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predigt[e].de

Die Predigt vom 4. Juni 2000: »Vom Münchner im Himmel«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den Sonntag vor Pfingsten mit Namen Exaudi („Höre, Herr“). Er hat das Warten auf den Heiligen Geist zum Thema. Im Gottesdienst wurden auch die neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden eingeführt.
Im Evangelium ist vom Heiligen Geist als Tröster die Rede. Die
Epistel beschreibt, was er bewirkt. Als Predigttext wurden Worte aus dem 31. Kapitel des Propheten Jeremia gelesen:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Predigt

  Ein Münchner im Himmel

"Alois Hingerl – Dienstmann Nr. 172 am Münchner Hauptbahnhof – erledigte einen Auftrag mit solcher Hast, daß er vom Schlag getroffen zu Boden sank und starb. Zwei Engerl schleppten ihn mit vieler Mühe in den Himmel, wo er vom Hl. Petrus empfangen wurde."

So beginnt die Geschichte "Ein Münchner im Himmel" von Ludwig Thoma. Vielleicht kennen Sie sie. Er wird dann von Petrus mit der himmlichen Hausordnung bekannt gemacht: Hosianna singen, frohlocken und Manna trinken. Bier gibt es nicht. Aber Aloisius, wie er nun als Engel heißt, kann sich dort überhaupt nicht einfügen. Und damit die liebe Seele ihre und auch der Himmel seine Ruhe hat, bekommt er einen Sonderauftrag: er soll der Bayerischen Regierung die göttlichen Ratschläge überbringen. Gesagt getan. Aloisius landet in München und dann endet die Geschichte:

"Und einer alten Gewohnheit gemäß führte ihn der Weg hin zum Hofbräuhaus, und er fand seinen Stammplatz wieder, fand den Stammplatz leer, die Kellnerin, die Kathi kam auf ihn zu ... und er bestellt sich eine Maß, und bestellt sich noch a Maß, und er vergaß seinen Brief und seinen Auftrag, und b'stellt sich no am Maß und no am Maß und no oane ... und da sitzt er heit no. – Und so wartet die Bayerische Regierung bis heute vergeblich auf die göttlichen Eingebungen."

„Göttliche Eingebungen“

Ich hoffe, Sie können sich denken, daß ich mit dieser Geschichte nicht zum erhöhten Biergenuß aufrufen will. Geschweige denn als Anreiz für die jungen Menschen, die vorhin als Konfirmanden vorgestellt worden sind. Ich will auch nicht kirchlich absegnen, was sich an einem Vatertag so alles ereignet, und daß viele gar nicht mehr wissen, was es mit dem Fest "Christi Himmelfahrt" auf sich hat. Nein, es geht mir um den Schluß der Geschichte: daß nicht nur zu Zeiten Ludwig Thomas vor genau 100 Jahren, sondern auch heute ein ordentliches Regieren nicht ohne "göttliche Eingebungen" möglich ist.

Da ist für mich "Ein Münchner im Himmel" eine Pfingstgeschichte: Kein Regieren, kein Arbeiten, kein Erziehen, kein Reden, kein Predigen kommt ohne göttliche Eingebung, oder mit kirchlichen Worten: ohne den Beistand des Heiligen Geistes aus. Wehe, wenn der Menschengeist sich ganz alleine auf sich selbst verläßt.

Warten auf den Heiligen Geist

"Göttliche Eingebungen", das ist für mich zwar keine ausreichende, aber doch eine treffende Umschreibung dessen, was unsere Bibel "Heiligen Geist" nennt. Und der Schlußsatz der Geschichte "Und so wartet die Bayerische Regierung bis heute vergeblich auf die göttlichen Eingebungen." hat viel mit dem heutigen Sonntag zu tun: Denn er hat, eine Woche vor Pfingsten, im Kirchenjahr das Thema "Warten auf den Heiligen Geist". Doch im Gegensatz zur Geschichte von Ludwig Thoma werden Menschen, die auf Gottes Geist als Wegweisung ehrlich warten und ihn erbitten, nicht vergeblich warten müssen.

Aber warum geht es für viele dann doch so aus wie damals im Hofbräuhaus, daß sie bis heute vergeblich warten? Auf Gottes Geist warten, heißt freimütig zuzugeben, daß die eigene körperliche, geistliche und seelische Kraft dauernd an ihre Grenzen stößt, und Inspiration und Phantasie von außen nötig hat. Doch wer gibt das schon gerne zu? Erst einmal vor sich selber und dann in der Öffentlichkeit?

Der Prophet Jeremia

"Warten auf göttliche Eingebungen". Das ist auf eine andere Art auch das Thema der Prophetenworte, die heute in der Predigt ausgelegt werden sollen. Das Alte Testament kannte die Rede vom Heiligen Geist noch nicht. Doch was der Prophet Jeremia da im 31. Kapitel schreibt, hat den gleichen Kern: Aus eigener Kraft schaffen es die Menschen nicht, Menschen in Gottes Sinn zu werden. Sie brauchen "göttliche Eingebung": Gott selber muß eine Art geistlichen Eingriff bei ihnen vornehmen, so wie ein Arzt einen medizinischen Eingriff vornimmt.

