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predigt[e].de

Die Predigt vom Pfingstsonntag 11. Juni 2000:
»Zwei Pfund Rindfleisch geben eine gute Suppe«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging das Pfingstfest, kirchlich das „Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes“, das 50 Tage nach Ostern begangen wird.
Im Evangelium des Sonntags beschreibt Jesus den Heiligen Geist als Tröster. In der
Epistel wird die Pfingstgeschichte gelesen. Der Predigt lag ein Abschnitt aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth zugrunde:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  12 Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. 13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden. 15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.

Predigt

  „Wir sind alle Geistliche“

München. Der bayerische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich hat in seiner Pfingstpredigt die gleichwertige Verantwortung aller Christen für Glauben und Leben hervorgehoben. Es sei biblische Grundüberzeugung, dass Gott seinen Heiligen Geist nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrern, sondern ebenso allen anderen Christen schenke, sagte Friedrich am Pfingstsonntag in der Münchner Bischofskirche St. Matthäus. Deshalb sei die traditionelle Rede vom Pfarrer als “Hirten” und von der Gemeinde als unmündiger “Herde” heutzutage irreführend. Friedrich: “Es gibt keinen besonderen geistlichen Stand, der von Gott hervorgehoben wäre. Wir alle sind Geistliche.”

Diese Pressemeldung ist den Nachrichtenagenturen am Wochenende vorab zugegangen und darf ab jetzt um 10 Uhr offiziell, weil die Predigt ja jetzt erst live gehalten wird, veröffentlicht werden. "Wir alle sind Geistliche." Darauf weist also Landesbischof Dr. Johannes Friedrich in diesen Minuten in München hin. Es ist gut, daß ein Bischof das hervorhebt. Auch wenn das Amtskreuz des Bischofs ein wenig größer ist als das eines Kreisdekans, und das eines Kreisdekans ein wenig größer als das eines Dekans.

"Wir alle sind Geistliche." Das hat seinen Grund in den Paulusworten, auf die wir heute miteinander hören sollen. Aus seinem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth im 2. Kapitel:

12 Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. 13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden. 15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.

Der schwierige Abschnitt Vers für Vers:

Ein Geschenk haben und doch nicht haben

12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.

"Wir alle sind Geistliche." weil wir Gottes Geist geschenkt bekommen haben. Mit "wir" redet Paulus alle Gemeindeglieder dort in Korinth an, denen sein Brief vorgelesen wird, und er schließt sich selbst mit ein. Das ist die Überzeugung unserer Bibel: Wer getauft wird, bekommt Gottes Geist geschenkt. Und dieser Geist schafft aus lauter einzelnen ein "wir", eine Gemeinde. Die christliche Gemeinde als Ganze lebt aus dem Heiligen Geist. Aber wo ist dieser Geist beim einzelnen Getauften zu sehen? Wie ist er zu sehen? Wie wirkt er sich aus? Warum leben so wenig Menschen geistlich, obwohl sie doch getauft sind?

Das gibt es im Leben: Man kann etwas haben und doch nicht haben. Es ist so ähnlich wie mit einem Geschenk, dessen Wert man noch nicht begriffen hat: Was habe ich alles damals zu meiner Konfirmation an nützlichen Sachen geschenkt bekommen. Nützlich aus der Sicht der Erwachsenen. Uninteressant aus der Sicht des Jugendlichen. Alle Dinge z.B., die in Richtung Aussteuer gehen. Aber als ich dann als Student meinen ersten kleinen Hausstand einrichten mußte, habe ich manches wieder entdeckt und dann auch in Gebrauch genommen. So ist es manchmal mit Geschenken: man hat sie, aber man muß erst auf sie aufmerksam werden. Sie sind zwar da, aber sie sind einem nicht bewußt.

Wir können es wissen, was uns mit dem Geist Gottes geschenkt ist, sagt Paulus. Wir können es wissen, aber wir müssen nicht. Der Heilige Geist ist ein Angebot. Er ist eine ausgestreckte Hand. Aber er drängt sich nicht auf. Noch einen feinen Unterschied muß man bei Paulus heraushören. Es steht nicht hier: Wir haben Gottes Geist. Es steht hier: Wir haben ihn empfangen. Der heilige Geist ist kein Besitz. Er ist Geschenk. Den Geist zu haben, kann deswegen nicht stolz oder überheblich machen, sondern nur dankbar machen.

Manches kann man nur mit einem Christen besprechen

Weiter im Text: 13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.

