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Die Predigt vom 9. Mai 2002 (Himmelfahrt): »Näher als je zuvor«


Kirchenjahr

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Feiertagskalender (Tabelle)

  Die Evangelische Kirche beging den Feiertag Christi Himmelfahrt. Evangelium ist die zugehörige Erzählung aus dem Lukasevangelium, Epistel die entsprechende aus der Apostelgeschichte. Predigttext waren Worte aus dem Epheserbrief Kapitel 1:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  20 Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel 21 über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. 22 Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, 23 welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Predigt

  Der Gottesdienst beginnt mit dem Weg

Wann beginnt für Sie der Gottesdienst? Mit dem ersten Lied? Mit dem stillen Gebet in der Bank? Mit dem Glockenläuten? Ich meine: Der Gottesdienst beginnt schon mit dem Weg hierher. Der Weg durch die Straßen. Der Weg durch Gottes Schöpfung mit wachen Sinnen: Das Licht der Sonne. Das Singen der Vögel. Die Blumen der Vorgärten. Aus gutem Grund laden die meisten unserer Nachbargemeinden zum heutigen Himmelfahrtstag zu einem Gottesdienst im Freien ein: Unter Gottes freiem Himmel dem Himmel ein Stückchen näher. Aber entscheidend ist es doch nicht. Es sei denn, wir würden wie die Kinder glauben, dass Gott da oben im Blau des Himmels wohnt. Nein, Himmelfahrt heißt, dass wir Gott überall finden können: in der freien Natur, in dieser Kirche, aber auch in unseren Häusern und Herzen.

Himmelfahrt als Thronbesteigung

Was hat es mit dem Himmelfahrtstag auf sich? Ich lese Worte aus dem Brief an die Epheser. Ich lege sie Gedanke für Gedanke aus. Und wir singen in die Predigt hinein immer wieder einen Vers des nächsten Liedes "Jesus Christus herrscht als König".

20 Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel 21 über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. 22 Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, 23 welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Das ist das erste, was wir nach Ostern und Himmelfahrt verstehen sollen: Ein für allemal steht diese Welt unter der Herrschaft Jesu Christi. Kurz und bündig sagt es der erste Vers: Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel. Christi Himmelfahrt ist sozusagen das Fest seiner Thronbesteigung. Er ist nicht der ewige Zweite geblieben wie Charles, der Prinz von Wales und verhinderte König von England, den seine Mutter nicht an den Thron lässt. Jesus hat, aber ohne dass Gott selber abgedankt hätte, die verborgene Herrschaft über diese Welt angetreten. Wir singen die Strophe 1 des Liedes "Jesus Christus herrscht als König"

Wo ist der Himmel?

"Himmelfahrt". Eigentlich ein missverständliches, ein unangemessenes Wort. Ein Wort, das mit den Grenzen unseres Verstandes zu tun hat: Als ob Gott, wie es sich die Menschen früher vorgestellt haben, sich da oben senkrecht über uns, in einem fernen und majestätischen Raum befände. Als ob er wie mit einem Fahrstuhl von der unteren in die obere Etage gefahren wäre.

Und auch dieser andere bildhafte Begriff, dass er "zur Rechten Gottes" sitze: Er hat sich ja nicht dort irgendwo fern von uns in einem himmlischen Lehnstuhl niedergelassen, um sich von den Unannehmlichkeiten seiner Passion auszuruhen. Er sitzt zur Rechten Gottes heißt: er erhält und hat gleiche Macht wie Gott. Es gibt für uns Menschen keinen Unterschied mehr zwischen dem auferstandenen Christus und Gott selbst. Nicht zwei verschiedene Personen, sondern den einen Gott, sollen wir uns vorstellen, auch wenn unser Verstand damit natürlich seine Probleme hat. Wir singen die Strophe 3 des angefangenen Liedes.

Drei Fragen: Was bedeutet diese Herrschaft Jesu für uns. Was bedeutet sie für die Welt? Was bedeutet sie für die Kirche?

