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Die Predigt vom 1. Weihnachtsfeiertag 2000: »Es ist ein Roß entsprungen«


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  Am 1. Weihnachtsfeiertag 2000 lag der Predigt das bekannte Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“ zugrunde. Es ist zwar sehr bekannt, wird aber auch gedankenlos gesungen. Evangelium des Tages ist der zweite Teil der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium. Die Epistel deutet Weihnachten als „Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes“.

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  1. Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.

2. Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.

3. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt's die Finsternis. Wahr' Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.

4. O Jesu, bis zum Scheiden aus diesem Jammertal laß dein Hilf uns geleiten hin in den Freudensaal, in deines Vaters Reich, da wir dich ewig loben; o Gott, uns das verleih!

Predigt

  Es ist ein Roß entsprungen?

„Es ist ein Roß entsprungen aus einem Pferdestall.“ So oder ähnlich wird manchmal eines unserer bekanntesten Weihnachtslieder verhunzt. "Es ist ein Ros entsprungen." wird bei Umfragen neben "O du fröhliche" und "Stille Nacht" am meisten genannt. "Vom Himmel hoch, da kommt ich her" kann vielleicht noch mithalten. aber dann wird's bei vielen schon schwierig.

Es ist sicher nicht nur die Lust am Wortspiel, daß man sich einen solchen Spaß macht. Der Text des oft gesungenen, aber auch uralten Liedes wird von vielen nicht mehr recht verstanden. Ros, Wurzel, Jesse, Blümlein, halbe Nacht. Was ist damit gemeint? Ich möchte das schöne Lied gerne mit Ihnen Vers für Vers bedenken.

Unerwartetes Leben aus einem Stumpf

"Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart." Das Lied steht in unserem Gesangbuch unter der Nr. 30. Nicht umsonst hat man das Bibelwort, dem es entspringt auf der nächsten Seite abgedruckt. Aus dem Lesungen der gestrigen Heiligen Nacht: Jesaja 11,1: Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Oder wie die "Gute Nachricht", die Bibel im heutigen Deutsch, übersetzt: Ein Sproß wächst aus dem Baumstumpf Isai, ein neuer Trieb schießt hervor aus seinen Wurzeln. So wie ein Baumstumpf, den man für tot gehalten hat, auf einmal unerwartet ausschlägt, so wird der Messias, der Retter, aus dem Stamm Davids am Ende der Zeiten hervorkommen.

Isai, das war der Vater des Königs David. David, der König aus der guten alten Zeit. So einer werde am Ende wiederkommen. Einer aus seinem Fleisch und Blut, einer aus seiner Abstammung. "Es ist ein Ros entsprungen" besingt nun mit den Worten des Jesaja Jesus als diesen erwarteten Retter aus dem Stamm Davids. Jesus, Davidssohn wird er in den Evangelien genannt.

Vom Marienlied zum Jesuslied

1. Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht.

Isai, der Vater des David, wurde im mittelalterlichen Latein zu Jesse. Aus seiner Wurzel kommt ein neuer Sproß, ein Reis hervor. Warum aber nun: Es ist ein Ros, eine Rose, entsprungen? Ursprünglich war hier Maria, die Mutter Jesu gemeint. Sie wird gerne mit einer Rose verglichen. Wie kam das?

Die ersten beiden Strophen dieses Liedes waren ursprünglich ein katholisches Marienlied. Nun wollte man in der Zeit der Reformation, die ja die Verehrung der Maria ablehnte, das schöne Lied gerne behalten, und machte ein Jesuslied daraus. Vielleicht war es auch Michael Praetorius, von dem der Liedsatz stammt, der im Gesangbuch abgedruckt ist. Insidern ist er bekannt als bedeutender Komponist am Wechsel vom 16. zum 17. Jhd.

Maria ist also ursprünglich die Rose aus der Wurzel Isai, aus dem Stamm Davids, auch wenn das nicht ganz stimmt: Der Stammbaum am Beginn des Matthäusevangeliums reiht sie dort ein. Er beginnt mit Abraham und endet mit Josef, ihrem Mann: Matthäus 1,16: Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus.

