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Die Predigt vom 14. Dezember 2008 (3. Advent):
»Wollen wir Veränderungen?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag im Advent. Sein Thema ist Johannes der Täufer und die Vorbereitung auf das Kommen Gottes. Evangelium (1. Lesung) und damit Predigttext war die Anfrage des Täufers an Jesus (s.u.) und Epistel (2. Lesung) die Aufforderung des Paulus, das Gericht Gott zu überlassen.
Predigttext
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Der Predigttext
2 Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger 3 und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?
4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: 5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; 6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
7 Als sie fortgingen, fing Jesus an, zu dem Volk von Johannes zu reden: Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her weht? 8 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige. 9 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch: er ist mehr als ein Prophet. 10 Dieser ist's, von dem geschrieben steht (Maleachi 3,1): »Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.« 11 Wahrlich, ich sage euch: Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer als er. (Matthäus 11,2-10)
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Die Predigt
Adventliche Ungeduld?

Können wir als Erwachsene eigentlich noch so richtig Advent feiern? Können wir noch mit kindlicher Ungeduld warten? Den meisten fehlt nichts oder nicht viel. Wir haben, was wir brauchen. Wir freuen uns eher daran, es für andere Advent werden zu lassen. Wir freuen uns über große, ungeduldige und leuchtende Kinderaugen, aber unsere eigenen Adventsaugen leuchten nicht mehr wie früher.
Die Kinder dagegen leben den Advent. Sie können es nicht erwarten. Sie sind ungeduldig. Wenn man durch das Aufessen des Adventskalenders Weihnachten auf einen Sitz herbeizwingen könnte, würden sie es sofort tun. Ich sage das, weil dieses unbändige und ungeduldige Warten ursprünglich zu einem Advent, wie ihn unsere Bibel meint, hinzugehörte:
Von einer solchen unbändigen und ungeduldigen Erwartung waren nämlich die meisten Menschen zur Zeit Jesu bestimmt. Von der Messiaserwartung redet man in der Sprache der Theologen: Den Messias, auf lateinisch den Christus, auf deutsch den Gesalbten, den von Gott Gesandten, haben sie erwartet.

Hoffnung auf Gerechtigkeit

Die zumindest haben ihn erwartet, die auf Änderung der Verhältnisse hofften: die sich durch die römische Besatzung ihrer Grundrechte beraubt fühlten, oder für die als Arme vom Tisch der Reichen nichts abfiel. Andere haben sich nicht so sehr danach gesehnt: die Oberen nämlich, die sich mit den Römern arrangierten und sich ihre Freiheit und ihren Luxus einigermaßen erhalten konnten. Denen war im Gegenteil an der Ruhe im Land gelegen, damit die Römer als Besatzer keinesfalls einen Grund zum Eingreifen finden könnten.
Die anderen aber sehnten sich unbändig nach Gerechtigkeit: nach politischer Gerechtigkeit, also nach der Freiheit von der Unterdrückung. Und nach sozialer Gerechtigkeit, nach einer gerechten Verteilung der Güter, nach einem Ausgleich zwischen Arm und Reich.
Und weil sie sahen, dass weder die herrschenden Politiker noch die damaligen Untergrundkämpfer diesen gerechten Ausgleich schafften, erhofften sie sich nach der Verheißung des Alten Testaments ein Eingreifen Gottes ganz persönlich. Oder das Eingreifen eines Gottgesandten in seinem Namen.

