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predigt[e].de

Die Predigt vom 21. Januar 2007 (3. Sonntag nach Epiphanias):
»Durst nach Leben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema ist das Evangelium, das grenzenlos allen gilt. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung vom Glauben eines römischen Hauptmanns und Epistel (2. Lesung) die Überzeugung des Paulus, dass das Evangelium Juden und Griechen gilt. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Brunnen in Johannes 4:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
5 (Jesus) kam in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. 6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. 7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! 8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen.
9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. - 10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser. 11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? 12 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; 14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
15 Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen! 16 Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! 17 Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann. 18 Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt. 19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.
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Die Predigt
Eine ungewöhnliche Begegnung

So lesen wir im Johannesevangelium im 4. Kapitel von der Begegnung Jesu mit einer Frau aus Samarien. Eine überraschende, ja eigentlich eine unwahrscheinliche, eine unmögliche Begegnung:

Juden und Samaritaner sind sich bewusst aus dem Weg gegangen. Dass Jesus mit seinen Jüngern auf dem Weg von Galiläa im Norden Israels in den Süden nach Jerusalem dort vorbei kommt und Halt macht, war ungewöhnlich. Ein frommer Jude hätte einen Umweg gemacht. Er hätte die Gegend und die Menschen gemieden. Als Volk und vom Glauben her akzeptierten sich beide nicht. Es verband sie der Glaube an den einen Gott und die fünf Bücher Mose. Ihre Frömmigkeit aber hatte sich über die Jahrhunderte verschieden entwickelt. Wir können uns das in etwa so vorstellen wie das Verhältnis zwischen Evangelischen und Katholiken vor 50, 60 Jahren.
Und dann kommt noch dazu, dass ein jüdischer Mann eine Frau nie in der Öffentlichkeit einfach so angesprochen hätte. Das war ganz gegen die guten Sitten. Es war anstößig, ja unanständig. Kein Wunder, wenn es im Text heißt:
9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.

Jesus durchbricht Konventionen

Etwas verkürzt könnte man sagen: Für Jesus sind die Menschen wichtiger als die Sitten und Gebräuche. Über Konventionen, über das, was an eigentlich tut oder nicht tut, setzt sich Jesus zeitlebens hinweg: Er hat keine Scheu, sich mit kranken Menschen abzugeben, von denen man damals pauschal meinte, sie seien von Gott gestraft. Er scheut die Aussätzigen nicht, die sich aus der Gesellschaft fern halten mussten. Er wagt es, vor der versammelten Männermannschaft Kinder in den Mittelpunkt zu stellen und zu sagen, dass sie einen viel direkteren Weg zu Gott und zum Glauben haben. In seinen Begegnungen mit Frauen macht er deutlich, dass er ihnen dieselbe Würde zuspricht wie den Männern.
Dass Jesus die Frau um Wasser bittet, mag uns heute komisch vorkommen. Kann er sich das Wasser nicht selber schöpfen? Entscheidend ist für damaligen Ohren, dass Jesus die Frau wie einen Menschen und nicht, wie damals üblich, wie Luft oder nur wie eine Sache behandelt.

Wasser ist Leben

Die Frau wird aufmerksam. Und vom äußeren Durst nach Wasser her entwickelt sich zwischen Jesus und der Frau ein Gespräch über den Lebensdurst. Auf zwei verschiedenen Ebenen verläuft das Gespräch sozusagen: Jesus verspricht der Frau lebendiges Wasser. Das war damals die Bezeichnung für Quellwasser, für fließendes, frisches Wasser im Gegensatz zum stehenden Wasser, das man aus Zisternen holte. Und er verspricht Wasser, dass den Durst endgültig löscht. Das wäre schön, denkt die Frau, wenn es so ein Wasser gäbe, das den Durst so löscht, dass er nicht mehr wiederkommt. Das wäre schön, wenn man nicht jeden Tag neu den weiten Weg zurücklegen und Wasser holen müsste.
Weit war der Weg oft zum nächsten Brunnen. Aus Afrika wissen wir, dass Frauen und Mädchen, deren Aufgabe es ist, manchmal den halben Tag brauche, um das nötige Wasser für die Familie zu beschaffen.

Vom Durst nach Leben

Als Zuhörer dieses Zwiegesprächs zwischen Jesus und der Frau merken wir: So ein Wasser gibt es nicht. In diesem wörtlichen Sinne kann es nicht gemeint sein. Ein Wasser, das ewig satt macht, muss noch einmal etwas ganz anderes sein. Erst als Jesus die Frau durchschaut, was ihre Männerbeziehungen angeht, ahnt die Frau etwas davon, dass es um mehr gehen muss: Sie ahnt etwas davon, dass Jesus nicht nur äußerlich satt machen kann, sondern auch vielleicht ihren inneren Durst stillen könnte.

