|
Die Predigt |
Abendmahl und Passmahl
12 Und am ersten Tage der Ungesäuerten Brote, als man das
Passalamm opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du,
dass wir hingehen und das Passalamm bereiten, damit du es essen kannst?
13 Und er sandte zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht
hin in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt
einen Krug mit Wasser; folgt ihm, 14 und wo er hineingeht, da sprecht
zu dem Hausherrn: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist der Raum,
in dem ich das Passalamm essen kann mit meinen Jüngern? 15 Und
er wird euch einen großen Saal zeigen, der mit Polstern versehen
und vorbereitet ist; dort richtet für uns zu. 16 Und die Jünger
gingen hin und kamen in die Stadt und fanden's, wie er ihnen gesagt
hatte, und bereiteten das Passalamm.
Offenbar ist unser Abendmahl auch aus der jüdischen Passafeier
hervorgegangen: Als Jesus am Abend vor der Gefangennahme und der Kreuzigung
zum letzten Mal mit seinen Jüngern zusammen war, haben sie wie
in allen anderen Häusern Jerusalems das Passalamm miteinander
gegessen. Wie viele andere aus dem ganzen Land waren sie als Festpilger
in die Stadt gekommen. Nur in Jerusalem, dem Ort des Tempels, konnte
damals noch Passa gefeiert werden. Pilger wurden entweder zum Essen
in eine Familie eingeladen, oder man hat ihnen Räume in der Stadt
zur Verfügung gestellt.
Das Passamahl fand am ersten Tag des sog. „Festes der ungesäuerten
Brote“ statt. In dieser Woche hat man Fladenbrot gegessen, das
ohne Sauerteig und Hefe gebacken war. Es erinnert daran, dass durch
den überstürzten Aufbruch aus der Sklaverei in Ägypten
der Sauerteig nicht mehr gehen konnte.
Nachdem der Jerusalemer Tempel zerstört war und es keine Opfer
mehr gab, wurde Passa weiterhin zu Hause in den Familien begangen.
Zur Erinnerung an das Festopfer, das man früher am Tempel dargebracht
hatte, lagen nun symbolisch nur noch ein Lammknochen und ein Ei auf
dem Teller in der Mitte des Tisches.
(Mit der Sederschale vor der Gemeinde:)
„Sederschale“ wird ein solcher Teller hier genannt. Seder
bedeutet Ordnung, Ordnung für das häusliche Passafest. Sieben
symbolische Speisen finden sich darauf: In der Mitte drei Mazzen,
ungesäuertes Fladenbrot. Und außen herum: Der genannte
Lammknochen mit ein wenig Fleisch und das Ei in Erinnerung an das
frühere Tempelopfer. Bittere Kräuter in Erinnerung an die
bittere Zeit der Sklaverei in Ägypten. (Die deutschen Juden nahmen
da auch Meerrettich.) Ein braunes Fruchtmus aus Äpfeln, Nüssen
und Zimt in Erinnerung an den Lehm, aus dem in Ägypten die Ziegeln
gebrannt wurden. Ein Schüsselchen Salzwasser für die Tränen
der damaligen Zeit. Und grünes Kraut in Erinnerung an die fruchtbare
Erde. (Die deutschen Juden nahmen meistens Petersilie.)
(Wieder zur Kanzel zurück.)
Sie sehen aufgrund der symbolischen Speisen, dass es beim Passafest
um die Befreiung des Volkes Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten
geht. Die Erzählung davon aus dem 2. Buch Mose ist der Predigttext
des heutigen Abends:
(Text siehe oben.)
Dieses über die Jahrhunderte gefeierte Passamahl gehört
zu den Wurzeln unseres Abendmahls und ist doch auch deutlich von ihm
unterschieden. Vier Dinge will ich hervorheben: Wie das Passamahl
ist unser Abendmahl auch ein Mahl der Befreiung, ein Mahl der Freude,
ein Mahl der Gemeinschaft und ein Mahl des Aufbruchs.
Mahl der Befreiung
Zum ersten: Das Passamahl ist ein Mahl der Befreiung und Verschonung.
Gott befreit sein Volk, wie es im Alten Testament heißt, „mit
großer Kraft und ausgestrecktem Arm“. Blutig ging es zu.
Viele mussten sterben für diese Freiheit, die man beim Passa
feierte. Der Gerechtigkeit halber sei gesagt, dass auch die jüdischen
Ausleger des Alten Testaments um die toten Ägypter trauern.
Jesus aber gibt am letzten Abend mit seinem Jüngern dem Ganzen
eine durch und durch andere Bedeutung: Die neue Befreiung und Verschonung,
die er schenkt, geschieht ohne Macht und Gewalt. Er selber gibt sich
freiwillig als eine Art Opfer hin. Nun braucht es in Zukunft keine
Opfer an Menschen und Tieren mehr.