Gerechtigkeit bedeutet Abgeben

Ich glaube, die meisten von uns gleichen eher dieser damaligen Oberschicht, die eigentlich gar keine einschneidende Veränderung will. Denn einschneidende Veränderungen zu mehr Gerechtigkeit würden ja bedeuten, dass die, die jetzt viel haben, abgeben müssen. Wer will schon eine Erhöhung der Ausgaben für Entwicklungshilfe, wenn das zur Folge hat, dass am Ende weniger auf unserem Gehaltskonto und Rentenkonto ist? Wer will mehr klimaschonende Maßnahmen in Europa, wenn das deutsche Arbeitsplätze kostet? Für „Brot für die Welt“ geben wir von dem, was wir übrig haben. Wer gibt schon so viel, dass er sich dann selbst einschränken müsste?
Ich vermute, im heruntergewirtschafteten Simbabwe, das nun auch noch von der Cholera bedroht wird, denken und fühlen die Christen ganz anders als wir. Die rufen vermutlich wie Maria: Herr, komm doch. Stürze die Gewaltigen vom Thron und erhebe die Niedrigen.

Insofern sind wir eigentlich sehr weit weg von dem, was Advent damals zur Zeit Jesu und zur Zeit Johannes des Täufers war. Vielleicht ist es heilsam, das einfach wahrzunehmen. So möchte ich ausgehend vom Evangelium von Johannes dem Täufer erzählen. Also heute nicht so sehr eine seelsorgerliche Predigt, mehr eine, damit wir mehr verstehen.

Ein schrulliger Prophet

Johannes, dem man später den Beinamen Täufer gab, war ein Mensch, der sich ganz dieser Hoffnung auf die kommende Gerechtigkeit verschrieben hatte. So wichtig war sie ihm, dass er sein bürgerliches Leben aufgegeben hatte und als Wanderprediger, als Bußprediger, als schrulliger Einsiedler in der Nähe Jerusalems am Jordan wirkte. Er wollte die Menschen aufrütteln und vorbereiten für das Nahe Kommen Gottes. Die sich darauf einließen, die ihre Sünden bekannten und ihr Leben änderten, die taufte er zum Zeichen ihrer Vergebung im Jordan.

Auch Jesus hatte sich, bevor er in die Öffentlichkeit trat, von ihm taufen lassen. Manche vermuten sogar, Jesus sei eine Zeitlang ein Jünger dieses Johannes gewesen und habe sich von ihm von dieser Hoffnung auf Gottes Gerechtigkeit anstecken lassen. Und Johannes seinerseits spürte offenbar, dass es mit diesem Jesus etwas ganz Besonderes auf sich hatte.
Aber sie verlieren sich aus den Augen, weil Jesus im Norden des Landes, in Galiläa wirkt. Und in der Zwischenzeit wird Johannes verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Er hatte nämlich seinen Landesvater Herodes, einen Sohn des Herodes, den wir als den Kindermörder von Bethlehem kennen, öffentlich angeprangert, weil dieser die geschiedene Frau eines Halbbruders, zugleich seine Nichte, zur Frau genommen hatte.

Erfüllt Jesus die Hoffnungen?

Nun sitzt Johannes im Gefängnis und seine Jünger halten ihn auf dem Laufenden, was draußen in der Welt vorgeht. Alles von Jesus interessiert ihn. Es geht ja schließlich um seine große Hoffnung. Es geht um sein Lebenswerk.
Und nun heißt es, er habe einige seiner Jünger zu Jesus hingeschickt, um ihn zu fragen: „Bist du der, der da kommen soll?" Auf deutsch: „Bist du der Messias? Bist du der von Gott Gesandte? Wirst du Gottes Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen? Oder bist du's nicht und wir müssen auf einen anderen warten?“
Und so kommen sie zu Jesus. Doch der schickt sie nicht mit einer klaren Antwort, mit einem klaren Ja oder einem klaren Nein nach Jerusalem zurück, sondern sagt nur: Schaut euch um, macht euch selbst ein Bild und erzählt es Johannes weiter, damit er sich ein Bild machen kann: Blinde, die mir begegnet sind, können wieder sehen. Gelähmte können wieder laufen. Aussätzige sind gesund geworden. Taube können wieder hören. Tote sind ins Leben zurückgekehrt. Und die Armen und die Außenseiter schöpfen auf einmal wieder Mut. Ihnen gilt die gute Botschaft von dem Gott, der sie liebt.
Auf deutsch: Schaut euch um. Sind das nicht alles kleine Zeichen von Gottes Gerechtigkeit? Sind das nicht Dinge, die sich die Propheten des Alten Testamentes von der kommenden Heilszeit erwartet haben? Reicht euch das oder reicht es euch noch nicht?

