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predigt[e].de

Die Predigt vom 19. Januar 2003 (2. Sonntag nach Epiphanias):
»Auf der Suche nach dem ultimativem Kick«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die (evangelische) Kirche beging den 2. Sonntag nach Epiphanias. Seine Thema ist Jesus, der für Freude und Leben eintritt. Evangelium ist das sog. Weinwunder von Kana aus Johannes 2 (s.u.). Epistel ist der Aufruf des Paulus zu Einheit in der Gemeinde.
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wußte, woher er kam - die Diener aber wußten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
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Die Predigt
Haben Sie das auch gestern in der Tageszeitung gelesen oder in den Medien vernommen:

Tabak und Alkohol die verbreitetsten Süchte
BERLIN. Die Deutschen sind beim Alkohol und Tabakkonsum nach wie vor in der europäischen Spitzengruppe. Insgesamt sei die Suchtproblematik geprägt durch den Missbrauch von Tabak und Alkohol, sagte der Vorsitzende der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Jobst Böning in Berlin. Gemessen an 140 000 vorzeitigen Todesfällen durch Rauchen und 73 000 durch Alkohol erhielten die 1500 Drogentoten jährlich zu starke Aufmerksamkeit. Nach Schätzung der Hauptstelle sind 6,8 Millionen Deutsche abhängig vom Tabak und 1,6 Millionen vom Alkohol.

Und nun hören wir heute eine Geschichte, wo Jesus mehr als 30 Hektoliter Wein produziert. Eine Geschichte, die davon ausgeht, dass Menschen bei einem Hochzeitsfest im allgemeinen so viel getrunken haben, dass man ihnen am Ende den billigen Wein vorgesetzt hat, weil sie das ja sowieso nicht mehr gemerkt haben. Was sollen wir davon halten?

Ganz gewiss hat Jesus mitgefeiert. Er hat bei diesem Fest sicher nicht nur miesepetrig in der Ecke gesessen. Er hat als strenggläubiger Jude sicher getanzt, so wie Juden auch heute noch bei Festen tanzen. Er hat gerne gegessen und getrunken. Ein Asket wie Johannes war er nicht. Er hat nicht nur von Heuschrecken und wildem Honig gelebt. Sonst wäre die Kritik seiner Gegner sicher nicht ins Evangelium geraten, er sei ein "Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder". (Lk 7,34) Wie alle Kritik dürften das zugespitzt und übertrieben sein. Aber der Kern bleibt doch. Ich stelle mir vor, dass Jesus das rechte Maß gekannt hat: Das rechte Maß beim Trinken, beim Essen und auch beim Feiern. Aber so eine Menge Wein und kein einziger kritischer Ton zum Thema Alkohol und Maßlosigkeit?

Vielleicht hilft das Ende der Geschichte weiter; der Satz, mit dem der Evangelist Johannes das Geschehen zusammengefasst hat: 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. Für den Evangelisten Johannes ist diese ihm überlieferte Geschichte also nicht so sehr eine Ess- und Trinkgeschichte, sondern ein "Zeichen". Ähnlich wie bei einem Wegweiser: Nicht er ist wichtig, sondern die Richtung, die er zeigt. Die Schrift, die Einzelheiten – alles nicht so wichtig. Aber alles möglichst deutlich und vor allem möglichst groß, vielleicht sogar übertrieben. Hauptsache, man weiß, wo's hingeht. Wenn man dann angekommen ist, wo man hin wollte oder sollte, darf man den Wegweiser getrost wieder vergessen.

Deswegen kommt es bei diesem Zeichen in Kana nicht in erster Linie auf die einzelnen Ereignisse an. Ja, das Ganze ist als Zeichen sicher zugespitzt und übertrieben. Die offene Augen haben, sollen gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens auf Jesus aufmerksam werden. "Und seine Jünger glaubten an ihn." heißt es hinterher. Nicht alle haben es also begriffen. Die da gefeiert haben, die nur oberflächliche Bedürfnisse hatten, die Stillung von Hunger und Durst, die haben wohl gar nichts gemerkt. Die aber ein wenig tiefer nachdenken, denen sollen die Augen aufgehen. Denen wird (in der Sprache des Johannes) die "Herrlichkeit Jesu offenbart".