Jesus und die Wintersonnenwende

Indem nun das Lied zu einem Jesuslied wurde, ist Jesus nun die Rose, das Reis, der Sproß aus der Linie des Isai, der Davidssohn. Die Rose galt schon mit Mittelalter als Königin der Blumen. Welche andere Blume wäre für Jesus, den König, besser geeignet?

Das geschah, "wie uns die Alten sungen", wie es also die Propheten im Alten Testament schon angekündigt hatten. In Bethlehem, wo Isai zuhause war, soll der Messias kommen: Micha 5,1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.

"und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht": Maria, die Rose, hat in jener Heiligen Nacht ein Blümlein hervorgebracht: Jesus. Wohl zu der "halben Nacht" ist er geboren: Die Wintersonnenwende ist gemeint. Die Menschen im Mittelalter, die kein künstliches Licht kannten, lebten viel intensiver mit der Natur und freuten sich auf die länger werdenden Tage nach dem 21. Dezember. Das Licht siegt langsam wieder in diesen Tagen: Die Nächte werden kürzer und die Tage länger. Jesus ist dieses Licht, das die Nacht vertreibt, und das die Menschen wieder nach vorne schauen läßt. Wenn es im Frühling wieder "nauswärts" geht: Mit vielen Hoffnungen ist das für Menschen verbunden.

Das alles hatten die im Sinn, die damals Jesu Geburt in diese Zeit legten. Niemand weiß ja, in welcher Jahreszeit Jesus geboren wurde, niemand weiß den Tag. Die Evangelien erzählen uns nichts davon.

Wohl zu der "halben Nacht" ist er geboren: Man kann es auch so verstehen, daß mit seiner Geburt nun der größere Teil der Nacht vorüber ist, und der Morgen mit seinem Licht naht. Mancher, der nachts nicht schlafen kann, sehnt sich danach. Jesus, der heiß ersehnte Retter, der Licht in das Leben bringt. Wir singen die erste Strophe des Liedes 30 miteinander: ...

Maria fügt sich

2. Das Blümlein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd; aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht.

Der erste Vers des alten Marienliedes redet in Bildern: Rose, Blümlein. Der zweite Vers gibt wie in einer Art Frage- und Antwortspiel die Auflösung: Welches Blümlein meine ich? Das Blümlein, das ist meine, das ist Jesus. Die Rose, das ist Maria. Gottes Magd ist Maria, gehorsam ist sie also gewesen. Sie hat zwar nicht begriffen, wie ihr geschieht, und was das alles soll, als der Engel ihr die Botschaft bringt, aber sie fügt sich in Gottes Willen: Lukas 1,38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Nicht nur Magd ist sie, sondern auch die reine Magd. Noch nie hat sie ein Mann angerührt. Als Zeichen dafür blüht auf allen Bildern, die die Verkündigung des Engels an Maria darstellen, eine weiße Lilie.

Jesus = Jeschua = Gott hilft

"Aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht." Nicht Menschenwille ist geschehen, sondern sie wird zum Werkzeug, zur Durchgangsstation Gottes. "Selig" macht uns das Kind. In moderne Worte übersetzt: Er rettet uns. "Gott rettet", "Gott hilft", das ist die Übersetzung des hebräischen Namens Jeschua. Jesus, da ist also nicht nur ein Name, das ist ein ganzes Programm. So erklärt es der Engel dem Josef im Traum, als er ihn bittet, zu diesem Kind zu stehen: Matthäus 1,21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Wir singen die zweite Strophe des Liedes. ...

Vielleicht gar in Bayreuth entstanden?

Und nun hat jemand später zu diesen beiden ursprünglichen Marienversen noch zwei weitere Verse hinzugedichtet, um Jesus, das Blümlein, näher zu beschreiben. Der Dichter ist wiederum nicht bekannt. Vielleicht ist es Pfarrer Fridrich Layriz gewesen, dessen Namen Sie unter dem Lied lesen können. Er wurde 1808 ganz in der Nähe, nämlich in Nemmersdorf, geboren. In einer Sammlung von ihm aus dem Jahr 1844 tauchen die Verse zum ersten Mal auf. Layritz hat sich nämlich um die Pflege alten Liedgutes bemüht. Ja, vielleicht sind sie gar in Bayreuth gedichtet worden. 1842 bis 1846 ist Layritz nämlich Pfarrer an der Stiftskirche in St. Georgen gewesen.

