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predigt[e].de

Die Predigt vom 1. September 2002 (14. Sonntag nach Trinitatis):
»Dauernd etwas zu meckern!«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den 14. Sonntag nach Trinitatis, dessen Thema die Dankbarkeit ist. Evangelium ist das Gleichnis vom dankbaren Samariter, Epistel die Einladung des Paulus, sich als Gottes Kind zu verstehen. Der Predigttext stand im 1. Brief des Paulus an die Thessalonischer Kapitel 5:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  14 Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann. 15 Seht zu, daß keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann. 16 Seid allezeit fröhlich, 17 betet ohne Unterlaß, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. 19 Den Geist dämpft nicht. 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles, und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt. 23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun.

Predigt

  Dauernd etwas zu meckern

Als Vater von drei Kindern im Entwicklungsalter kenne ich diesen Satz allzu gut: "Ihr habt dauernd nur etwas zu meckern!" Wer selber in diesem Alter ist, wie Ihr Konfirmanden z.B., weiß, was ich meine. Und wer selber Kinder in diesem Alter hat, oder wer noch nicht ganz vergessen hat, wie es früher war, der kennt es auch. Als Erwachsene wir wissen alles besser, natürlich:

"Sitzt du schon wieder vor dem Fernseher?" "Mach halt die Musik ein wenig leiser!" "Setz dich gefälligst beim Essen ordentlich hin!" "Musst du schon wieder so ewig telefonieren? Ihr habt euch doch eben erst auf dem Heimweg gesehen!" "Du solltest mehr Obst und Gemüse essen!" "Wenn du deine Vokabeln nicht wiederholst, wird es diesmal wieder nichts!" usw.

Ja, wir meinen es wirklich gut als Väter oder Mütter. Wir wollen vor Schaden bewahren. Wir wollen, dass Jugendliche nicht die gleichen Fehler wieder begehen. Und wir sind uns sicher, wenn unsere Kinder dann groß sein werden, dann werden sie sagen: "Ja, meine Eltern hatten doch Recht." Und bei ihren Kindern wird dasselbe Spiel von vorne losgehen. Wir meinen es gut. Aber wir wissen auch, wie es auf der anderen Seite ankommt: Wir haben dauernd etwas zu meckern. Dauernd wissen wir alles besser. Dauernd nur Ermahnungen. Wie kommt nun das Folgende bei Ihnen an?

Die Mahnungen des Paulus

14 Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann. 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann. 16 Seid allezeit fröhlich, 17 betet ohne Unterlass, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. 19 Den Geist dämpft nicht. 20 Prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles, und das Gute behaltet. 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt.

"Wir ermahnen euch, liebe Brüder". Das klingt so ähnlich wie: "Liebes Kind, jetzt hör mir doch einmal zu." "Liebe Brüder!" und ich füge hinzu: "Liebe Schwestern!" So schreibt der Apostel Paulus an seine Gemeindeglieder in Thessalonich, dem heutigen Saloniki in Ostgriechenland. Sie sind fast wie seine Kinder. Sie sind durch ihn zum christlichen Glauben gekommen. Das ist noch gar nicht lang her. Es fehlt ihnen die Erfahrung, die sich erst in Generationen entwickelt. Sie sind wie ein kleines zartes Pflänzchen inmitten der rauhen, heidnischen Umwelt einer griechischen Hafenstadt. Ein Pflänzchen, das dem Apostel ans Herz gewachsen ist. Und so schreibt der Apostel Paulus ganz väterlich und mit einem immensen Vorsprung an geistlicher Erfahrung. Und bevor er in seinem Brief an die Gemeinde zum Schluss kommt, zu den herzlichen Grüßen, stehen dann diese Worte so unter dem Motto: "Was ich euch noch sagen wollte ..."

Zehn Gebote für das Zusammenleben

Es ist manchmal nicht leicht, Menschen zuzuhören, die wissen, dass sie einen Vorsprung an Erfahrung haben. Doch ich möchte an dieser Stelle Verständnis wecken für Paulus. Ich möchte dem Apostel zugutehalten, was ich auch mir als Vater zugutehalte: Er meint es durch und durch gut in allem seinen Mahnen. Nur: Es ist ein bisschen viel auf einmal.

Wie sollen wir uns zurechtfinden in diesem dicken Bündel guter Ratschläge? Ich habe mal ein wenig nachgezählt und finde hier Zehn Gebote für ein gelingendes Zusammenleben in der Gemeinde. Die habe ich Ihnen dann so auch in das Gottesdienst-Verteilblatt legen lassen. Einige werden es schon entdeckt haben. Ein Problem: Man könnte über jedes dieser Zehn Gebote eine ganze Predigt halten. Ich kann also jeweils nur ein paar Gedanken dazu sagen. Deswegen meine Bitte: Gehen Sie bitte anschließend nicht so aus dem Gottesdienst heraus, dass Ihnen der Kopf brummt, weil Sie zehn Dinge hören und am Ende gar nichts mehr wissen. Sondern ich lade Sie ein: Entdecken Sie bei dem eher flüchtigen Durchgehen für sich das eine Gebot, das für Sie heute oder gerade im Moment oder in dieser Woche wichtig ist. Und dann geben Sie sich mit diesem einen zufrieden. Das ist als Aufgabe und zum Nachdenken genug.