Zurück zum Fest: Offenbar hat Jesus gar nichts dagegen, dass Menschen feiern. Jesus liebte das Leben, auch wenn er nicht krampfhaft an seinem eigenen Leben festgehalten hat. Er liebte das Leben, deswegen hat er anderen zum Leben verholfen. Er hat gesund gemacht, körperlich und seelisch. Er hat Ausgestoßene wieder in die Gemeinschaft zurückgeholt. Und wo Hochzeit gefeiert wird, sagt man ja zum Leben, ja auch zum werdenden Leben.

Doch inmitten allen Feierns geht es dem Evangelisten Johannes im Kern um Jesus. Es geht ihn nicht um menschliche Dinge wie Essen und Trinken, oder auch das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Nur so ist Jesu schroffe Antwort zu verstehen: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Was den rechten Zeitpunkt angeht, hört Jesus nicht auf die Stimme von Menschen, sondern nur auf die Stimme seines Vaters im Himmel. Und: dass der Wein ausgehen könnte, ist nicht einfach nur ein hauswirtschaftliches Problem, sondern es geht um eine tiefere Botschaft.

Ein Hochzeitsfest damals war der größte Event, den man sich vorstellen konnte. Es war wirklich Hoch-zeit in der Urbedeutung des Wortes, hohe Zeit. Eine Woche lange konnte man dem Alltag entfliehen. Hochzeit, das war Leben und Feiern in Fülle. Und zum Feiern, ja zu jeder Mahlzeit, gehörte damals ganz selbstverständlich der Wein. "Der Wein erfreut des Menschen Herz", sagt der Psalm 104 und lobt Gott als Schöpfer dafür. Oder wie wir von Martin Luther im Gesangbuch S. 602 lesen können: Darf unser Herr Gott gute große Hechte, auch guten Rheinwein schaffen, so darf ich sie wohl auch essen und trinken. Warum nicht, sagt Johannes. Wichtig ist nur, dass Menschen, die auf der Suche nach dem Leben, nach dem Leben in Fülle sind, dabei nicht an diesem Jesus vorbei können und vorbei sollen.

Nichts gegen das Feiern. Nichts gegen den Genuss. Nichts gegen das Tanzen. Nichts gegen den Alkohol – in Maßen. So könnte man mit Johannes sagen. Aber wenn jemand auf diesem Weg das Leben und den Sinn finden will, ist er auf dem Holzweg. Das Feiern bis zum Abwinken mag eine Nacht lang Leben und volle Dröhnung bedeuten, aber es hinterlässt doch nur einen Kater. Oder es führt im äußersten Falle zu den eingangs genannten 200.000 frühzeitigen Todesfällen pro Jahr. Oder im Extrem auch das andere, was wir vergangene Woche in der Zeitung lesen konnten: Viele suchen das Leben, indem sie einen immer neuen Kick suchen. Wenn Bunjee-Jumping oder das neueste Fahrgeschäft auf dem Frühlingsfest den Blutdruck nicht mehr steigern können, muss man Gletscher herunterrasen oder mit Fahrrädern durch Bob-Bahnen fahren. Und wenn dann alles durchprobiert ist, dann gibt es den letzten Kick vielleicht, wenn man in satanistischen Ritualen quält und zum Herrn über Leben und Tod wird. So hat zumindest ein Experte versucht, das Unbegreifliche verstehbar zu machen.

Tragen wir in den Gemeinden und Kirchen, tragen wir als Eltern oder Vorbilder nicht auch einen Teil der Schuld? Wir schaffen es offenbar nicht, unseren christlichen Glauben als einen Weg aufzuzeigen, auf dem man das ganze Leben finden kann. Wir müssen die Jugend noch mehr gewinnen. Wir müssen einladender werden. Unsere Gottesdienste müssten wohl auch mehr Freude ausstrahlen und wie ein Fest sein. Jesus ist ein Liebhaber des Lebens. Davon müssten wir wohl einfach mehr erzählen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de