Jesus, das Licht

3. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine vertreibt's die Finsternis. Wahr' Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.

Die Bildsprache und die Gedanken aus den ersten beiden Versen werden fortgeführt, aber Jesus, das Blümlein, wird nun mit der Rose, die die Maria war, gleichgesetzt. Eine Rose duftet. Was Jesus tut, wird mit dem Duft der Rose verglichen: Zur "halben Nacht", wie es noch im ersten Vers hieß, hat er Licht in die Welt gebracht, hat er die Welt und die Finsternis der Menschen hell gemacht. Vielleicht erinnert sich der Dichter an eine andere Lesung der gestrigen Heiligen Nacht: Jesaja 9,1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.

Jesus: Gott hilft. Daran hat der zweite Vers erinnert. Und auch das wird noch einmal ausgelegt. Wie hilft er? Woraus rettet er? Er rettet aus Sünde und Tod. Das kann er nur, weil er wahrer Mensch und wahrer Gott ist, wie wir im Nicänischen Glaubensbekenntnis vorhin bekannt haben. Er kann es nur, weil er zugleich auf der Seite Gottes und auf der Seite der Menschen steht. Wir singen die dritte Strophe des Liedes. ...

Die Erde eine „Jammertal“?

4. O Jesu, bis zum Scheiden aus diesem Jammertal laß dein Hilf uns geleiten hin in den Freudensaal, in deines Vaters Reich, da wir dich ewig loben; o Gott, uns das verleih!

Von Weihnachten aus geht der Blick nach vorne, hinein in das weitere Leben, hinein in das nächste Jahr, wo es "alle Jahre wieder" wieder Weihnachten wird. Wie lebt es sich nach Weihnachten, was ja gleichzeitig vor Weihnachten ist? Die Weihnachtsbotschaft soll das Leben ändern, sie soll nicht sang- und klanglos vorbeigehen. Jesu Hilfe, Gottes Hilfe geleite uns in das neue Jahr hinein. Ein Jammertal sei die Erde, heißt es hier. Wer weiß, was für Einzelne unter uns das Neue Jahr bringt? Doch daß die Erde für alle und grundsätzlich ein Jammertal sei, das kann und will ich nicht einfach so nachsprechen.

Vielleicht rührt der Ausdruck hier davon, daß die Erde als Jammertal so oft in mittelalterlichen Kirchenliedern vorkommt, vor allem in Liedern aus dem 30jährigen Krieg, wo das sicher gestimmt hat. "Tröst uns hier im Jammertal" dichtet Friedrich Spee im Adventslied "O Heiland, reiß die Himmel auf" z.B. Oder auch Paul Gerhardt in seinem Lied "Nun ruhen alle Wälder": 3. Der Tag ist nun vergangen, die güldnen Sternlein prangen am blauen Himmelssaal; also werd ich auch stehen, wenn mich wird heißen gehen mein Gott aus diesem Jammertal.

"Jammertal", das war damals ganz einfach eine allgemeine Bezeichnung für diese Welt, auch wenn sie gewiß nicht immer so war und ist. Martin Luther war ja auch ein dem Leben zugewandter Mensch, obwohl er in seinem Kleinen Katechismus in der Auslegung der 7. Vaterunserbitte schreibt, daß uns Gott am Ende "mit Gnaden von diesem Jammertal zu sich nehme in den Himmel".

Nach vorne sehen von Weihnachten her

Wichtig ist mir an dieser letzten Strophe, daß wir von Weihnachten her den Blick nicht nur in die Gegenwart richten, sei sie schön oder auch nicht so schön, sondern daß wir den Blick nach vorne richten. Wir singen die vierte Strophe des Liedes. ...

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de