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predigt[e].de

Die Predigt vom 16. Dezember 2001: »Lebendig oder tot«


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Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag im Advent. Er hat Johannes als Vorläufer Jesu und die persönliche Vorbereitung auf das Kommen Gottes zum Thema. Evangelium ist die Anfrage Johannes des Täufers, Epistel die Warnung des Paulus vor dem Richten. Predigttext war das Sendschreiben nach Sardes aus der Offenbarung des Johannes:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  3 1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot. 2 Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. 3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. 4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. 5 Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. 6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Predigt

  Christenverfolgung im römischen Reiche

Ich führe Sie heute zurück in die Zeit ungefähr 100 Jahre nach Christi Geburt. Es war die Zeit der Christenverfolgung unter den römischen Kaisern Domitian und Trajan. Das römische Reich war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Und je größer das Reich wurde, desto mehr mussten die Menschen auf eine gemeinsame Linie eingeschworen werden. Der rigorose und absolutistische Kaiser Domitian ließ sich erstmals von seinen Untertanen als "dominus et deus", als Herr und Gott bezeichnen. Bisher hatte man den Juden und Christen in einem engen Rahmen die Ausübung ihrer Religion erlaubt. Unter Kaiser Trajan wurden dann systematisch alle Bürger des römischen Reiches gezwungen, sich zum Kaiser zu bekennen und ihn einem Gott gleich anzubeten. Die Christen waren in der Zwickmühle: Wollten sie ihr Leben bewahren, machten sie Kompromisse und bekannten sich pro forma zum Kaiser. Wer von uns heute wollte darüber urteilen? Blieben sie standhaft und hielten auch öffentlich am Glauben an Christus fest, dann drohte ihnen Gefängnis und Folter und im äußersten Fall auch der Tod.

Johannes und die „Offenbarung“

In dieser Zeit ist ein Mann namens Johannes, ein ehemaliger Gemeindeleiter oder Bischof vielleicht, auf die einsame Insel Patmos an der heutigen türkischen Westküste verbannt und schreibt von dort an die christlichen Gemeinden in der Verfolgung. Was er schreibt, ist uns als die Offenbarung des Johannes bekannt. Sie ist ein Trost- und ein Mahnschreiben. Sie mahnt, in der Verfolgung standhaft zu bleiben, den Glauben nicht wegzuwerfen, Christus nicht abzusagen. Und sie tröstet und ruft zur Geduld auf, weil diese Zeit der Bedrängnis bald zu Ende sein wird.

In dieser Offenbarung des Johannes finden sich auch sieben Schreiben an sieben damalige Kirchengemeinden, alle im damaligen Kleinasien, also dem Gebiet der heutigen Türkei. Eines dieser Schreiben geht an die christliche Gemeinde in der Stadt Sardes. Sardes war 500 Jahre vor Christus die Heimat des sagenhaft reichen Königs Krösus, doch zur Zeit der ersten Christen hatte die Stadt ihre Bedeutung verloren.

Der alte Brief ein Wort an uns heute?

Wie können wir heute einen solchen Brief an eine Gemeinde in der Verfolgung für uns fruchtbar machen? Wir leben nicht in einer Zeit der Verfolgung. Keiner will uns ans Leben, nur weil wir Christen sind. Wir können den Staat nicht wie in der Offenbarung als einen Ausbund des Teufels bezeichnen. Zwei Richtungen kann ich mir denken: Die damaligen Worte gelten uns auch heute, weil die Kirche aus anderen Gründen in Gefahr ist. Manche sehen heute die Gefahr, dass wir uns gerade in dieser unbedrängten Zeit als Kirche an die Welt verkaufen, dass wir zu viele Kompromisse machen und dem sogenannten Zeitgeist hinterherlaufen. Oder die andere Möglichkeit: Man könnte die damaligen Worte als Trost- und Mahnworte an einzelne Menschen verstehen, die zwar nicht in einer Verfolgung stehen, die aber doch in ihrem Glauben angefochten sind, die in der Gefahr stehen, ihren Glauben wegzuwerfen. Wer Ohren hat, soll genau hinhören, was der Heilige Geist ihm zu sagen hat, so endet jeder dieser Briefe an die Gemeinden.

1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot. 2 Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. 3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. 4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. 5 Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. 6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Christus stärker als der Kaiser

Gehen wir diesen bildreichen Worten Vers für Vers entlang: 1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne.

Dem Engel der Gemeinde in Sardes: Die Bedeutung des Wortes ist nicht ganz klar. Vermutlich ist der Leiter der Gemeinde gemeint. Angelos, das kann nicht nur Engel heißen, sondern auch ein Vorname sein. Johannes sagt ihm eine Botschaft weiter von dem, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne. Damit ist der auferstandene und zur Rechten Gottes sitzende Christus gemeint: Der römische Kaiser mag die Macht über die Menschen haben, Christus ist Herrscher über das Weltall. Er ist Herr über die sieben Geister: Sonne und Mond und die damals bekannten fünf Planeten wurden bei den Nichtchristen der damaligen Zeit als sieben Mächte verstanden. Auch die sieben Sterne hat er in seiner Hand. Das geht in dieselbe Richtung: Entweder war das Sternbild des Siebengestirns gemeint oder auch der kleine oder große Wagen bzw. Bär, die sich als Sternbilder aus sieben Sternen zusammensetzen.

