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predigt[e].de

Die Predigt vom 8. Oktober 2006 (17. Sonntag nach Trinitatis):
»Du wirst gebraucht«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 17. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Glauben und Zweifeln. Evangelium (1. Lesung) war die Begegnung Jesu mit der kanaanäischen Frau und Epistel (2. Lesung) Worte des Paulus über den Glauben. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Jesaja 49:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merket auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. 2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. 3 Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will.
4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.
5 Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, - darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet, und mein Gott ist meine Stärke -, 6 er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.
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Die Predigt
Wer redet hier?

„Wer redet hier?“ haben Sie sich vielleicht beim Hören gefragt. Wer ist dieser „Ich“, dieser „Knecht“, mit dem Gott etwas Besonderes vor hat? Das Heil der ganzen Welt liegt in ihm. Ein Licht für alle Völker.
Du und ich können es nicht sein. Wir sind nur kleine Lichter. Beauftragte Gottes. Menschen, mit denen Gott Großes vor hat. Oder vielleicht doch?

Beidem will ich ein wenig nachgehen: Zum einen dieser Frage, was es mit dem sog. „Gottesknecht“ im Buch des Propheten Jesaja auf sich hat. Aber dann auch der Frage, ob das Gesagte nicht doch auch mit uns heute zu tun haben könnte. Eine Predigt darf ja nicht nur eine geschichtliche Vorlesung sein.

Der „Gottesknecht“ bei Jesaja

Öfter ist beim Propheten Jesaja in dichterischer Form von diesem Knecht die Rede, für den Gott einen besonderen Auftrag hat. Von den „Gottesknechtsliedern“ reden die Theologen. Schon bei deutschen Wort gehen die Schwierigkeiten los: Das Wort „Knecht“, das Martin Luther bei seiner Bibelübersetzung damals verwendete, hat heute einen anderen Klang als damals. Knecht – das hat heute etwas Unterwürfiges an sich. Es hat einen negativen Klang. Es will nicht recht zu einem Menschen passen, mit dem Gott etwas Besonderes vor hat. So übersetzt die „Gute Nachricht“, die Bibelausgabe im modernen Deutsch „Bevollmächtigter“. Das klingt gestelzter, aber es trifft den Kern.
Hier, im 49. Kapitel des Prophetenbuches Jesaja redet dieser Knecht Gottes in der Ich-Form von seiner Berufung, von seiner Bevollmächtigung:
1 Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merket auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an.
Er hat einen Auftrag von Gott. Das sollen alle wissen: nicht nur das eigene Volk, sondern auch die weit entfernten. Gott hatte schon etwas mit ihm vor, als er noch nicht geboren war. Gott hat ihn berufen, so wie im Alten Testament Propheten berufen werden. Sie sollen nicht ihre eigenen Worte weitersagen. Sie reden im Namen Gottes.

Einer, der einen Auftrag hat

Was ist nun sein Auftrag, seine Berufung?
5 Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde.
Israel und Jakob, das ist dieselbe Person. Der Stammvater Jakob bekommt den Ehrennamen Israel, „Gottesstreiter“, als er in einer schicksalshaften Nacht mit Gott ringt und sich durchkämpft. Hier steht er stellvertretend für das Volk Gottes. Alle, die zu Gott gehören, alle Zerstreuten und Verlorenen, soll der Gottesknecht sammeln und zu Gott zurückbringen.
Wer könnte damit gemeint sein? Die meisten Ausleger verstehen es so, dass der Prophet Jesaja hier von sich selbst und seiner Berufung spricht. Er macht den Zerstreuten und Verlorenen in der Verbannung in Babylonien Mut. Er spricht ihnen zu, dass sie nicht von Gott vergessen sind.

Jesus und der Gottesknecht

Stutzig macht aber, dass er nicht nur für das jüdische Volk, sondern weit darüber hinaus beauftragt ist:
6 (Gott) spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.
Die ersten Christen, die nach dem Tod und der Auferstehung Jesu ihre Heilige Schrift, unser sog. Altes Testament, auf einmal mit anderen Augen gelesen haben, die haben in diesem Bevollmächtigten Gottes Jesus entdeckt:
Er war es, der die Menschen zu Gott zurück brachte. Und nicht nur die Menschen im Gottesvolk Israel, sondern auch darüber hinaus. Er ist scheinbar mit seinem Auftrag gescheitert. Doch Gott sich durch seine Auferweckung zu ihm bekannt:
4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.