I
Weist die Unordentlichen zurecht!

Ich weiß nicht, was Paulus da in Thessalonich vor Augen hatte: Unordnung in der Ehe oder in der Familie, im äußeren Auftreten, Faulheit, ... Vielleicht ist da jemand in der Gemeinde, in der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft, auf den Sie mit Herzklopfen schon länger schon zugehen wollten und sagen: "Du, so geht das nicht weiter. Du bist ein Christ. Das und das darf nicht so bleiben." Ich weiß, ich weiß, man mischt sich bei anderen nicht ein. Und mir selber fällt es ja auch sehr schwer.

II
Tröstet die Kleinmütigen!

Ein Kleinmütiger ist, wer nur einen kleinen Mut hat. Oder wer den Mut schon ganz verloren hat. Wer eine Aufmunterung braucht. Vielleicht ist da jemand in ihrer Umgebung, an den sie da jetzt denken. Vielleicht wollten sie ihn oder sie schon länger einmal ansprechen.

III
Tragt die Schwachen!

Die Schwachen, damit sind hier nicht so sehr die körperlich Schwachen gemeint, sondern die mit einer Schwäche, mit einer Macke, mit der man leben muss und die man mittragen muss. Vielleicht haben Sie auch da Menschen vor Augen: Menschen, wo man schon stöhnt, wenn sie nur herkommen. Wo man schon die Ohren verschließt, wenn sie nur den Mund aufmachen.

IV
Seid geduldig gegen jedermann!

Gegen jedermann: Es sind hier offenbar nicht ganz bestimmte Menschen gemeint wie eben. Ganz allgemein brauchen wir in der Gemeinde Geduld miteinander: Geduld, um einander wahrzunehmen. Geduld, um einander zu verstehen. Geduld, damit wir nicht nur vom ersten und spontanen Eindruck zehren.

V
Vergeltet nicht Böses mit Bösem, sondern jagt allezeit dem Guten nach untereinander und gegen jedermann!

Das erinnert an Jesu Worte aus der Bergpredigt: Bremst den Teufelskreis des Bösen. Streut Sand in das Getriebe des "Wie du mir, so ich dir!" Vielleicht ist da ein Konflikt, wo keiner nachgeben will, wo keiner den kürzeren ziehen will, wo einer auf den anderen wartet, wo einer ganz einfach einer den Anfang machen muss.

VI
Seid allezeit fröhlich!

Ist Traurigkeit, Depression, Pessimismus vielleicht bei jemand der springende Punkt? Wo jemand nur das Schlechte sehen kann. Wo es keinen Grund für Dankbarkeit und Freude zu geben scheint. Ich weiß: Fröhlichkeit kann man nicht anschalten wie das Licht. Und allezeit, wie Paulus sagt, fröhlich sein, ist das nicht eine Überforderung?

VII
Betet ohne Unterlass!

Das kennen viele: Natürlich ist das Gebet wichtig, doch im täglichen Trubel geht es unter. Und am Abend merkt man: Hoppla, wieder den ganzen Tag nicht an Gott gedacht! Betet ohne Unterlass! Das wird von den Auslegern in verschiedene Richtungen verstanden: Schafft euch regelmäßige Zeiten im Tagesablauf. Bei den Mahlzeiten, am Morgen oder Abend oder wie auch immer. Oder haltet spontan immer wieder einmal inne nur für ein paar Sekunden: für ein "Gott sei Dank", für ein "Schön ist die Welt", für einen Seufzer, usw.

VIII
Seid dankbar in allen Dingen!

Das erinnert an den dankbaren Samariter aus dem Evangelium. Entdeckt die unverdienten Geschenke in euren Alltag: eine Bewahrung vor einem Unglück, die wiedererlangte Gesundheit, ein geschenktes Lächeln ... Und dann geht nicht gleich wieder zur Tagesordnung über wie die übrigen neun von den zehn Geheilten.

IX
Den Geist dämpft nicht, prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles, und das Gute behaltet.

Traut dem Hl. Geist etwas zu: Habt auch einmal eine spinnerte Idee für die Gemeinde. Probiert etwas aus. Habt Phantasie. Wenn jemand einen überraschenden und neuen Vorschlag macht, fallt nicht gleich über ihn her. Vielleicht redet er prophetisch. Vielleicht hat er von Gott her etwas weiterzusagen. Prüft nach, probiert es aus. Vielleicht kommt etwas Gutes dabei raus.

X
Meidet das Böse in jeder Gestalt.

Im Vaterunser heißt es: Führe uns nicht in Versuchung. Und doch ist es im Alltag weniger Gott, der in Versuchung führt, sondern wir kennen unsere schwachen Seiten und wissen genau, wo wir leicht stolpern. Hätten wir doch die Finger davon gelassen! Hätte wir die Situation, die Gefahr, das Böse doch ganz einfach gemieden! ...

Ermutigung statt Ermahnung

Nun, wie steht's? Haben Sie für sich etwas entdeckt? ... Schnaufen Sie vielleicht jetzt schon innerlich: "Ich weiß schon, wo ich ran müsste, aber ich schaff es ja sowieso nicht." Dann hören Sie doch den abschließenden Wunsch des Paulus. Vielleicht können Sie es dann anpacken:

23 Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. 24 Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun. Amen

     

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de