei und lauthals singen können, sind zufriedener. Und mag es auch das Gegröle in einem Fußballstadion sein, das oft mit Singen nicht mehr viel zu tun hat. Aber was man auf diese Art loswerden kann, entlädt sich nicht auf andere Weise.

Singen als Ausdruck des Gottvertrauens

Doch das Singen in der Not hat auch eine tiefere Wahrheit: Paulus und Silas singen nicht einfach, um ihre Schmerzen und die Schlaflosigkeit zu vergessen und ihre Situation leichter und erträglicher zu machen. Das wäre eher eine Art Galgenhumor. Die beiden singen aus einem tiefen Gottvertrauen heraus. Sie wissen: Egal, wie es steht, Gott hat uns nicht verlassen. Gott ist uns nahe, auch wenn wir hier sitzen. Das haben sie schon oft genug erlebt, dass Gott gerade in solchen Situationen da ist und alles zum Guten hinausgehen lässt. Deswegen können sie auch jetzt singen. Rückblickend auf diese Nacht im Gefängnis werden sie vielleicht später gesagt haben: Die Tatsache, dass die Mitgefangenen zum Nachdenken gekommen sind und dass eine ganze Familie zum Glauben gekommen ist, hat diese Entbehrung voll aufgewogen.

Das ist der tiefere Sinn des Singens in der Not: Man bringt sein Vertrauen zum Ausdruck, dass Gott auch in dieser Lage helfen kann. Man kann durch den Glauben sozusagen mitten in der Not schon über die Not hinausschauen. Ein weiser Mann aus Indien hat es einmal so gesagt und es steht in unserem Gesangbuch (S. 45): „Der Glaube ist der Vogel, welcher singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“

Deswegen ist es nun gar nicht so wichtig, ob man glaubt, dass diese Geschichte sich damals in allen Einzelheiten genauso zugetragen hat. Wichtig ist, ob man auch heute noch damit rechnet, dass die Gefängnisse und Tiefen des eigenen Lebens nur ein vorläufiger Aufenthaltsort sind. Wichtig ist, ob man seinem Glauben und seiner Fröhlichkeit etwas zutraut. Wichtig ist, ob man Gott für das eigene Leben etwas zutraut. Ein fröhlicher Glaube kann Berge versetzen, kann Gefängnisse und Türen, echte und symbolische, öffnen.

Wenn jemand ganz tief unten ist

Und nun der zweite entscheidende Punkt in der Geschichte: Versteht Situationen, wo Ihr ganz tief unten seid, ähnlich wie dieser Gefängnisaufseher als eine Chance. Der Mann ist ganz am Ende. Was kann es für einen Gefängnisaufseher Schlimmeres geben, als dass seine Gefangenen weg sind? Von einem Moment auf den anderen hat das Leben und Arbeiten keinen Sinn mehr, und so will er sich das Leben nehmen. Paulus, der ihm zuruft, dass alle Gefangenen noch da sind, und die überraschende Chance gegen alle Vernunft nicht ergriffen haben, der schenkt ihm sozusagen sein Leben wieder neu. So unerwartet in einem Moment vom Leben an die Grenze des Todes und wieder zurück ins Leben gebracht zu werden, das ist schon eine einschneidende Erfahrung. Der Gefängnisaufseher spürt das: Da ist etwas passiert, nach dem ich nicht so leicht zur Tagesordnung übergehen kann. Das ist ihm an die Nieren gegangen. Da hat er die Hand Gottes auf einmal ganz nah gespürt.
Solche einschneidende Erfahrungen, solche Achterbahnsituationen im Leben sollen einen offen machen für Gott, offen für den Glauben. Der Gefängnisaufseher erkennt und ergreift die Gelegenheit seines Lebens beim Schopf: „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“ fragt er. In anderen Worten: „Was muss ich tun, damit mein Leben in Zukunft einen Sinn hat.“ „Was muss ich ändern, damit sich mein Leben wirklich lohnt?“

Den Glauben weitererzählen

Und dann kommt das Dritte: Paulus und Silas erzählen dem Gefängnischef von Gott und wie sich mit ihm zusammen das Leben lohnt. Und dann laden sie ihn ein, zusammen mit seiner ganzen Familie zu Gott Ja zu sagen und sich taufen zu lassen.
Ihr, die Konfirmandinnen und Konfirmanden, seid schon alle getauft. Doch das Ja zu Gott haben damals Eure Eltern und Paten für Euch gesprochen. Unsere Aufgabe als Vikarin, als Pfarrer, als christliche Eltern, als Kirchengemeinde ist nun, Euch ebenso überzeugend vom Glauben zu erzählen, damit Ihr dann Euer Ja bei der Konfirmation selbst sagt.
Das ist gar keine leichte Aufgabe: Auch Paulus und Silas haben damals ja nicht gleich mit dem Predigen angefangen. Am Anfang stand ihr überzeugender Glaube. Also: Durch das eigene Tun zu überzeugen ist wichtiger als alles Reden. Das ist übrigens auch die beste Erziehungsregel für Eltern pubertierender Kinder. Und: Paulus hat erst dann zu predigen angefangen, als der Gefängnischef diese einschneidende Erfahrung gemacht und zu fragen begonnen hat. Also: Anderen den Glauben nicht einfach ungefragt aufdrängen, aber sich nicht drücken, wenn man gefragt wird.

Diese drei Dinge wünsche ich also Euch Konfirmandinnen und Konfirmanden für Eurer kommendes Leben von Herzen: Einen fröhlichen Glauben, der Gott etwas zutraut auch in schweren Situationen. Ein feines Gespür für die entscheidenden und wichtigen Situationen in Eurem Leben, wo Gott Euch eine Hand auf die Schulter legt und Euch einen Weg zeigen will. Und am Ende der Konfirmandenzeit ein fröhliches Ja zu Gott und unserer Gemeinde. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de