Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 15. April 2007 (Konfirmation):
»Über den Jordan gehen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag nach Ostern. Er wird auch „Weißer Sonntag“ genannt wegen der weißen Taufkleider in der frühen Kirche und ist der traditionelle Konfirmationstermin der Gemeinde. Lesungen und Predigttext für die Konfirmation sind deswegen vorranging. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom breiten und schmalen Weg und Epistel (2. Lesung) der „Aufruf zum guten Kampf des Glaubens“. Der Predigttext war ein Abschnitt aus 5. Mose 30:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
Mose sagte zum Volk: 11 »Das Gesetz, das ich euch heute gebe, ist nicht zu schwer für euch und auch nicht unerreichbar fern. 12 Es schwebt nicht über den Wolken, so dass ihr fragen müsstet: 'Wer steigt in den Himmel und holt es herab, damit wir es kennen lernen und dann befolgen können?' 13 Es ist auch nicht am Ende der Welt, so dass ihr fragen müsstet: 'Wer fährt übers Meer und holt es herbei, damit wir es kennen lernen und dann befolgen können?' 14 Nein, Gottes gebietendes Wort ist euch ganz nahe. Es ist auf euren Lippen und in eurem Herzen. Ihr müsst es nur befolgen!« 15 »Ich stelle euch heute vor die Wahl zwischen Glück und Unglück, zwischen Leben und Tod. 16 Wenn ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, befolgt, die ich euch heute verkündet habe, wenn ihr den HERRN liebt und seinen Weisungen folgt, seine Anordnungen, Gebote und Rechtsbestimmungen genau beachtet, werdet ihr am Leben bleiben und immer zahlreicher werden. Der HERR, euer Gott, wird euch dann segnen in dem Land, das ihr jetzt in Besitz nehmt. 17 Aber wenn ihr euch vom HERRN abwendet und ihm nicht mehr gehorcht, sondern euch dazu verleiten lasst, andere Götter anzubeten und ihnen zu dienen, 18 werdet ihr untergehen. Ihr werdet dann nicht lange in dem Land leben, in das ihr kommt, wenn ihr nun den Jordan überschreitet. Das lasst euch gesagt sein! 19 Himmel und Erde sind meine Zeugen: Ich habe euch heute Segen und Fluch, Leben und Tod vor Augen gestellt. Wählt das Leben, damit ihr am Leben bleibt, ihr und eure Nachkommen! 20 Liebt den HERRN, euren Gott! Gehorcht ihm und bleibt ihm treu!«
(5. Buch Mose Kapitel 30, Vers 11-20a nach der "Guten Nachricht")
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Über den Jordan gehen

Jemand geht über den Jordan, so sagt man, und meint damit bildlich seinen letzten Gang, das Sterben und den Tod. So war das von Hause aus nicht gemeint. Die Bedeutung des Ausdrucks hat sich geändert. Heute trennt der Jordanfluss, der das Heilige Land von Norden nach Süden durchzieht, und im Toten Meer endet, die beiden Staaten Israel und Jordanien. Damals war er für das Volk Israel unter Mose die Grenze zum Gelobten Land. Endlich am Ziel! Hinter dem Jordan würde die verheißene Zukunft beginnen. Wie oft hatte man sich auf dem Weg schon ausgemalt, wie es werden könnte.
Und nun lässt Mose in Sichtweite des Ziels, kurz vor dem Überschreiten des Jordan eine Pause einlegen. Er weiß, dass er selbst das Ziel nicht erreichen wird. Er muss sein Volk alleine gehen lassen. Er muss sie unter der Führung des jungen Josua in die Selbständigkeit entlassen. Aber wie in einem Testament gibt er ihnen seine letzten eindringlichen Worte mit:
(Text siehe oben)