Matthäus 26: Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den
und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das
vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
Mahl der Freude
Zum zweiten: Das Passamahl ist ein Mahl der Freude. Vier Becher Wein
werden beim Passafest geleert. Der Hausvater spricht über dem
ersten Becher, bevor alle daraus trinken:
Gepriesen seist Du, Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der die Frucht
des Weinstockes erschaffen. Gepriesen seist Du, der uns aus allen
Völkern erwählt, und uns durch Seine Gebote geheiligt hat.
Du gabst uns, Ewiger, unser Gott, in Liebe bestimmte Zeiten zur Freude,
Feste und Feiertage zur Wonne, wie diesen ... die Zeit unserer Befreiung,
ein Ruf zur Heiligung zum Andenken an unseren Auszug aus Ägypten.
Gepriesen seist Du, der uns am Leben und bei Wohlbefinden erhielt
und diese Zeit erreichen ließ.
So sollte von Hause aus eigentlich auch das Abendmahl ein freudiges
und dankbares Fest sein: Dankbarkeit für die Befreiung, die Gott
schenkt. Dankbarkeit, dass Gott uns am Leben erhält.
Ich weiß, diese Freude passt nur schwer zu unserer traditionellen
Art, Gottesdienst und Abendmahl zu feiern. Ihre Generation und auch
noch meine Generation ist so aufgewachsen und erzogen, dass das Abendmahl
ein ernstes und würdiges Fest ist. Ein wenig anders sieht es
schon beim Feierabendmahl aus, das wir morgen am Gründonnerstag
im Gemeindehaus begehen.
Mahl der Gemeinschaft
Zum dritten: Das Passamahl ist ein Mahl der Gemeinschaft. Niemand
soll an diesem Abend alleine sein. In der alten Geschichte sollten
sich die Nachbarn zusammentun. Bei den späteren Passafeiern feierte
man in Jerusalem mit offenen, einladenden Türen. So sagt der
Hausvater nach dem Trinken des ersten Bechers, wenn er die Mazzen
hochhebt:
Dies ist das Brot des Elends, das unsere Väter im Lande Ägypten
gegessen haben. Jeder, der hungrig, komme und esse! Jeder, der in
Not, komme und feiere mit uns das Pessachfest! Dieses Jahr –
noch hier: im künftigen – im Land Israel! Dieses Jahr –
noch Sklaven, im künftigen – freie Männer.
Zu dieser Feier der Gemeinschaft gehörte auch der Becher Wein
für den Propheten Elia, der unangerührt auf dem Tisch stand.
Sein Wiederkommen erwartete man in der Heilszeit. Und weil niemand
wissen konnte, wann er kommen und als Gast einkehren könnte,
hielt man immer einen Becher für ihn bereit.
So ist von Hause aus auch das Abendmahl ein Mahl der Gemeinschaft.
Deswegen bin ich gegen die Sitte, die in manchen Gemeinden Einzug
gehalten hat, dass jeder seinen eigenen kleinen Becher bekommt. Gut,
ich weiß, das hat mit der Sorge um die Hygiene zu tun. Aber
wir gehen so sauber und ordentlich mit dem Abendmahlskelch um, dass
es keine Grund zur Klage geben dürfte.
Und auch beim Abendmahlsbrot würde man die Gemeinschaft noch
deutlicher sehen, wenn alle an einem Tisch säßen und ein
richtiges Brot teilen würden. Das tun wir deswegen auch ganz
bewusst beim Feierabendmahl morgen.
Mahl des Aufbruchs
Und viertens: Das Passamahl ist ein Mahl des Aufbruchs, das Mahl derer,
die auf dem Weg sind:
11 So sollt ihr's aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet
sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab
in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen.
Mitten in der Nacht sind die Israeliten damals in Ägypten aufgebrochen.
Reisefertig und aufbruchsbereit haben sie gefeiert: das lange Gewand
hochgegürtet, die Schuhe an den Füßen, den Wanderstab
in der Hand.
Und so ist von Hause aus auch das Abendmahl ein Mahl des Aufbruchs,
ein Mahl der Stärkung auf dem Lebensweg. „Kommt her zu
mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“
Die Mühseligen und Beladenen, ob nun körperlich oder seelisch,
dürfen mit der großen Erwartung zum Abendmahl kommen, dass
sie Stärkung auf ihrem weiteren Lebensweg erfahren.
Als Mahl des Aufbruchs weist das Abendmahl zu guter Letzt aber auch
darauf hin, dass wir Menschen einmal endgültig zum letzten Weg
aufbrechen müssen. So sagte Jesus abschließend zu den Jüngern:
Matthäus 26,29: Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr
von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an
dem ich von neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
Wer im Glauben an Gott lebt und stirbt, wer im Glauben an ihn hier
auf der Erde Abendmahl feiert, der darf sich auf ein großes
gemeinsames Fest im Reich Gottes freuen. Ein Fest, von dem unsere
Abendmahlsfeiern nur ein kleiner und unbedeutender Vorgeschmack sind.
Amen |
|