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predigt[e].de

Die Predigt vom 4. Februar 2001: »Der lichtbedürftige Mensch«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche begeht am Sonntag den Letzten Sonntag nach Epiphanias. Evangelium ist die Erzählung von der „Verklärung Jesu“. In der Epistel erzählt Paulus von seiner Erleuchtung. Der Predigttext steht im Johannesevangelium im 12. Kapitel:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  34 Da antwortete ihm das Volk: Wir haben aus dem Gesetz gehört, daß der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muß erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? 35 Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. 36 Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen.

Predigt

  Vom Licht in der Teufelshöhle

Die meisten von Ihnen werden wohl schon einmal in der Teufelshöhle bei Pottenstein gewesen sein oder in einer anderen Tropfsteinhöhle. Kein Funken Licht dringt normalerweise in solche Höhlen. Und so gibt es dort auch kein Leben. Normalerweise ... Dort aber, wo die Scheinwerfer für die Besucher für kurze Zeit eine Höhlenwand erhellen, wächst eine dünne Schicht grünes Moos. Für den Erhalt der Höhlen ist das nicht gut. Aber es ist erstaunlich, wie wenig Licht dort Leben entstehen läßt. Leben braucht Licht. Und Licht schenkt Leben.

Der lichtbedürftige Mensch

Auch der Mensch unterscheidet sich in seiner Bedürftigkeit nach Licht von dieser niedrigen Lebensform Moos überhaupt nicht. In naturwissenschaftlichen Worten: Licht, am besten Sonnenlicht, regt nachgewiesenermaßen den menschlichen Stoffwechsel an. Licht aktiviert das Vitamin A im Körper. Es bewirkt die Bildung von Melatonin, dem Hormon der sog. Zirbeldrüse, das wir brauchen, um sozusagen auf Touren zu kommen. Vor ein paar Jahren erst hat man nachgewiesen, was viele vorher schon gefühlsmäßig wußten: Es gibt eine Art Winterdepression, also eine Mattigkeit, eine Schläfrigkeit, eine Lustlosigkeit in der Zeit des Jahres, in der das Licht weniger wird. Und sie hat damit zu tun, daß durch den Lichtmangel bei manchen zu wenig von diesem Hormon Melatonin ausgeschüttet wird. Als Mittel dagegen wird Lichttherapie verschrieben: entweder durch starke, sonnenlichtartige Lampen oder den winterlichen Aufenthalt in einem sonnenreichen Land.

Jesus, das Licht

Von der Bedeutung des Lichts für unsere geistig-seelische Gesundheit und von einer Art Lichttherapie handeln die Worte des heutigen Predigttextes aus dem 12. Kapitel des Johannesevangeliums:

34 Das Volk antwortete Jesus: Wir haben aus dem Gesetz gehört, daß der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muß erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? 35 Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. 36 Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen.

Enttäuschte Hoffnungen

Jesus befindet sich inmitten des Pilgervolkes, das zum Passafest nach Jerusalem gezogen ist. Sein Ruf war ihm von seiner Heimat Galiläa bis hierher vorausgeeilt. Bei seinem Einzug hatte ihn ein Teil des Volkes begrüßt wie den erhofften Messias. Große Hoffnungen setzen sie in ihn. Sogar als Herr über den Tod hat er sich erwiesen. Und dann redet er gleich zu Beginn in Bildworten von seinem eigenen Tod: Er redet vom Weizenkorn, das sterben muß, um Frucht zu bringen. Und er redet von seiner Erhöhung. Erhöhung, das war doppeldeutig: Erhöhung ans Kreuz. Und Erhöhung zur Herrschaft zur Rechten Gottes. Beides konnten sie nicht begreifen. Beides würde bedeuten: sie werden ihn verlieren. Das wollten sie gerade nicht. Bleiben soll er. Neue Verhältnisse schaffen und sie auch stabilisieren. 34 Das Volk antwortete Jesus: Wir haben aus dem Gesetz gehört, daß der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muß erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?

Jesus als Person war ihnen offenbar nicht so wichtig wie die Änderungen, die er bringen sollte. Mit dem Rätselwort vom Licht macht er die Menschen auf sich als Person aufmerksam: Er bezeichnet sich als das Licht. Das heißt übertragen: "So wichtig wie für euch das Licht für das tägliche Leben ist, so wichtig bin ich für euch, wenn es um das Gelingen des Lebens geht, um den Sinn des Lebens."

Licht und Finsternis

Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht.