Schwellensituationen im Leben

Nach 40 Jahren Wüstenwanderung stand also das Volk vor der entscheidenden Schwelle. Ein Schritt noch, und dann würde eine andere Zeit beginnen. Diesen Schritt sollte das Volk ganz bewusst und mit Bedacht tun. Was ist die große Versuchung, wenn man kurz vor dem Ziel ist? Die Versuchung, dass man alle bisherigen Entbehrungen und Ideale vergisst und leichtsinnig und undankbar wird.
Entscheidende Schwellen im Leben soll man nicht überschreiten, bevor man für einen Moment den Atem angehalten und sich besonnen hat. Man tut es bei der Taufe, wenn ein Kind auf seinen Lebensweg gesetzt wird. Man tut es bei einer Trauung, wenn man einen gemeinsamen neuen Weg beginnt. Man tut es bei einer Bestattung, wenn sich die Wege endgültig getrennt haben. Da überall hat es Tradition.
Doch sollte man es nicht viel öfter tun? Auch da wo es noch keine Tradition hat? Auf der Schwelle stehen bleiben und um Segen bitten, wenn eine Familie ein neugebautes Haus bezieht, zum Beispiel? Nachdenken und um Segen bitten, wenn man die Schwelle vom Arbeitsleben in den sog. Ruhestand hinein überschreitet? Ein neuer Ort, ein neuer Beruf, eine neue Schule. Die Schwellensituationen sind in unserer schnelllebigen Zeit mehr geworden.

Die Konfirmation als Schwelle

Deswegen wurde wohl auch dieser Abschnitt vor dem Überschreiten des Jordan für die Konfirmation ausgewählt: Auch sie markiert die Schwelle hinein in ein anderen Lebensabschnitt. Die Beichte am Vortag und dieser Gottesdienst heute laden zum Nachdenken auf der Schwelle ein.
Der HERR, euer Gott, wird euch segnen in dem Land, das ihr jetzt in Besitz nehmt.
Der Gang in einen neuen, noch unbekannten Lebensabschnitt, das ist wie das In-Besitz-nehmen eines neuen, unbekannten Landes. Wie ein unbeschriebenes Blatt Papier liegt es vor euch, und wartet darauf, gestaltet und beschrieben zu werden. Und dafür, dass es gelingt, sollt Ihr gesegnet werden.
Ihr seid aufgerufen, Euren Glauben nun selbständig zu gestalten und zu leben. Ihr bekommt das Recht, ein Patenamt zu übernehmen und den Kirchenvorstand zu wählen. (Leider erst wieder in fünf Jahren.) In unserer Gemeinde seid Ihr ab heute offiziell zum Heiligen Abendmahl eingeladen.
Aber was vielleicht noch wichtiger ist: Die Konfirmation steht mitten in der Umbruchphase der Pubertät. Über den Jordan gehen, das ist für viele eine abenteuerliche Angelegenheit voller Überraschungen und Kämpfe. Auf dieser Suche nach Euch selber, auf der Suche nach Eurem Platz im Leben fragt die Konfirmation Euch auch nach Eurer inneren Einstellung, nach Eurem Glauben und danach, ob Ihr etwas habt, worauf Ihr Euch verlassen könnt. Es geht in dieser Umbruchphase auch um das Gelingen und Misslingen Eures Lebens und der Zukunft.

Es geht um Gelingen oder Misslingen

Gelingen oder Misslingen, so habe ich die Alternative genannt. In den Worten des Mose heißt es noch viel schärfer:
15 »Ich stelle euch heute vor die Wahl zwischen Glück und Unglück, zwischen Leben und Tod.«
Es geht, was Eure Loslösung von Eltern und Autoritäten und Eure Suche nach dem eigenen Weg angeht, um Leben und Tod. Nicht im wörtlichen Sinne so, dass jemand ohne Gott sterben würde. Man kann sehr wohl ohne Gott leben, und viele leben auch gut so. Doch die ernste Warnung lautet: Ohne Gott leben zu wollen, heißt, sich den Boden unter den Füßen selbst schaffen zu wollen und zu müssen. Im äußersten Fall: nach den eigenen Gesetzen leben, nur nach dem eigenen Nutzen handeln, das Beste für sich herausholen.