Näher als je zuvor

Zuerst: Was bedeutet diese Herrschaft Jesu Christi für uns heute? In Jesus ist damals in der Zeit seines Erdenlebens Gott den Menschen ganz nahe gekommen. Aber als Mensch wie du und ich war er auch an alle Beschränkungen von Raum und Zeit gebunden. Er konnte sich immer nur an einem Ort befinden und sich immer nur wenigen einzelnen zuwenden. Nach Auferstehung und Himmelfahrt gilt das nicht mehr. Sondern er ist auf eine, unserem Verstand nicht fassbare, Weise zur gleichen Zeit an vielen Orten jedem nahe, der seine Nähe sucht. Damit überbietet die Botschaft von Himmelfahrt eigentlich die Botschaft von Weihnachten: Gott ist näher als je zuvor und näher als je gedacht. Aber weil wir zum Begreifen auch etwas für unsere Augen und für unser Herz brauchen, wird das Fest des kleinen Menschenkindes in der Futterkrippe natürlich immer populärer bleiben als die Himmelfahrt. Wir singen die Strophe 4 des angefangenen Liedes.

Wer hat die Macht?

Was bedeutet die Herrschaft Jesu für die Welt? Gott hat Jesus Christus eingesetzt über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Er hat alles unter seine Füße getan. Auch damit wird unserem Verstand eine Menge zugemutet. Wir bekennen und glauben frech die Herrschaft Jesu über diese Welt und sehen doch auf Schritt und Tritt das Gegenteil: Wir sehen die Herrschaft der blanken Gewalt, der Selbstmord-Attentäter und der Panzer und Raketen. Wir sehen die Herrschaft des filmreifen Amokläufers, das gleichsam lebendig gewordene Videospiel. Wir sehen die Herrschaft des Geldes, das mit Firmen und Menschen jongliert wie mit kleinen Bällen.

Wären da nicht immer wieder Lichtblicke, wo sich das Gute durchsetzt und die Gerechtigkeit siegt, man müsste schier an der Macht Gottes verzweifeln. Oder kann man das Ganze vielleicht nur so verstehen, dass Gott zur Durchsetzung seiner Herrschaft Menschen braucht, die frech daran glauben und sich dann auch von ihm in den Dienst nehmen lassen? Menschen, die die Gestaltung der Zukunft nicht den Herren der Welt überlassen, sondern alle ihre demokratischen Möglichkeiten entdecken, am großen Rad mitzudrehen. Es ist viel zu tun ... Wir singen die Strophe 2 des angefangenen Liedes.

Braucht uns Gott?

Was bedeutet die Herrschaft Jesu Christi für die Kirche? Gott hat Jesus der Gemeinde zum Haupt über alles gesetzt, der Gemeinde, die sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles erfüllt. Wenn Paulus die Gemeinde mit einem Leib und seinen vielen Gliedmaßen vergleicht, die zusammenwirken und einander brauchen, dann bringt er damit zum Ausdruck, wie wir in der Gemeinde aufeinander angewiesen sind. Jeder wird mit seinen Fähigkeiten gebraucht. Einer soll sich auf den anderen verlassen können. Jesus Christus ist das Haupt dieses Leibes, steht hier. Wenn man das Bild des Paulus nun weiter auszieht, kann man sagen: So wie ein Kopf nicht allein leben kann ohne seinen Leib, so kann auch Jesus Christus nicht ohne seine Gemeinde sein.

Ich weiß, dass jedes Bild irgendwo hinkt. Sicher ist Gott nicht auf uns kleine Menschen angewiesen, dass er ohne uns nicht sein könnte. Aber alle Rede von der Herrschaft Jesu bleibt solange nur Theorie, wie da nicht Menschen sind, die sich diesem Leib eingliedern lassen. Wenn wir nicht durch freches, mutiges und geduldiges Einladen für genügend Bodenpersonal sorgen, wie will der Herr der Kirche sich durchsetzen? Wir singen die letzte Strophe des angefangenen Liedes.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de