Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 31. Dezember 2001: »Gib mir ein festes Herz«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise
Feiertagskalender (Tabelle)

  Im kirchlichen Sprachgebrauch wird der letzte Tag des Kalenderjahres Altjahrsabend genannt. Evangelium ist Jesu Aufruf zu Wachsamkeit, die Epistel handelt von der festen Zuversicht des Paulus, was die Zukunft angeht. Predigttext war ein kurzes Wort aus dem Hebräerbrief Kapitel 13:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. 9 Laßt euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.

Predigt

  Auf der Schwelle zu einem neuen Jahr

Wieder einmal stehen wir miteinander auf der Schwelle zu einem neuen Jahr. Dazu gehören die üblichen Rückblicke und Ausblicke: Jahresrückblicke in allen Fernsehsendern und Zeitungen. Aber auch die Prognosen für das neue Jahr: entweder aus Umfrageergebnissen oder von selbsternannten Propheten. Was wird werden?

Die politische Lage macht Menschen Sorgen: Wie wird es in und nach Afghanistan weiter gehen? Wie wird es zwischen Indien und Pakistan weitergehen? Wie zwischen Israelis und Palästinensern? Die Einführung des Euro macht Menschen Sorgen: 46%, so eine aktuelle Umfrage, hätten lieber alles beim alten gelassen.

Dazu kommen die persönlichen Ängste und Hoffnungen: Viele, so habe ich in Gesprächen gehört, erhoffen sich ein besseres Jahr, als das zu Ende gehende es war.

Unsichere Zukunft braucht ein festes Herz

Wie kann man mit solcher Unsicherheit umgehen? Wer abergläubisch ist, oder wenigstens ein wenig damit spielt, versucht, den Schleier über dem neuen Jahr ein wenig zu heben: Durch ein Horoskop, durch Bleigießen oder ähnliches. Aber wir wissen: Die Unsicherheit des neuen Jahres bleibt trotzdem. Sie gehört zum Leben. Unsichere Zeiten brauchen ein festes Herz. So haben wir im Kirchenchor Ihnen öfter schon vorgesungen: Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.

Unsichere Zeiten brauchen ein festes Herz. Die Unsicherheit kann nicht durch Argumente weggewischt werden. Argumente erreichen nur den Kopf, nicht das Herz. Sonst wären z.B. die Ängste wegen des Euros gar nicht da, denn sie haben von der Vernunft her eigentlich keinen Grund.

An eine müde gewordene Gemeinde

Ein festes Herz. Wie bekommt man ein festes Herz? Aus dem Brief an die Hebräer wird uns für heute abend ein Hinweis gegeben. Er ist an Menschen ungefähr hundert Jahre nach Christi Geburt geschrieben worden, die in ihrem Glauben müde geworden sind. Da heißt es im 13. Kapitel:

8 Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. 9 Laßt euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.

Da ist es wieder: das feste Herz, das man in unsicherer Zeit braucht. Ein festes Herz lässt einen nicht müde werden, nicht aufgeben. Wer ein festes Herz hat, kann auch mit einer unsicheren Zukunft leben. Ein festes Herz zu bekommen, ist, wie Martin Luther übersetzt "ein köstlich Ding". Wörtlich steht da: Dass das Herz fest wird, dass das Herz gestärkt wird, "das ist gut so". Ein Ausdruck, er in diesem zu Ende gehenden Jahr ja fast ein geflügeltes Wort geworden ist.

Neujahrsgrüße

Wie wird ein banges, ein unsicheres Herz fest? "Es geschieht durch Gnade." übersetzt Martin Luther. Also: Es wird einem von Gott geschenkt. Man kann es nicht selbst bewirken. Das ist der tiefere Grund für ernst gemeinte, und nicht nur dahingesagte Neujahrswünsche: Mit einem Neujahrswunsch wünsche ich einem Menschen das Gute, das er sich nicht selber schenken oder kaufen kann. Ein ernst gemeinter Neujahrswunsch ist ein Segenswunsch, ein Segen von Mensch zu Mensch. "Prosit Neujahr." Auf deutsch: Es möge nützen, es möge gelingen, das Neue Jahr. Oder wir wünschen "Alles Gute" oder "Gottes Segen".

Der alte Glaube taugt noch

Wie wird das Herz noch fest, steht hier? Wenn man sich "nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben" lässt. Der Schreiber des Hebräerbriefes verweist seine Hörer in ihrer unsicheren Zeit auf den Glauben, den man ihnen beigebracht hat, und auf den sie getauft worden sind. Bei dem sollen sie bleiben. Sie sollen nicht hereinfallen auf die, die ihnen sagen: "Die Zeiten haben sich gewandelt. Mit Euren alten Antworten kommt Ihr nicht weiter. Neue Zeiten brauchen neue und andere Antworten."