Diese Freiheit haben wir. Diese Freiheit gibt uns Gott. Ihr könnt den einen Weg wählen oder den anderen. Aber ihr solltet bedenken, was es bedeutet: Wählt ihre einen Lebensweg, der Gott und den Mitmenschen mit einbezieht, dann wartet Segen auf euch. Wählt ihr einen Weg, der ohne Gott und ohne die Mitmenschen auskommen will, dann müsst ihr die Folgen tragen:
19 »Himmel und Erde sind meine Zeugen: Ich habe euch heute Segen und Fluch, Leben und Tod vor Augen gestellt. Wählt das Leben, damit ihr am Leben bleibt, ihr und eure Nachkommen! 20 Liebt den HERRN, euren Gott! Gehorcht ihm und bleibt ihm treu!«

In Beziehung leben

Die Evangelische Jugend in Bayern versucht, den Jugendlichen ein gelingendes Leben durch das Symbol des Dreiecks verständlich zu machen: ein sogenanntes Beziehungsdreieck, an dessen einer Ecke ich selber stehe, an der nächsten der Mitmensch, (mit einem biblischen Ausdruck, der Nächste,) und an der dritten Ecke Gott.
Ein gelingendes Leben gibt es nur in diesem Dreieck: Blende ich eine dieser Beziehungen aus, gerät mein Leben aus dem Gleichgewicht, ganz egal, ob ich den Nächsten vergesse, ob ich Gott vergesse, oder auch mich selbst.
Und auch andersherum: Wenn ich nur mich und meine Bedürfnisse betone und alles andere um mich herum vergesse. Oder: Wenn ich nur für den Mitmenschen da bin und mich und meine Bedürfnisse dagegen ganz hintenan stelle. Und sogar im Extremfall auch, wenn mein ganzes Leben Gott gehört und ich selber und der Mitmensch werden darüber ganz klein. Gott will Menschen nicht klein machen.


Das Entscheidende ist ganz einfach

Wie findet man den Weg zu so einem gelingenden Leben? Mose sagt in seinem Vermächtnis: Eigentlich ist es ganz einfach, fast zu einfach. Ihr müsst dafür keine teuren Kurse in der Volkshochschule besuchen. Ihr müsst euch nicht von irgendwelchen Gurus das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Ihr braucht keine esoterische Geheimlehre.
11 »Das Gesetz, das ich euch heute gebe, ist nicht zu schwer für euch und auch nicht unerreichbar fern. 12 Es schwebt nicht über den Wolken, so dass ihr fragen müsstet: 'Wer steigt in den Himmel und holt es herab, damit wir es kennen lernen und dann befolgen können?' 13 Es ist auch nicht am Ende der Welt, so dass ihr fragen müsstet: 'Wer fährt übers Meer und holt es herbei, damit wir es kennen lernen und dann befolgen können?' 14 Nein, Gottes Wort ist euch ganz nahe. Es ist auf euren Lippen und in eurem Herzen. Ihr müsst es nur befolgen!«
Das Wort auf den Lippen und im Herzen: Damit meint Mose das, was man damals den Kindern von Grund auf beigebracht hat, wenn sie zu sprechen begonnen haben. Was sie alle mit dem Kopf und mit dem Herzen auswendig gelernt haben. (Learning bei heart, sagen die Engländer so treffend.) Das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens, das sog. Schema Israel. Mit diesen Worten hat es Jesus zusammengefasst:
29 Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften« 31 Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Es ist kein anderes Gebot größer als diese. (Markus 12,29-31)
Da ist es wieder: dieses Beziehungsdreieck: Ich, der Mitmensch und Gott. Und was alles zusammenbindet ist die Liebe. Mehr braucht man nicht für ein gelingendes Leben, sagt Mose: Gott im Auge, im Kopf und im Herzen behalten. Genauso auch den Mitmenschen. Und sich selbst darüber nicht vergessen. Dieses Ziel behaltet fest im Auge.
Und der HERR, euer Gott, wird euch segnen in dem Land, das ihr jetzt in Besitz nehmt. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de