Was ist eine lebendige Gemeinde?

1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot.

Die Kirchengemeinde in Sardes war als lebendige Gemeinde bekannt. Was ist eine lebendige Gemeinde? Oder andersherum: Warum war die Gemeinde in Sardes in den Augen des Johannes tot? Ihre Werke, also ihr christliches Tun und Handeln waren nicht vollkommen, so steht es im nächsten Vers. Es fehlte am gelebten Glauben.

Das kann auch heute keiner Kirchengemeinde Ruhe lassen. Das kann uns keine Ruhe lassen. Eine Gemeinde kann als lebendige Gemeinde bekannt sein: lebendig durch viel Gruppen und Kreise, lebendig durch viele Mitarbeiter, lebendig durch einen guten Gottesdienstbesuch. Und sie kann im Innern doch tot sein. Wie ein Baum, der äußerlich unversehrt ist und auch blüht, aber im Kern seines Stammes morsch ist. Wie steht es mit dem gelebten Glauben, der ja eigentlich im Verborgenen lebt: Werden bei uns Traurige getröstet? Werden Kranke besucht? Wird Einsamen ein Wort gesagt? Werden Resignierende gestärkt? ...

Aufwachen!

2 Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.

Wacht auf, bevor es zu spät ist, als Leiter der Gemeinde oder als ganze Kirchengemeinde, hieß es damals. Die Herausforderungen, die auf Euch zu kommen werden, die Anfechtungen in der Verfolgung, werdet Ihr nur bestehen können, wenn Ihr stark sind und wenn Ihr wach seid. Im Bild vom morschen Baum: Wenn die Stürme kommen, dann wird sich zeigen, ob der Baum nur äußerlich fest ist, oder auch durch und durch. Doch auch, was von der Glaubenskraft her gesehen schon tot ist, kann noch aufwachen. Was schon im Sterben liegt, kann wieder gestärkt werden. Es ist noch nicht zu spät. Einer ist für den anderen verantwortlich.

Zurück zu den Wurzeln!

3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße!

Wie kommt ein toter oder schlafender Christ wieder auf die Beine? Er soll festhalten an dem, was er empfangen und gehört hat: Er soll sich rückbesinnen auf den Anfang, auf das Ja Gottes bei der Taufe, auf sein eigenes Ja bei der Konfirmation. Dort soll er wieder beginnen, dort wieder anknüpfen. Vielleicht war das damalige Ja nur ein vordergründiges und kam nicht von Herzen. Doch Gottes Ja steht. Und so ist immer noch Zeit, dort wieder anzuknüpfen und nun anders weiter zu machen. Wer hingefallen ist, braucht erst einmal einen festen Stand. Aber dann muss er gehen und Schritte tun. Schritte in eine andere Richtung. Schritte in die richtige Richtung.

Eine neu gestrichene Kirche reicht nicht

Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.

Wer das erkannt hat, dass er eine solche Rückbesinnung auf seine Anfänge bitter nötig hätte, der darf seine Entscheidung nicht hinausschieben. Und auch eine Gemeinde, die feststellt, dass bei ihr noch manches nicht in Ordnung ist.

Ich denke, das wäre ein Text für Pfarrer Gerhard Spieß gewesen, der vor 40 Jahren nicht müde wurde zu betonen, dass, wenn die Auferstehungskirche erst einmal äußerlich aufgebaut ist, dem dann auch der innere Aufbau der Gemeinde folgen muss. Wer ihn kannte, mag verschieden zu ihm eingestellt sein wegen der drängenden Art, mit der er seine Ziele verfolgte. Aber Triebfeder seines Drängens war ganz offenbar, dass die Gemeinde auch innerlich am Leben sein sollte. Jetzt steht die Kirche fast 40 Jahre. Und innen ist sie wieder schön weiß geworden. Aber über den wahren inneren Zustand ist mit diesem neuen Anstrich ja noch lange nicht entschieden.

Im Buch des Lebens stehen

4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. 5 Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.

Weiße Kleider tragen im Buch der Offenbarung, die am Ende vor Gottes Thron stehen. Sie stehen im Buch des Leben seit ihrer Taufe. Das ist gesagt im Anklang an die Bürgerlisten, die damals in den Städten geführt wurden. Christen stehen in der Bürgerliste Gottes seit ihrer Taufe. Und Christus steht dafür ein, dass niemand sie dort herausstreicht, wenn sie es nicht selber tun. Daran können wir anknüpfen, täglich neu. Gott sei Dank.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de