Ich meine, das gilt genauso auch für heute: Nicht unser christlicher Glaube ist ergänzungsbedürftig und modernisierungsbedürftig: durch esoterische oder andere Zusätze. Sondern wer unsicher ist, wer kein festes mehr Herz hat, sollte sich wieder neu auf seine alten Grundlagen besinnen. Nur wer in seinem eigenen Glauben nicht zu Hause ist, ist verfänglich für angeblich neue Antworten: für Aberglauben, für Esoterik, und was es sonst noch gibt.

Überfremdung durch den Islam?

Das gilt auch bei einer anderen Sorge, die gerade Menschen umtreibt: Bei der Sorge, ein radikaler Islam könnte ein ehemals christliches Land wie Deutschland überschwemmen oder langsam infiltrieren. Eines steht fest: Wer in seinem eigenen christlichen Glauben zu Hause ist, der braucht diese Angst nicht zu haben. Und wer diese Angst hat, der kommt auf keinen Fall zum Ziel, indem er das Fremde, das ihm Angst macht, verteufelt und Mauern um sich herum aufbaut. Er kommt nur zum Ziel, wenn er statt dessen seinen eigenen Glauben stärkt und sich auf seine eigenen Wurzeln besinnt. Die Grenzen sind ein für allemal offen geworden in unserer heutigen Welt. Auch die Grenzen für Weltanschauungen und Religionen. Da ist der gemeinsame Euro eigentlich eher eine Kleinigkeit.

Der Kern des Glaubens

Und was ist jener Kern unseres Glaubens, jener Kern, der nicht ergänzungs- oder modernisierungsbedürftig ist, jener Kern, auf den wir uns nur immer wieder neu besinnen und zurückbesinnen können und sollen? Hebräer 13 Vers 8: "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit." Das ist ein Glaubensbekenntnis. Ein Glaubensbekenntnis macht nicht unbedingt gleich das Herz fest. Ein Glaubensbekenntnis steht in der Gefahr, dass man es einfach so herunter leiert. Wie könnte durch diesen "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit." das Herz fest werden? Wie könnte unsichere Zukunft ihre Schrecken verlieren?

Festigkeit einüben

Wenn das Herz fest werden soll, ist das nicht so sehr eine Frage des Wissens und des Kopfes, sondern eine Frage der praktischen Übung. Wenn jemand bei seiner äußeren Gesundheit sein Herz, seine Kräfte, seine Glieder stärken will, dann geht das nur durch praktische, geduldige und wiederholte Übung. Und genauso gilt das auch für die innere Gesundheit und Festigkeit. "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit." Wie könnte das geübt und erfahren werden? Gestern, heute und in Zukunft, das sind die drei Zeiten, in denen sich unser Leben bewegt. In allen diesen Zeit ist Christus bei uns. Gestern und heute, das kennen wir. Die Zukunft aber kennen wir noch nicht. Wer nun eine feste Zuversicht braucht, dass Christus ihn auch in der Zukunft tragen wird, der wird sie nur bekommen, wenn er sich der Vergangenheit und der Gegenwart vergewissert.

Gegenwart meditieren

Sich der Gegenwart vergewissern. In der Gegenwart leben. Gegenwärtig getragen sein. Das kann man erfahren, wenn man sich immer wieder für ein paar Minuten Ruhe gönnt und aufmerksam wird: Ich bin da. Ich lebe. Mein Herz schlägt. Mein Atem geht aus und ein. Ich stehe oder sitze auf festem Boden. Ich habe, was ich zum Leben brauche. Der eine wird sagen: Ich habe einen Ehepartner, auf den ich mich verlassen kann. Jemand anders: Ich habe Kinder. Oder: Ich habe Freunde und Bekannte. Und manches mehr, was Ihnen ein "Gott sei Dank" entlockt, wird in solchen stillen Minuten Ihnen bewusst werden.

... und Vergangenheit

Sich der Vergangenheit vergewissern. Sich vergewissern, dass man in der Vergangenheit getragen und behütet war. Auch das braucht stille Minuten der Besinnung: Wie man damals wieder gesund wurde. Wie man nach der tiefen Trauer wieder zu einer Zukunft fand. Wie man in einer brenzligen Situation gerade noch einmal davon gekommen ist. Wie sich eine finanzielle Not gewendet hat. Was man trotz der kleinen Kraft alles hat schaffen können. Was einem durch andere Menschen geschenkt worden ist.

Wer das immer wieder übt. Wer sich das immer neu vor Augen führt: Ich bin getragen worden und ich werde getragen. Der bekommt dann auf diese Weise auch jenes feste Herz geschenkt, dass er sich auch in der unbekannten Zukunft getragen weiß. Probieren Sie's aus. Z.B. heute abend. Und dann immer öfter.

Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de