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Die Predigt vom 27. Mai 2001: »Pubertät: Wenn Eltern komisch werden«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Exaudi ("Höre, Herr"), den Sonntag vor Pfingsten. Im Evangelium verspricht Jesus den Heiligen Geist als "Tröster". In der Epistel erbittet Paulus den Heiligen Geist für die Gemeinde. Predigttext war ein Abschnitt aus dem 14. Kapitel des Johannesevangeliums. Die Auslegung war vor allem durch die Einführung der neuen Konfirmanden geprägt:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.

Predigt

  Pubertät bedeutet Loslassen

Ein Kind in den beginnenden Konfirmandenunterricht hineinzuführen, ein Kind in und durch die Pubertät zu begleiten, hat etwas mit Loslassen und mit Abschied zu tun: Da fängt jemand an, sich langsam abzunabeln. Da fängt jemand an, eigene und andere Wege zu gehen. Da fängt jemand an, an eigenen Meinungen trotzig festzuhalten und sie durchzuboxen. Noch ist der Abschied nicht da. Durch die verlängerte Schulzeit im Vergleich zu früher beginnt der sogenannte Ernst des Lebens nicht schon gleich nach der Konfirmation. Noch ist die Zeit nicht da, wo Eltern am Abend ungeduldig lauschen, ob der oder die letzte nun schon zu Hause ist, damit sie sich endlich ruhig hinlegen können. Noch ist es nicht so weit. Doch die Einübung, die gedankliche Beschäftigung damit beginnt.

Pubertät, eine Abnabelung

Abnabeln, das ist ein bildhaftes, aber doch ein klares und treffendes deutsches Wort dafür. Das Kind an der Nabelschnur im Bauch der Mutter ist ganz auf sie angewiesen, ist sonst nicht lebensfähig. Beide sind noch eins. Doch mit dem Abnabeln, mit dem ersten Schrei, mit dem ersten Atemzug beginnt streng genommen schon der Weg in die spätere Selbständigkeit. Und dann dieses Abnabeln jetzt, die langsam steigende Entfernung: erst einmal nur innerlich in den Gefühlen und den Ansichten, und später dann auch räumlich. Eine kitzlige Situation nach beiden Seiten. Pubertät ist, wenn die Eltern auf einmal anfangen, komisch zu werden, habe ich vor einiger Zeit einmal aufgeschnappt. Daß die Eltern es selbstverständlich genau andersherum sehen und empfinden, muß ich nicht betonen.

Pubertät: Führung abgeben

Loslassen und damit Führung abgeben, ist schwer für Eltern. Nicht mehr alles wissen. Nicht mehr alles überschauen können. In welche Kreise mögen sie geraten? Von welchen Meinungen mögen sie sich leiten lassen? Was ist, wenn sie sich auf einmal von anderen führen lassen? Indirekt hat das alles auch mit den Bibelworten zu tun, die uns heute zum Nachdenken aufgegeben sind. Vielleicht hat sie der eine oder andere von Ihnen schon auf dem kleinen Gottesdienstverteilblatt gelesen: Hinter diesen Worten steckt auch eine Abschiedssituation, ein Loslassen. Jesus bereitet vor seinem Tod seine Jünger darauf vor, daß er sie bald verlassen wird und sie ohne ihn zurechtkommen müssen. Wer würde ihnen nun wie bisher den richtigen Weg zeigen? Wer würde ihnen Halt geben? Wer würde im richtigen Moment die richtige Antwort haben? Wie soll es weitergehen ohne ihn?

Abschiedsworte Jesu

19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.

Was kann man von diesen Jesusworten her Eltern und Jugendlichen auf dem Weg des Loslassens mitgeben? Den Eltern könnte man Mut machen: Wenn Ihr Eure Kinder langsam loslassen müßt, dann wißt, daß jemand anders unsichtbar mit ihnen geht. Und den Jugendlichen könnte man Mut machen: Wenn Ihr nach dem richtigen Weg sucht, dann wißt, daß Ihr im Glauben an Gott Wege gezeigt bekommt.

