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predigt[e].de

Die Predigt vom 16. März 2008 (Palmsonntag):
»Glaubenswüsten«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Palmsonntag. Sein Thema ist der Einzug Jesu in Jerusalem als Beginn seiner Passion. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung vom Einzug und Epistel (2. Lesung) der sog. Philipperhymnus über die freiwillige Erniedrigung Jesu. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem Hebräerbrief Kapitel 12:
Predigttext
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Der Predigttext
1 ... Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der (, obwohl er hätte Freude haben können) im Hinblick auf die kommende Freude das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
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Die Predigt

Wenn der Glaube verdurstet

Um Glaubenswüsten geht es im heutigen Predigttext. Glaube, der am Verdursten, der am Austrocknen ist. Zwei Besinnungstexte dazu aus dem Schatz unseres Gesangbuchs. Nach dem Lied Nr. 343:
Glaube ist ein Baum. / Er wächst / in der Wüste. /
Glaube lebt / in der Hoffnung / - vergeblich zuweilen - /
dass Gott den Regen schickt.
Glauben ist zärtliches Vertrauen / vergeblich zuweilen.

(Michael Francis Dei-Anang)
Und nach dem Lied Nr. 391:
Der Glaube
ist ein steter und unverwandter
Blick auf Christus.

(Martin Luther)

Wenn der Glaube müde wird

Glaubenswüsten. Glaube, der am Verdursten ist. Wie ein Baum in der Wüste, der sich nach Regen sehnt. Und was bleibt in solchen Glaubenswüsten: Auf Christus schauen. So lehrt es Martin Luther.
Durch eine Glaubenswüste gingen auch die Menschen, an die der Hebräerbrief unseres Neuen Testamentes gerichtet ist. Damals war es v.a. die schmerzliche Erfahrung, dass das Kommen von Gottes Reich, die Hoffnung auf soziale und politische Gerechtigkeit, die freie Glaubensausübung so unerwartet lange ausblieben. Glaubensmüdigkeit war die Folge.
Es gibt auch andere Wüsten, durch die Menschen hindurch müssen: Lange Krankheitszeiten, die einen mürbe machen. Oder wenn einem etwas Liebes genommen wird. Oder, oder ...
Kein Wunder, so sagt der Schreiber des Hebräerbriefes, dass man im Glauben müde werden kann. Der Glaube ist so etwas wie ein Langstreckenlauf, bei dem Durchhaltevermögen gefragt ist. Hebräerbrief Kapitel 12:
1 ... Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der (, obwohl er hätte Freude haben können) im Hinblick auf die kommende Freude das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Der Glaube als Langstreckenlauf

Ein Kampf sei der Glaube, heißt es hier in der Bibelübersetzung Martin Luthers. Der sportliche Wett-Kampf ist in der ursprünglichen Bedeutung gemeint, genau genommen der Wettlauf, der Lauf auf ein Ziel hin. Und wenn man den Glauben mit heutigen Laufdisziplinen vergleicht, dann ist er keinesfalls ein Kurzstreckenlauf, bei dem man in kürzester Zeit alles gibt und sehr schnell zum Ziel kommt. Er ist auch nicht unbedingt ein Hindernislauf oder ein Hürdenlauf. Nein, so sagt es der Schreiber des Hebräerbriefs, er ist eher ein Langstreckenlauf, ja ein Marathonlauf, der einem Durchhaltevermögen und Geduld abfordert, aber auch viel Befriedigung schenkt.
Was ist von diesem Langstreckenlauf gesagt: 1. Wir laufen nicht allein. 2. Wir müssen ablegen, was beim Laufen hindert. 3. Wir müssen nach vorne schauen. 4. Wir sollen den Mut nicht verlieren.

Wir laufen nicht allein

Zum ersten: Wir laufen nicht allein
1 ... Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben ...
So beginnt der Abschnitt. Wolke, damit ist eine große Schar gemeint. Und Zeugen, das sind die Glaubenszeugen, die Vorbilder, an die im Kapitel vorher erinnert wird: angefangen bei Abraham und Mose bis hin zu den Propheten des Alten Testaments. Und würden wir heute die Reihe fortsetzen, so würden wir vielleicht bei Martin Luther oder Dietrich Bonhoeffer und manchen anderen landen. Alle diese Glaubensvorbilder umgeben uns bildlich gesprochen wie eine Wolke: Wir sind mit unserem Glauben und Zweifeln nicht allein. Vor uns haben Menschen geglaubt und nach uns werden welche glauben. Wir sind auf dem Langstreckenlauf des Glaubens noch unterwegs. Die einen sind vor uns. Die anderen sind hinter uns. Die einen haben das Ziel schon erreicht. Andere haben noch gar nicht zu laufen begonnen.