Auch uns braucht Gott

Und dennoch: Auch wenn wir nur kleine Lichter sind, nicht Jesaja, geschweige denn Jesus, dürfen wir diese Worte des Jesaja auch als Worte an uns verstehen. Wir können Sie nicht einfach wörtlich übertragen. Dass wir Bedeutung hätten für das Heil der ganzen Welt, das kann man nicht von einem einzelnen Christen, wohl aber von der christlichen Kirche als Ganzes.
Doch wenn wir ernst nehmen, dass wir als Christen durch Taufe und Konfirmation von Gott in den Dienst genommen werden, jeder auf seine eigene Weise und an seinem kleineren oder größeren Platz, dann sind auch wir gemeint:
Gott kennt uns. Gott braucht uns. Wir arbeiten und leben nicht vergeblich.

Gott kennt mich

Gott kennt uns:
Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.
Gott, der Schöpfer kennt mich von Anfang an. Ich habe einen Namen vor ihm. Ich bin gewollt. Ich bin ein Individuum schon lange vor der Geburt.

Gott kennt mich: Ich bin nicht nur eine Nummer unter vielen. Ich bin nicht einfach nur ein Produkt des Zufalls. Ich bin nicht einfach nur ein Ausrutscher meiner Eltern. Gott hat ein Auge auf mich geworfen, bevor mein Vater und meine Mutter ein Auge aufeinander geworfen haben. Er kennt mich von Anfang an. Mit anderen Worten:
5 - darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet, und mein Gott ist meine Stärke -
Vor Gott bin ich als Getaufter etwas wert. Ich bin wichtig. Gott nimmt mich, so wie ich bin. Das ist eine gute Botschaft für Menschen an Wendepunkten des Lebens, wo jemand sich oft selbst nicht so nehmen kann, wie er ist. Bei der Wende vom Kind zum Jugendlichen in der Pubertät. Bei der Wende vom Arbeitsleben in den Ruhestand. Bei der Wende vom tätigen Ruhestand hinein in die Phase, wo die Kräfte spürbar und unwiederbringlich nachlassen.
Ich bin etwas vor Gott. Ich bin ihm wichtig. Vor Gott bin ich wichtig, auch wenn ich mich manchmal selbst nicht mehr für wichtig halte. Vor Gott bin ich wichtig, auch wenn ich manchmal meine, wenn ich nicht mehr da wäre, würde auch kein Hahn mehr nach mir krähen. Nein. Ich bin wichtig. Ich bin etwas wert. Allein, dass ich da bin, hat einen Sinn.

Mein Leben ist nicht vergeblich

4 Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.
Auch der Gottesknecht aus dem Buch Jesaja hatte mit der Anfechtung zu kämpfen, dass manche Arbeit und Bemühung misslingt. Offenbar sind seine Prophetenworte nicht gehört worden. Vielleicht hat man ihn ausgelacht.
Da ist es wieder, das heimliche Thema dieses Sonntags: Unser Leben zwischen Glauben und Zweifeln.
„Vergeblich, umsonst, unnütz.“ In diesen Worten entdecken sich immer wieder Menschen. Jesaja redet ihnen aus dem Herzen, um dann aber gleich fortzufahren: „Es stimmt nicht. Es scheint nur in manchen Situationen des Lebens so.“ Da sind immer wieder solche Phasen, wo man alles vergessen hat, was man vorher glaubte. Und dann macht ihm Gott klar: Du arbeitest nicht vergeblich. Du verzehrst deine Kraft nicht umsonst. Du bist nicht unnütz.
Diese Botschaft müssen Menschen immer wieder hören. Junge Menschen und alte Menschen. Menschen, die meinen, sie seien nur etwas, wenn sie etwas leisten. Sie müssen hören: Du bist etwas, weil Gott dich gewollt hat und weiterhin will.

Gott braucht mich

Und dann auch das dritte und letzte: Gott hat etwas mit dir vor. Er braucht dich.
2 Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt.
Für einen jeden hat Gott einen Auftrag. Jeder ist zu etwas nütze in seinem Alter und an seinem Platz. Von Gott verwahrt und bereit gelegt wie ein Pfeil, der im rechten Moment zum Einsatz kommt.
Aber nicht für alle gilt, was für den Gottesknecht gegolten hat: das treffende, das rechte Worte zur rechten Zeit zu sagen. Nicht jeder ist ein Mensch der Worte. Manche sind Menschen der Tat. Bei ihnen sind es nicht die zupackenden Worte, sondern die zupackenden Hände. Und wenn es die Worte oder die Hände nicht mehr sind, dann sind es vielleicht die Ohren: Wen Gott vielleicht am Ende nicht mehr mit seinen Händen und seiner Kraft brauchen kann, den braucht er vielleicht zum Zuhören oder zum Beten.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de