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Die Predigt vom 19. November 2008 (Bußtag):
»Hände voller Blut«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Buß- und Bettag. Sein Thema ist die ehrliche Besinnung auf das eigene Leben. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom Feigenbaum und Epistel (2. Lesung) die Überzeugung des Paulus, dass niemand ohne Schuld ist. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem Propheten Jesaja Kapitel 1:
Predigttext
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Der Predigttext
10 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! 11 Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. 12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? 13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! 14 Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen. 15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. 16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! 17 Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!
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Die Predigt
Wie in Sodom und Gomorra

In meiner Kinderzeit gab es den Ausdruck: „Hier geht es zu wie in Sodom und Gomorra.“ Das war mehr spaßhaft gemeint, wenn jemand z.B. nicht aufgeräumt hatte oder totale Unordnung war. Andere sagen, es sieht auch wie „bei Hempels unterm Sofa.“
Beim Propheten Jesaja damals war es aber ganz und gar kein Spaß:
10 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra! 11 Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. 12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? 13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! 14 Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen. 15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. 16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! 17 Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!

So redet der Prophet Jesaja gleich im ersten Kapitel mit den Israeliten. Er redet zur Gottesdienstgemeinde, zu denen, die sich auf dem Tempelvorhof versammelt haben. Er redet nicht zu irgendwem, er redet zu den Frommen, zu den Gottesdienstbesuchern.
Das war kein Spaß mehr, und die Hörer haben vermutlich auch keinen Spaß verstanden: Sodom und Gomorra – einen härteren Vorwurf kann man nicht erheben. Da geht es nicht einfach nur um ein wenig äußere Unordnung. Es geht um innere Unordnung um ein inneres Drunter und Drüber. Es geht um Glauben und Unglauben. Sodom und Gomorra - das war sprichwörtlich. So schlimm sei es in den beiden Städten nicht weit von der Südspitze des Toten Meeres damals zugegangen, dass Gott Feuer hat vom Himmel fallen lassen.
Ich stelle mir vor, wie den Frommen auf dem Tempelvorplatz und vor allem den Schriftgelehrten, den Priestern und Adeligen die Kinnladen heruntergefallen sind. Sodom und Gomorra hier in Jerusalem? Hier am Tempel? Hier vor dem Allerheiligsten?

Harte Worte – auch für heute?

Da kommt man freiwillig und gern zum Gottesdienst und muss sich Sodom und Gomorra vorhalten lassen. Da kommt man zum Gottesdienst und muss sich als Heuchler beschimpfen lassen, der nur mit scheinheiliger Büßermiene vor Gott tritt.
Ich hoffe, Sie verstehen, dass das nicht einfach eine normale Predigt werden kann. Wer bin ich, dass ich Ihnen die Worte des Jesaja heute Abend um die Ohren hauen könnte. Jesaja muss selber reden. Ich kann seine Worte nicht einfach zu meinen Worten machen.
Deswegen die Prophetenworte in vier Abschnitten, nur wenige Worte von mir und dann jeweils Zeit zur Stille, damit Jesaja, damit Gott selber reden kann.

Gott will keine Opfer mehr

Sodom und Gomorra. Jesaja muss seine harten Worte begründen. Und er tut es auch. Erst einmal in Form von Fragen:
11 Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke. 12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet? 13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel!
Tieropfer und religiöses Blutvergießen haben wir nicht mehr. Sie sind seit dem Selbstopfer Jesu, seit seinem freiwillig vergossenem Blut ein für allemal unnötig und erledigt.
Doch auch wir opfern: Wir opfern Geld für gute Zwecke. Wir opfern Zeit für die Gemeinde und für Menschen, die uns brauchen. Manche opfern sich auf. Und nun sollen wir uns von Gott sagen lassen: „Das könnt ihr bleiben lassen. Ich brauche eure Opfer nicht. Sie sind umsonst.“ Was könnte Gott damit meinen?
(Stille)

Gott will keine Feiertage mehr

Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht! 14 Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen.
Wir feiern keine Neumonde mehr und auch nicht den Sabbat. Der Sonntag ist unser wöchentlicher Feiertag. Und wir feiern Feste, z.B. an der Kirchweih, Festgottesdienste an Ostern und Weihnachten. Und wir tun es gern und fröhlich und mit gutem Gewissen. Und nun sollen wir uns von Gott anhören: „Das alles ist mir eine Last. Ich kann euer Feiern nicht mehr ertragen.“
Schon wieder dieser Vorwurf, aber nun mit einer Andeutung: „Frevel und Festversammlung“. Was könnte Gott damit meinen? Was könnte frevlerisch, was könnte gottlos und verkehrt sein an unseren kirchlichen Feiern?
(Stille)

Gott will keine Gebete mehr

15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. 16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen!
Und nun noch ärger: „Ihr braucht eure Hände gar nicht falten. Ihr braucht überhaupt nicht mehr beten. Ich höre euch sowieso nicht. Lasst es sein, denn ich höre euch sowieso nicht. Ihr streckt mir die Hände entgegen, aber sie sind voller Blut.“
Wir sind doch keine Mörder. Was meint Gott damit? Was ist mit unseren Händen, dass er sie nicht anschauen kann? Was haben wir versäumt? Was haben wir getan? Womit haben wir sie uns schmutzig gemacht? Was könnte Gott damit meinen?
(Stille)

Gott will Gerechtigkeit

17 Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!
Und nun nach den drei sich steigernden harten Vorwürfen des Propheten der Kern der Sache: Ihr könnt opfern, soviel Ihr wollt. Ihr könnt Feste feiern, soviel ihr wollt. Ihr könnt beten, soviel Ihr wollt. Schön und gut! Wenn Ihr aber vergesst, Gutes zu tun und für Gerechtigkeit zu sorgen, dann ist das alles umsonst. Was hilft euer Gottesdienst, wenn er nicht mit Menschen-dienst verbunden ist.
Und dann nennt der Prophet die damaligen Randgruppen: Die Unterdrückten, denen das Recht vorenthalten wird, weil die Reichen sich das Recht kaufen können. Waisenkinder, die damals völlig hilf- und mittellos waren, weil sie keine Familie hatten. Die Familie war das Sozialsystem. Ein Aufgefangenwerden durch das Soziale Netz des Staates gab es nicht. Und dann noch die Witwen, die ohne ihren Mann rechtlos und schutzlos waren in einer Gesellschaft, wo nur die Männer zählten.
Wo sind die Unterdrückten und die Benachteiligten heute? Wo müssen wir unsere Herzen, unsere Augen, unsere Hände und auch unsere Geldbeutel öffnen?

Wenn wir Jesaja jetzt radikal ernst nehmen würden, müssten wir auf der Stelle den Gottesdienst abbrechen und sagen: Kein Lied mehr, bevor wir nicht jemand zugehört haben. Kein Gebet mehr, bevor wir nicht jemand getröstet haben. Kein Abendmahl, bevor wir nicht ein Unrecht in unserer Nachbarschaft beim Namen genannt und in Ordnung gebracht haben.
Wir wollen den Gottesdienst wie gewohnt zu Ende führen. Aber wir dürfen anschließend zu Hause nicht so tun, als sei nichts gewesen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de