"Geistliche Dinge für geistliche Menschen." Was sind das für geistliche Dinge? Was bewirkt der Geist im Menschen? Schon öfter habe ich nach einem Gespräch gesagt bekommen: "Ihnen kann ich das wenigstens erzählen, Herr Pfarrer. Sie verstehen mich. Aber als ich vor kurzem mit einer Bekannten darüber gesprochen habe, hat sie mich nur ausgelacht." Manche Dinge kann man nur unter Christen besprechen. Die kann nur jemand nachvollziehen, der selbst glaubt, und der selbst Glaubenserfahrungen gemacht hat. Andere lachen darüber. Es ist ihnen, wie Paulus sagt, eine Torheit.

Von überraschenden Gebetserfahrungen reden Menschen. Und andere lachen sie aus und sagen, es sei alles nur Zufall gewesen. Von Begegnungen mit Engeln erzählen manche. Von Händen, die sie geführt haben, oder auch gehalten. Und dann müssen sie von anderen hören, daß es solchen Kinderkram nicht gibt. Daß ihnen der Gottesdienst ein Bedürfnis sei, oder das Gebet am Morgen und am Abend, erzählen Menschen. Und sie ernten von manchen Zeitgenossen nur Schmunzeln.

Zwei Pfund Rindfleisch ...

Weiter im Text: 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden.

Vom "natürlichen" Menschen und vom "geistlichen" Menschen spricht Paulus. Oder genauer gesagt: Martin Luther übersetzt die griechischen Begriffe des Paulus so. Und er verwendet die Begriffe dabei anders, als sie heute gebraucht werden. Was meint er? Was meint er mit dem Unterschied? Der natürliche Mensch ist einfach gesagt einer, der nichts Über-natürliches gelten lassen kann und will. Einer, der die Welt aus eigener Vernunft und Kraft verstehen will. Dem alles naturwissenschaftlich erklärbar scheint.

Der natürliche Mensch, so sagt es der Volksmund, glaubt, daß zwei Pfund Rindfleisch eine gute Suppe geben. Glauben, was man sehen kann. Glauben, was man schmecken kann.

Damit Sie mich nicht mißverstehen: Das soll keine Abwertung sein. So kann man leben. So kann man auch sterben. So kann man ohne weiteres ein anständiger Mensch sein. So kann man auch hilfsbereit und liebevoll sein. Aber was geht einem solchen Menschen nicht alles verloren! Es fehlt ihm aus der Sicht geistlicher Menschen ein großer Teil der Wirklichkeit. Denn die Wirklichkeit ist mehr als die, die man sehen kann.

Glaubende leben tiefer

Weiter im Text: 15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.

Ich behaupte mit Paulus: Geistliche Menschen, glaubende Menschen blicken tiefer. Sie leben auch tiefer. Sie urteilen tiefer. Nur, man kann es einem Menschen, der davon nichts weiß, nicht erklären. Er könnte es nur verstehen, wenn er sich darauf einläßt, wenn er es ausprobiert. So kann, sagt Paulus, im Zweifelsfall ein geistlicher Mensch von einem anderen gar nicht beurteilt werden.

Natürlich ist da eine Gefahr, die Gefahr eines geistlichen Hochmuts, die wir in manchen christlichen Gemeinschaften haben. Sie fühlen sich über den Menschen dieser Welt, weil sie ja letztlich viel weiter sind als sie. Damit hatte Paulus offenbar auch in Korinth zu kämpfen. Immer wieder scheint es in seinem Brief durch. Und deswegen betont er: Geistliche Menschen setzen sich nicht ab. Sie ziehen sich nicht von der bösen und dummen Welt zurück. Sie halten nicht Abstand von den anderen. Sondern die Welt braucht sie. Und das aus zwei Gründen:

Zum einen, was am Anfang stand: Gottes Geist ist geschenkt. Er kommt nicht aus mir. Ich habe keinen Grund darauf, stolz zu sein oder überheblich zu werden. Gottes Geist ist nicht zur eigenen Selbstbefriedigung geschenkt, sondern zum Nutzen anderer.

Und zum anderen: Wer sich zurückzieht, kann nicht, wie Jesus sagt, Salz der Erde und Licht der Welt sein. Wenn das Salz sich nur zum Salz hält und das Fade meidet, dann wird das Fade immer fader, aber das Salzige am Ende auch versalzen und ungenießbar werden. Oder wenn das Licht sich nur zum Licht hält, und mit der Dunkelheit nichts zu tun haben will, dann wird das Dunkle nur noch dunkler werden, aber auch das Helle am Ende nur noch blenden.

Als Geistliche werden wie alle gebraucht

"Wir alle sind Geistliche." Wir werden gebraucht, eine jede und ein jeder mit unseren Gaben: in der Kirchengemeinde und in der Nachbarschaft. Laßt uns entdecken, was in uns steckt. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de