"Ihr wißt doch", sagt Jesus, "wie wichtig das Licht für euer tägliches Leben ist: Wer abends noch eine Arbeit tun will, wer nachts ohne Licht aufsteht, der stößt sich überall. Er stolpert. Er findet den Weg nicht. Tut eure Arbeit und geht die nötigen Wege, solange es hell ist." Noch viel mehr als wir heute waren die Menschen der damaligen, vortechnischen Zeit auf das Licht der Sonne angewiesen. Die Olivenöllampen als einziges Leuchtmittel brachten nicht viel. Und: Es wird schneller und plötzlicher dunkel weiter im Süden, wo die Dämmerung kürzer ist. Die Finsternis überfällt einen geradezu.

Auch das versteht Jesus als Bild für sich und sein Wirken: Wie das Licht der Sonne nicht immer da ist, wie der Tag schnell zu Ende geht und unversehens die Dunkelheit kommt, so ist er auch nur für kurze Zeit zu haben. Diese kurze Zeit sollen sie nutzen.

Advent im Sommer

Vom Lebenslicht in einem tieferen Sinn spricht der letzte Sonntag nach Epiphanias. Und von unserer inneren Bedürftigkeit nach solchem Licht. Epiphanie, auf deutsch: Erscheinung. Epiphanie, auf deutsch: Es wird Licht. Einmal im Jahr erinnert uns das Kirchenjahr daran. Doch woran das Kirchenjahr "alle Jahre wieder" erinnert, ereignet sich bei uns in einem anderem Rhythmus, nämlich in der Lebensgeschichte:

Advent ist immer dann, wo wir ungeduldig auf etwas warten. (Vielleicht mitten im Sommer.) Weihnachten wird es, wenn wir uns Gott ganz nahe fühlen. Passion und Ostern durchleben wir, wenn wir nach einer Resignation zu neuem Leben auferweckt werden. Und dann geht auf einmal jemand ein Licht auf. Gerade noch war er im Dunkel, und nun ist es hell um ihn. Jemand kommt ins Licht. Die Frist dafür kann begrenzt sein. Sie kommt überraschend. Man möchte die kurze Zeit festhalten wie die Jünger auf dem Berg der Verklärung. "Hier ist gut sein. Hier laßt uns Hütten bauen. Hier laßt uns häuslich einrichten." Aber Jesus geht hinterher mit ihnen wieder hinunter in die Niederungen des Alltags. Ob sie nun lichterfüllt anders leben?

Lichterlebnisse

Das erleben Menschen immer wieder, daß es in der Begegnung mit Jesus als dem Licht schlagartig hell wird: Wenn ein Gottesdienst sie anrührt, durch eine Stille, durch ein Lied oder ein Gebet. Wenn ein Bibelwort sie trifft, in ihr Leben leuchtet, ihr Leben und ihre momentane Situation be-leuchtet, ja vielleicht gar durch-leuchtet. In Momenten des Glücks, in Momenten des Beschenktwerdens, in Momenten festen Glaubens, in Momenten tiefer Geborgenheit geschieht Epiphanie, Erleuchtung, Begegnung mit dem Licht des Leben. Wer weiß, wie lange der Moment anhält? Wer weiß, wann er wieder kommt?

Kinder des Lichts sein

Wer sich auf dieses Licht einläßt, wer dieses Licht hereinläßt, wird damit ein "Sohn des Lichts", ein "Kind des Lichts". Das ist das orientalische Bild für eine feste Verbindung: "Menschen, die ganz vom Licht erfüllt sind" übersetzt die "Gute Nachricht", die Bibel im heutigen Deutsch. Wer so ein Licht erlebt hat, leuchtet sozusagen wie von innen heraus. Wer so ein Licht erlebt hat, der gibt dieses Licht auch weiter. Der kann gar nicht anders. Gott sei Dank, gibt es solche Menschen, die einen mit ihrem Licht anstecken. Wenn sie kommen, wird es hell. Sie sind wie das Salz und Licht, von dem Jesus in der Bergpredigt erzählt. Aber sie leuchten ja nicht aus sich selbst, sondern sie geben erlebtes und empfangenes Licht weiter.

Gehen Sie also in die nächste Woche nicht mit der resignierten Frage: Was soll ich denn noch alles tun? Es gibt mehr Lichtmomente, als Sie denken. Und wer dann für einen Moment stehen bleibt, und sich aufladen läßt wie einen Akku, der leuchtet ganz von allein. Oft merkt er es selbst gar nicht. Aber die anderen merken es. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de