Jesus kein politischer Heilsbringer

Es ist nicht ganz klar, weswegen Jesus auf die Frage nach dem Messias einem klaren Ja oder Nein ausweicht. Er tut es ja nicht nur an dieser Stelle hier, sondern auch in anderen Situationen.
Ein Grund ist vermutlich, dass es ihm nicht um sich als Person geht, sondern um Gott selber. Wenn Menschen gegen alle Vernunft gesund geworden sind, dann ist das nicht seine Leistung wie die eines großen Zauberers, sondern es ist allein Gottes Tat. Er ist nur der Mittler. Er hat die Menschen und Gott zusammengebracht. Einen Personenkult wollte Jesus offenbar nicht.
Und der andere Grund könnte sein, dass viele Menschen damals mit dem Messias auch den politischen Befreier gemeint haben, einen, der sie von der römischen Vorherrschaft befreien würde. Und das wollte Jesus nach der Beschreibung in den Evangelien ganz gewiss nicht sein. So fehlen in seiner Aufzählung für die Johannesjünger, was sich bisher schon zum Guten gewendet hat, die politischen Dinge ja ganz und gar.
Ob Johannes im Gefängnis später mit dieser Antwort Jesu zufrieden gewesen ist, ist uns nicht überliefert. Er konnte das Gefängnis nicht mehr verlassen und wurde aus einer Laune heraus im Auftrag des Herodes hingerichtet. Vielleicht kennen Sie die Geschichte mit dem abgeschlagenen Haupt auf dem Tablett. Welch eine Tragik, dass der, der so sehnsüchtig auf Gerechtigkeit und auf den Retter gewartet hat, bis zuletzt erleben muss, wie die politische Willkür und die Bosheit den Sieg davontragen!

Johannes, der Fundamentalist

Und dann nimmt Jesus in der Fortsetzung der Geschichte die Frage der Johannesjünger zum Anlass, zu sagen, was er von Johannes hält:
„Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her weht?“
Auf deutsch: Johannes ist kein Mensch, der seine Meinung wechselt, so wie ein Schilfrohr im Wind hin und her wiegt. Eindeutig ist er und ohne Furcht vor den Mächtigen.
„Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen. Siehe, die weiche Kleider tragen, sind in den Häusern der Könige.“
Nein, ein Freund der Oberschicht und der Reichen ist Johannes gewiss auch nicht gewesen. Er stand auf der Seite der Armen und Benachteiligten. Als ein Asket, in ein Kamelfell gekleidet, der sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährte, stand er auch auf der Seite der Natur. Ein überzeugter Grüner, aber kein Realo, sondern durchaus ein Fundamentalist. Einer, der keine Kompromisse macht. Einer, der anecken muss.

„Wolltet ihr einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, er ist mehr als ein Prophet. Er ist's von dem geschrieben steht: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg vor dir bereiten soll.“
Mehr als ein Prophet ist Johannes, mehr als ein Kritiker der Ungerechten, mehr als einer, der den kommenden Messias ankündigt. Er ist der Vorläufer des Messias. Der letzte in der Reihe der Propheten. Nach ihm wird keiner mehr kommen. Das war das höchste, was man damals von einem Menschen sagen konnte.

Wenn doch dieser Johannes in uns ein wenig weiterwirken könnte, wenn er uns doch wenigstens ein wenig beunruhigen könnte mit dem, was ihn ausgemacht hat: mit seinem ungeduldigen Warten auf Gerechtigkeit, mit seiner Furchtlosigkeit vor den Mächtigen, und wie er so eindeutig auf der Seite der Armen und Benachteiligten stand. Wenn wir als Menschen des Advent ein wenig nur von ihm lernen könnten. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de