Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 1. Februar 2009 (Letzter Sonntag nach Epiphanias):
»Gipfelerfahrungen und Lichtblicke«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Letzten Sonntag nach Epiphanias. Sein Thema ist Jesus, das Licht. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war die Erzählung von der sog. Verklärung Jesu und Epistel (2. Lesung) die Erleuchtung, die Paulus erfahren hat.
Predigttext
Online-Bibeln der Bibelgesellschaft

Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
17 1 Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. 2 Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. 3 Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. 4 Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. 5 Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! 6 Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. 7 Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! 8 Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. 9 Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Auf einem Berg Gott näher?

Kann man in einem Mittelgebirge oder in einem Hochgebirge Urlaub machen oder wandern, ohne einen oder mehrere Gipfel zu ersteigen? Oder denken Sie an die kleineren oder größeren Gipfel unserer fränkischen Umgebung. Ochsenkopf, Schneeberg, Neubürg, Kordigast, Staffelberg …
Was macht Berge so anziehend? Man steht im wahrsten Sinne des Wortes über den Dingen – manchmal sogar über den Wolken, wenn sie tief hängen. Man gewinnt einen anderen Blick. Und da ist auch ein wenig Stolz, dass man es geschafft hat.
Viele fühlen sich auf Bergen Gott näher – auch wenn wir wissen, dass Gott nur bildlich gesprochen oben ist. Nicht umsonst tragen die meisten Berge ein Gipfelkreuz. Sie sind so etwas wie ein heiliger Ort – auch für manchen Menschen, der nicht an Gott glaubt.
Das gehört aber auch zu den Bergen: Man muss wieder runter. Man kann nicht oben bleiben. So schön es da oben sein mag: Man muss wieder in den Alltag zurück.

Die Berge der Bibel

Auch von Jesus wird erzählt, dass er die Bergeinsamkeit gesucht hat. Immer wieder einmal entfloh er der Menge, die so viel von ihm erwartete, um mit Gott allein zu sein.
Dem Propheten Elia ist Gott am Berg Horeb begegnet, nachdem er des Lebens müde war. Und dort auf dem Berg entdeckt und erlebt er Gott ganz überraschend: nicht in Sturm und Erdbeben, sondern in einem leisen zarten Wind.
Mose begegnet Gott auf dem Berg Sinai und empfängt dort die Gebote. Als er vom Berg herabkommt, leuchtet sein Gesicht. Die Begegnung mit Gott hat ihn verwandelt.

Die Jünger und Jesus auf dem Berg

Das alles mag den drei Jüngern damals beim Anstieg durch den Kopf gegangen sein, als sie mit Jesus auf dem Weg zum Gipfel waren. Sonst war Jesus immer allein. Damals nahm er die drei engsten Jünger mit: Petrus, Jakobus und Johannes.
„Und nach sechs Tagen ..." So beginnt die Erzählung. Was war sechs Tage zuvor? Jesus hat sich mit seinen Jüngern auf den Weg nach Jerusalem gemacht und sie zum ersten Mal auf das kommende Leiden vorbereitet. Kurz vorher hatte er sie noch gefragt: Für wen haltet ihr mich? Was erwartet ihr von mir? Und Petrus hatte geantwortet: Du bist der Christus. Kein Wunder, dass Petrus hin und her gerissen war: Messias und Leiden. Wie passt das zusammen? Wer ist dieser Jesus?

Und dann darf Petrus zusammen mit Jakobus und Johannes für einen Moment diese andere Seite an Jesus sehen. Eine Seite, die man eigentlich nicht sehen kann. Eine Seite, die offenbar nicht für die Menge bestimmt war. Er wurde „verklärt", so übersetzt Martin Luther. Er wurde vor ihnen verwandelt, so heißt es wörtlich. Die Jünger blicken für kurze Zeit in eine andere Welt, in eine andere Dimension. Sie erleben Jesus im Licht, so wie auch Gott im Licht ist. Sie fallen zu Boden. Im Alten Testament fallen alle zu Boden, die Gott begegnen. Sie erleben, so könnte man es sagen, ein vorgezogenes Ostern.

Die schönsten Momente festhalten

Bei der Taufe Jesu – Sie war Predigttext vor drei Wochen. – konnte offenbar nur Jesus die Himmelsstimme hören, in der sich Gott zu ihm bekennt. „Das ist mein lieber Sohn. Den sollt ihr hören.“ Nun erfahren es auch die engsten Jünger. Gott bekennt sich zu dem, der dann wieder vom Berg herab ins Leiden muss.
Diesen Moment müsste man festhalten können, denkt Petrus offenbar. Er möchte die Gottesnähe nicht loslassen. Er möchte sozusagen die Leidensankündigung von vor sechs Tagen ungeschehen machen und Jesus auf dem Berg festhalten. „Lasst uns Hütten bauen für dich, für Mose und Elia. Bleibt da.“
Aussteigen, so würde man es heute vielleicht sagen, möchte Petrus am liebsten. Nicht mehr in die Welt am Fuße des Berges zurück. Nicht mehr zurück auf den Weg, dessen Ende Jesus so unmissverständlich angekündigt hat.