Wir müssen ablegen, was beim Laufen hindert

Zum zweiten: Wir müssen ablegen, was uns beim Laufen hindert
1 ... Weil wir nun eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt.
Wer sich auf einen Langstreckenlauf macht, kann nicht mit Mantel, Hut und Koffer laufen. Nicht mit großem Gepäck. Nicht mit enger Kleidung. Nicht mit vollem Magen.
Wer zum ersten Mal eine mehrtägige Wanderung macht, nimmt oft viel zu viel mit. Beim zweiten Mal schon ist sein Gepäck leichter. Er weiß besser, was er wirklich braucht. Und von mal zu mal braucht man weniger.
Wer als älterer Mensch auf seinem Lebenslauf voran gekommen ist, weiß, wie wenig er eigentlich zum Leben braucht. Er weiß, dass er nicht viel mitnehmen kann, wenn er durchs Ziel geht.
Wer sich in der Passionszeit Fasten und Verzicht vorgenommen hat, und jetzt auf die Zielgerade der letzten Woche läuft, der hat vielleicht auf seine Weise erlebt, was er wirklich braucht und worauf er verzichten kann.
Wenn einer also auf seinem Glaubenslauf nicht so recht vorankommt: Vielleicht liegt es daran, dass er zu viel mitnehmen will und nicht gelernt hat, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.

Wir müssen nach vorne schauen

Zum dritten: Wir müssen nach vorne schauen.
2 (Lasst uns) aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der im Hinblick auf die kommende Freude das Kreuz erduldete ... und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
Wer läuft, muss nach vorne schauen, das gilt in mehrfacher Hinsicht. Wer nicht nach vorne schaut, wird Hindernisse zu spät erkennen und stolpern. Wer nicht nach vorne schaut, verliert das Ziel aus den Augen und wird müde. Und: Wer aber nach vorne schaut, kann sich orientieren an jemand, der ein wenig schneller ist. Er kann sich von ihm anspornen lassen. Er muss nicht selbst das Tempo machen.
In diesem Sinn wird hier von Jesus geredet als dem Anfänger und Vollender des Glaubens. Er ist der Urzeuge in der Wolke der Zeugen. Er ist den ganzen Weg schon vorausgegangen. Er hat durchgehalten. Er wartet am Ziel auf uns, um uns in die Arme zu nehmen.
Er hat das Ziel erreicht, weil er es fest vor Augen hatte. Und weil er sein Ziel kannte, hat er sich nicht irre machen lassen.

Damit lenkt der Hebräerbrief die Gedanken auf die kommende Karwoche: Sie erinnert daran, dass Jesus auch ganz zuletzt noch einen anderen Weg hätte gehen können. Die Provokation im Tempel wäre nicht nötig gewesen. Er hätte Jerusalem heimlich verlassen und seine Haut retten können. Doch er hätte damit alle allein gelassen, die sich viel von ihm erwartet haben.
Und so ging auch er durch die Glaubenswüste im Garten Gethsemane und rang sich durch zu der Erkenntnis: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Er ging durch die Glaubenswüste am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Und siehe da: Er war nicht verlassen, sondern aufgehoben.

Wir sollen den Mut nicht verlieren

Deswegen zum vierten: Wir sollen im Blick auf Jesus den Mut nicht verlieren.
1 ... lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, ... 3 ... damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Der Langstreckenlauf des Glaubens braucht Geduld. Die Gefahr, müde und matt zu werden, den Mut zu verlieren, das Ziel aus den Augen zu verlieren, ist normal und verständlich. Zweifel und Müdigkeit sind keine Schande.
Wer das weiß, der geht gnädiger mit sich selber um: Der kann mit Zweifel und Müdigkeit leben. Sie haben nicht das letzte Wort. Der kann mit seinen Wüsten leben. Gott wird wieder Regen schicken.

Glaube ist ein Baum. / Er wächst / in der Wüste. /
Glaube lebt / in der Hoffnung / – vergeblich zuweilen – /
dass Gott den Regen schickt.
Glauben ist zärtliches Vertrauen / vergeblich zuweilen.

Und deswegen:
Der Glaube
ist ein steter und unverwandter
Blick auf Christus.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de