Sind die ständig wechselnden Lebenspartner der Frau ein Ausdruck ihres Durstes nach Leben? Nichts und niemand konnte sie offenbar bisher innerlich zufrieden stellen. Wir wissen es nicht, weil wir ihre persönliche Geschichte nicht kennen. Der Respekt, den Jesus ihr entgegenbringt, gebietet auch uns, sie nicht gleich in eine eindeutige Ecke zu stellen. Wer weiß, was sie in der ungerechten Männergesellschaft damals für einen Lebensweg hinter sich hatte?
Aber trotz allem: Hinter ständig wechselnden Beziehungen offenbart sich oft ein Beziehungsproblem. Sie müssen nicht bedeuten, dass einem Menschen die Treue egal wäre. Sie können auch die enttäuschte Sehnsucht nach der einen wahren Beziehung sein.

Hinter den meisten Süchten offenbart sich die Sehnsucht nach wahrer, nach eigentlicher, nach echter Befriedigung. So wie die Frau sich freuen würde über ein Wasser, dass den Durst endgültig löscht, so sehnt sich mancher Süchtiger nach dem, was wirklich seinen Lebensdurst stillt. Denn die Suchtmittel schaffen zwar eine schnelle Befriedigung, aber keine bleibende. Der Lebensdurst kommt wieder.

Wer und was stillen den Lebensdurst?

Vom 3. Sonntag nach Epiphanias wäre in dieser Jesusgeschichte wichtig, dass es vor Gott keine Grenzen gibt: Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, Juden und Samaritaner, Katholiken und Evangelische, sie haben alle den gleichen Zugang zu ihm. Doch noch wichtiger und gravierender scheint mir hinter den Worten diese andere Frage, was wirklich satt macht, was wirklich den Lebensdurst der Menschen stillt.
In einem jeden Menschen steckt die Sehnsucht nach einem sinnvollen, nach einem gelingenden Leben: Gute Beziehungen gehören dazu, Gespräche und Menschen. Eine Würde haben, angenommen und akzeptiert sein, so wie man ist. Nicht herabgewürdigt oder zum Objekt gemacht werden. Körperliche und seelische Gesundheit gehören dazu. Die eigene Arbeit, im Beruf, im Haushalt, in einem Ehrenamt, sie soll anerkannt und gewürdigt, sie soll wertgeschätzt werden.
Wenn das alles in Erfüllung geht, dann kann Lebenssehnsucht gestillt werden. Wenn es aber nicht der Fall ist, dann erwacht immer wieder neu der Hunger und der Durst nach Leben. Wenn Einsamkeit da ist. Wenn man herabgewürdigt wird. Wenn die Wertschätzung fehlt. Wenn Anerkennung und Erfolg ausbleiben.

Genussmittel zum Stillen des Durstes

Dann ist der Weg zu Ersatzmitteln nicht weit. Äußere Mittel, die den inneren Durst stillen sollen. Sich in die Arbeit stürzen. Sich in immer neue Vergnügungen stürzen, immer neue Beziehungen. Mit Genussmitteln, mit Suchtmitteln den Durst löschen. Aber die sind nach aller Erfahrung genau das Gegenteil von dem, was Jesus verspricht. Sie sind nicht wie Wasser, das den Durst endgültig löscht. Sie sind eher wie die süße Limonade, von der man immer durstiger wird, je mehr man trinkt.

Sehen wir um Gottes willen nicht nur auf diese Frau oder auf Menschen in unserer Nachbarschaft, von deren Sucht wir wissen oder die wir erahnen. Gar zu leicht lenken wir, indem wir auf andere sehen, von uns selbst ab. Fragen wir ruhig auch nach unseren eigenen unerfüllten Sehnsüchten, nach fehlender Befriedigung, nach unserer eigenen Gefährdung.
Und fragen wir auch selbstkritisch, wie weit unser Glaube, unser Gottvertrauen den Lebensdurst stillen können. Fragen wir, wie es mit unserer inneren Zufriedenheit steht.

Jesus und der Lebensdurst

Die Frau am Brunnen spürt, dass es um das Eigentliche geht, um den Lebensdurst, um die wahre Befriedigung. Glaube an Jesus im eigentlichen Sinne ist es erst einmal noch nicht. Erst einmal macht sie eine überraschende Erfahrung: Jesus kennt sie. Er kennt sie durch und durch. Aber sie fühlt sich ernst genommen, denn Jesus durchschaut sie zwar, aber er tadelt sie nicht. Er erkennt ihr Lebensproblem, aber er wertet sie nicht ab.
19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.
Das ist erst einmal noch nicht Glaube im eigentlichen Sinn. Es ist ein erster Schritt. Und die Fortsetzung der Geschichte zeigt, dass die Frau dann auch noch weitere Schritte tut.
Niemand von uns ist im Glauben schon fertig. Gottesbeziehung will und muss gepflegt werden wie alle anderen Beziehungen auch. Wir wachsen nur, indem wir Erfahrungen machen, Glaubenserfahrungen, die den Lebensdurst so stillen, dass es keinen billigen Ersatz mehr braucht.
14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten.
Trinken, das zeigt, dass Glaube nicht einfach nur eine Kopfangelegenheit, eine geistige Frage ist. Trinken, das ist leiblich. Es geht beim Glauben um Leib und Seele. Und so muss, wer weiter kommen will, sich immer neu auf Gott einlassen und seine Erfahrungen machen.
Dazu lade ich Sie ein. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de