Solche Lichtblicke, solche Gipfelsituationen, wer möchte sie nicht festhalten wollen? „Verweile doch, du bist so schön." lässt Goethe seinen Dr. Faust zum Augenblick sagen. Da mag jede und jeder an andere Momente und Situationen denken:
Vielleicht wörtlich und real auf einem Berg oder bei einem anderen eindrücklichen Naturerlebnis. Aber auch bei der Geburt eines Kindes. Beim Zusammensein mit einem geliebten Menschen. Beim intensiven Hören auf eine Musik. Beim Lesen in einem Buch, über dem man Zeit und Welt vergisst. In einem eindrücklichen Gottesdienst. In Gebet und Meditation.

Momente der Gottesbegegnung

Man kann solche Lichtblicke und Gipfelsituationen, man kann solche eindrücklichen Erlebnisse nicht machen. Man kann sie sich nur schenken lassen. Aber dennoch: Wenn jemand nicht auf einen Berg steigt, wie will er erleben, wie das auf dem Gipfel ist?
Genauso auch im Glauben: Wer die Einsamkeit des Berges, auf den Jesus sich öfter zurückgezogen hat, nie sucht, wer nie die Stille und Abgeschiedenheit sucht, der wird auch im Glauben manches nicht erleben können. Der wird nicht nachvollziehen können, was andere meinen, wenn sie z.B. von Meditation reden.
Für mich persönlich ist ganz entscheidend gewesen, was Jörg Zink in unserem Gesangbuch auf Seite 1443 schreibt:
„Die großen Lehrer der Meditation und des geistlichen Lebens weisen uns immer wieder auf die erste Morgenstunde hin und sagen: Nimm den Anfang des Tages wahr, er ist die Stelle, an der du die Ewigkeit berührst. In der Tat wäre uns in vielen Nöten und Krankheiten des Leibes und der Seele geholfen, wenn es uns gelänge, die erste Morgenröte von Eile, von Lärm und Ärger freizuhalten. Der Lauf des Tages hängt im allgemeinen nicht von unseren persönlichen Vorstellungen ab. Er wird uns aufgezwungen. Aber der Anfang sollte uns gehören.“

Vom Gipfel in die Niederungen

Oben möchte sie bleiben, die drei Jünger. Und dann rührt sie Jesus an. Er rüttelt sie und holt sie sozusagen wieder in die Realität zurück. Und auf einmal sehen sie nur noch ihn allein.
Warum schärft ihnen Jesus ein, sie sollten das Erlebte nicht weitererzählen? Wäre es nicht gut, wenn die ganze Welt wüsste, wer er ist? Nein, sie sollen diese Gipfelerfahrung für sich behalten.
Zuerst einmal wohl, weil man das gar nicht kann: Man kann anderen nicht angemessen von den eigenen Gipfelerfahrungen erzählen, wenn sie nicht selbst dabei gewesen sind bzw. ähnliche eigene gemacht haben. Sie werden einen eher für ein wenig verrückt oder spinnert halten.
Aber der eigentliche Grund ist wohl, dass die Jünger und auch Jesus vorerst nicht oben bleiben können: Bevor die Herrlichkeit Jesu endgültig offenbar wird, muss er erst durchs Leiden, und sie müssen mit. Sie brauchen aber diese Gipfelerfahrung und diesen Lichtblick, um das kommende Unvermeidliche besser bestehen zu können. Das scheint mir der tiefere Sinn der Gipfelerfahrungen: Man kann sie nicht festhalten, aber sie prägen das weitere Leben. Wer solche Erfahrungen gemacht hat, der weiß, dass das Irdische und Vordergründige nicht alles ist.

Gott ist auch in den Niederungen

Und sie haben es wirklich gebraucht, die drei: Denn als sie vom Berg herabkommen, werden sie umgehend knallhart mit dem Leid der Welt konfrontiert: Die unten zurück gebliebenen Jünger warten sehnsüchtig auf sie und Jesus, weil sie dem epileptischen Jungen – „mondsüchtig“ übersetzt Luther – nicht haben helfen können.
Verzweifelt hat der Vater erzählt, dass er durch seine Krankheit immer wieder unvermittelt umfällt, und oft ins offene Feuer oder ins Wasser. So traurig dieses Kinderschicksal ist: Diese Fortsetzung der Verklärungsgeschichte ist in meinen Augen sehr tröstlich. Sie darf nicht weggelassen werden, weil man sonst nur die halbe Wahrheit hat: Nicht nur in den Gipfelerlebnissen und in den Lichtblicken ist Gott zu finden, sondern auch und besonders in den Niederungen und Tiefen des Alltags und dort, wo menschliche Macht an ihr Ende kommt: Jesus hilft, wo seine Jünger nichts ausrichten.

„Bleib bei uns, Herr, verlass uns nicht, führ uns durch Finsternis zum Licht, bleib auch am Abend dieser Welt als Hilf und Hort uns zugesellt.“

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de