Den Eltern Mut machen

Den Eltern Mut machen: Was sagt Jesus auf die bange Frage der Jünger, was nun werden soll, wenn er mit seinem Rat und seiner Führung nicht mehr da ist? 16 Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit: Wo hier Martin Luther in seiner Übersetzung "Tröster" übersetzt, steht im Griechischen ein Wort, das eigentlich bedeutet: Fürsprecher, Beistand, Anwalt, Stellvertreter. Einen, der ihnen beisteht, wird Gott schicken. Einen, der wie Jesus selbst den Jüngern beigestanden hat. Einen, auf den sie sich verlassen können. Einen, der für sie spricht. Der Heilige Geist ist damit gemeint. Gottes unsichtbare Kraft, Gottes unsichtbare Gegenwart. Trösten, Mut machen ist nur eine Aufgabe dieses Heiligen Geistes. Eltern, die ein Kind zur Taufe gebracht haben, sollen wissen und darauf vertrauen, daß Gottes Begleitung auch dorthin noch reicht und trägt, wo die Begleitung der Eltern zu Ende ist. 18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Jugendliche, die ihre eigenen Wege zu gehen beginnen, sind von Gott her gesehen nicht allein gelassen. Sie sind nicht elternlos. Sie sind nicht vaterlos.

Den Jugendlichen Mut machen

Und das zweite: Den Jugendlichen Mut machen. Wer langsam selbständig werden will, wer die Leitung und Führung der Eltern langsam abstreifen will, der muß lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Wer auf eigenen Beinen stehen will, braucht festen Boden unter den Füßen und er braucht eine Richtung. Und beides, festen Boden unter den Füßen und eine Richtung, will der Glaube an Gott schenken. Konfirmandenzeit ist die Zeit der Einübung in den Glauben oder Zeit der Stärkung und Festigung des Glaubens. Gottvertrauen muß geübt und ausprobiert werden. Und wer es probiert, merkt, daß Gott durch den Glauben Wege zeigt und Mut macht. Der Heilige Geist, der Tröster und Mutmacher geht mit.

Was der Heilige Geist tut

Was tut er und bewirkt er? 16 Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit: 17 den Geist der Wahrheit. Er ist ein Geist der Wahrheit. Wer sich von Gottes Geist leiten läßt, wird nicht in die Irre gehen. Wer sich von Gottes Geist leiten läßt, findet den richtigen Weg. Wer sich von Gottes Geist leiten läßt, der wird nicht betrogen.

Wer den Heiligen Geist bekommt

Wer bekommt diesen Heiligen Geist? 17 ... die Welt kann ihn nicht empfangen, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Die Welt, damit sind im Johannesevangelium die Menschen gemeint, die nichts von Gott wissen wollen, die ohne ihn auskommen wollen, die ihr Leben alleine führen wollen. Die, so sagt Jesus, die sehen und entdecken den Heiligen Geist gar nicht. Die haben keine Augen für ihn. Wenn etwas nicht klappt, dann war es Pech oder Schicksal. Wenn etwas gut klappt, dann war es Glück oder die eigene Kunst. Daß da noch etwas anderes sein könnte, was sie hält und trägt und voranbringt, das können sie nicht entdecken. Und deswegen können sie auch den Sinn ihrer Wege nicht entdecken. Sie stolpern mehr durchs Leben.

Welchen Weg er zeigt

Welchen Weg zeigt der Heilige Geist? 15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Auf dem richtigen Weg bleibt, wer sich nicht seine Gebote selber macht. Eigene Gebote auf die Art: "Gut ist, was mich voranbringt. Gut ist, was mir selber Vorteile verschafft. Jeder muß schauen, wie er zu etwas kommt."

Auf dem richtigen Weg bleibt, wer Jesu Gebote achtet. Damit sind nicht so sehr die Zehn Gebote gemeint, sondern vor allem das sog. Doppelgebot der Liebe, das auch zum Lernstoff der Konfirmandenzeit gehört. Darin sagt Jesus: Dein Leben wird gelingen, wenn du in Gemeinschaft lebst. Dein Leben wird gelingen, wenn du die Gemeinschaft mit Gott pflegst, wenn du die Gemeinschaft der Mitmenschen pflegst und wenn du dich selbst darüber nicht vergißt. In der Übersetzung Martin Luthers: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« 38 Dies ist das höchste und größte Gebot. 39 Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt 22,37-39)

Also: Gott braucht sein Recht. Der Nächste braucht sein Recht. Und du brauchst dein Recht. Gott braucht Liebe. Der Nächste braucht Liebe. Und du brauchst Liebe. Wenn Sie das Ihren Kindern auf dem Weg in die Selbständigkeit mitgeben, liebe Eltern, dann brauchen Sie sich um ihren zukünftigen Weg keine Sorgen machen. Und wenn wir als Gemeinde, Euch, den Konfirmanden, das beibringen und vorleben würden, dann wäre Eure Konfirmandenzeit nicht umsonst. Wir bitten Gott um seinen Heiligen Geist, daß das gelingt. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de