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. 34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Der „alte Bund“ und die Zehn Gebote

Der alte Bund, Gottes erster Versuch mit den Menschen sozusagen, war der am Berg Sinai. Bund – dazu gehören immer zwei: Gott führte die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei in die Freiheit. Und sie versprachen ihm Gehorsam nach den Zehn Geboten, die ihnen zeigen sollten, wie das Leben mit Gott und mit den Mitmenschen gelingt. Und wie ein Arzt vor einem medizinischen Eingriff erst eine Diagnose stellt, läßt Gott durch Jeremia seine geistliche Diagnose ausrichten: Der erste Bund ist mißlungen, weil das Volk ihn nicht gehalten hat. Die Gebote und Verbote zu kennen, heißt also noch lange nicht, sie auch zu befolgen. Den Weg zu wissen, heißt noch lange nicht, ihn auch zu gehen. Die Erziehung allein durch den erhobenen Zeigefinger führt nicht zum Ziel.

Jugendliche zu anständigen Menschen machen?

Was haben Sie als Konfirmandeneltern für Erwartungen an die Konfirmandenzeit? Eine mögliche Erwartung, die immer wieder ausgesprochen wird, wäre: Kirche ist dazu da, den jungen Menschen die Zehn Gebote beizubringen. Sie sollen wissen, wie man lebt. Sie sollen wissen, was sich gehört. Sie sollen anständige Menschen werden. Eine berechtigte Erwartung. Aber es wäre doch so ähnlich wie der Alte Bund, von dem Jeremia sagt: Daraus ist beim besten Willen nichts geworden. Wissen, was sich gehört, heißt noch lange nicht, es auch in die Tat umzusetzen. Wissen, was recht ist, heißt noch lange nicht, es auch zu beherzigen.

Es muß etwas anderes hinzukommen: die göttlichen Eingebungen des Aloisius, der Heilige Geist des Neuen Testaments, oder wie es hier heißt: 33 Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. Wenn es wirklich Änderungen und neue Wege gibt, dann aus freiwilliger Einsicht von innen heraus. Aus dem Herzen.

Verinnerlichung und Vertiefung

Sollte es in der Konfirmandenzeit leichter sein als im Elternhaus oder in der Schule? Sie wissen ja als Eltern aus 13jähriger Erziehung, wie wenig das Reden und wie wenig die Zeigefinger helfen, wenn da nicht jemand von innen heraus etwas begreift. Auf dieser Ebene [mit einer entsprechenden Handbewegung] geht es im Zweifelsfall in ein Ohr hinein und auf dem kürzesten Weg zum anderen Ohr wieder hinaus. Wenn wir Glück haben nimmt es den kleinen Umweg fünf Zentimeter höher über den Verstand. Doch was wir alle bräuchten – zwischen Kindern und Eltern, zwischen Mensch und Gott – wäre, daß es den noch größeren Umweg nähme: 30 cm tiefer über das Herz oder auch 50 cm tiefer über den Bauch, wo die Gefühle sitzen. Ohne Vertiefung und Verinnerlichung bleibt Glaube heillos an der Oberfläche.

Doch göttliche Eingebungen können wir im Konfirmandenunterricht nicht vermitteln. Das kann nur Gott selber. Wir haben auch nicht den Heiligen Geist auf Flaschen gezogen oder in Medizinform, daß wir ihn in entsprechender Dosis verabreichen könnten. Wenn überhaupt, dann können wir nur vorbereitend tätig sein: Vielleicht ein Gespür vermitteln oder die Bereitschaft fördern, daß jemand nicht nur aus dem eigenen Geist lebt, sondern sich von Gottes Geist etwas verspricht. Zeigen und vorleben, wie man sich öffnen kann, damit Gottes Geist Chancen hat. Weitersagen, was Jeremia weitergesagt hat: "Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein." Also weitersagen: Gott will etwas mit dir zu tun haben. Er hat etwas vor mit dir. Er hat ein Ziel für dich. Und auch das andere: "Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken." Gott rechnet dir deine Vergangenheit nicht vor. Er behaftet dich nicht dabei und nagelt dich nicht darauf fest. Du kannst jederzeit einen neuen Anfang machen. Ob nun vor der Konfirmandenzeit schon oder während der Zeit, oder auch erst viel später.

Ein Happyend?

Eine schöne Geschichte, die vom Dienstmann Alois Hingerl. Aber doch eine Geschichte ohne Happyend. Denn wenn er nicht gestorben ist, sitzt er immer noch im Hofbräuhaus. Und die Regierung wartet immer noch vergeblich. "Warten auf den Heiligen Geist" ist das Thema des heutigen Sonntags vor Pfingsten. Und das Thema in einer Woche: "Ausgießung des Heiligen Geistes". Daß das Kirchenjahr das nur symbolisch meint, können Sie sich denken. Gottes Geist gibt es nicht nur nächste Woche. Und da vielleicht gerade nicht, wer weiß. Nein, das Geheimnis des jährlich wiederkehrenden Festes ist: Du wartest nicht umsonst, wenn du wirklich wartest. Du wartest nicht umsonst, wenn du dir von Gottes Geist etwas versprichst. Die Hände aufhalten und bitte sagen: schwerer ist es nicht. Leichter aber auch nicht. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de