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Die Predigt |
Die Versuchung
Jesu – auch unsere?
Die Versuchung Jesu ist erst einmal nur die Versuchung Jesu. Wir sind
nicht Jesus. Wir können das Gehörte nicht zu schnell auf
uns übertragen. Aus Steinen Brot machen. Die Herrschaft über
die Welt angeboten bekommen. Voller Gottvertrauen vom Turm der Stadtkirche
herabspringen. Und dennoch hat das alles auch mit uns zu tun, weil
auch wir Versuchungen und Verlockungen kennen. Weil auch vor uns der
Einflüsterer nicht Halt macht.
1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit
er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und
vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher
trat zu ihm.
Jesus soll, kaum hat er mit der Taufe seinen Weg begonnen, diesem
Weg gleich wieder untreu werden. Jesus weiß inzwischen, was
seine Sendung, was seine Bestimmung ist: Er soll mit seinem Leben
ganz für die Menschen da sein. Und sofort kommen die Einflüsterungen:
Willst du nicht auch etwas für dich selber tun? Hast du nicht
auch berechtigte Bedürfnisse? Darfst du nicht auch einmal im
Mittelpunkt stehen?
Jesus – ganz Mensch
Diese Aufgabe Jesu, diese seine Sendung, sich ganz auf Gott zu verlassen
und ganz für die Menschen da zu sein, die ist so einmalig, dass
wir sie nicht einfach auf uns übertragen können.
Weil uns Jesus aber hier durch und durch als Mensch geschildert wird,
weil Versuchung etwas zutiefst Menschliches ist, hat sie dann doch
auch etwas mit uns zu tun. Mit einem deutlichen und entscheidenden
Unterschied jedoch: Jesus hat allen Versuchungen widerstanden. Wer
könnte das von sich sagen? Wer könnte für sich selber
die Hand ins Feuer legen?
Ich glaube, das Geheimnis dieser Versuchungsgeschichte – für
Jesus und für uns – liegt im Beginn und im Schluss:
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte,
hungerte ihn.
Jesus fastet. Das heißt, er kann loslassen, er kann verzichten,
er muss nicht alles haben.
11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel
zu ihm und dienten ihm.
Und weil Jesus auf alles verzichtet, weil er es sich nicht eigenmächtig
nimmt, obwohl er gekonnt hätte, bekommt er am Ende von Gott alles,
was er braucht. Und er entbehrt nichts.
Aber von vorne:
Wüstenerfahrungen
1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit
er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und
vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Der Weg Jesu beginnt mit der Wüste und mit dem Fasten. Sein Weg
beginnt also mit zwei entscheidenden Fragen: Kannst du auch mit dir
selbst alleine sein? Und: Was brauchst du wirklich zum Leben?
Im Alleinsein und beim Fasten, da kann ein Mensch sich selber entdecken.
Ja, vielleicht kann er sich nirgends besser entdecken. Nicht umsonst
meiden viele Menschen beides, denn was man da entdecken kann, ist
nicht immer einfach und angenehm.
Das Alleinsein durch eine erzwungene Bettruhe z.B., im Krankenhaus
oder zu Hause: heraus aus dem Alltag, der sonst geordnet ist von früh
bis abends, der keine Zeit zum tieferen Nachdenken lässt. Auf
einmal sind da alle Gedanken, die sonst verdrängt sind.
Man kann ihnen ausweichen oder man kann sich ihnen stellen. Man kann
ihnen ausweichen, indem man sie betäubt oder indem man den Fernseher
einschaltet, der sie schnell wieder vertreibt. Oder es können
Menschen kommen, die einen „auf andere Gedanken bringen",
wie es so schön heißt. Obwohl es doch in Wirklichkeit viel
hilfreicher gewesen wäre, wenn man sich ihnen endlich einmal
gestellt hätte.
Fastenerfahrungen
Und auch beim Fasten kann man sich selber entdecken. Viele fasten
nicht, weil sie sagen: „Ich bin doch nicht abhängig. Was
soll ich mir beweisen?" „Selbstverständlich könnte
ich jederzeit mit dem Rauchen aufhören, wenn ich wollte. Aber
ich will nicht." „Jederzeit käme ich ohne Alkohol
aus. Aber warum sollte ich?" „Jederzeit könnte ich
einmal für einen Tag den Fernseher aus lassen. Ich brauche ihn
nicht. Jederzeit könnte ich einmal für einen Tag die Finger
von den Süßigkeiten lassen usw."
Aber die heimliche Angst im Hintergrund ist doch: „Ja, wenn
ich es jetzt wirklich einmal probieren würde, und ich würde
merken, wie schwer es mir fällt, oder dass ich es gar entgegen
meiner großspurigen Ankündigungen nicht durchhalten kann,
was würde ich da möglicherweise von meinen eigenen Untiefen
und meinen schwachen und dunklen Seiten entdecken!"
Wer bin ich? – Sich selbst begegnen
Beim Alleinsein und beim Fasten, ja da begegnet man sich wirklich.
Und das ist das Problem: Man begegnet auf einmal einem, von dem man
meinte, man kennt ihn. Und auf einmal begegnet manche einem Fremden.
„Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ So heißt der
Titel eines derzeitigen Bestsellerbuches. Es hat etwas gemein mit
einem anderen Bestseller der letzten Jahre: Hape Kerkelings Jakobswegbuch
„Ich bin dann mal weg.“ Wer bin ich? Dieser Frage kann
niemand ausweichen, der sich allein mit sich selbst und Gott auf den
Weg macht. Wer bin ich? Wem begegne ich da? Was entdecke ich von mir
und an mir, was mir neu, ja vielleicht fremd ist?
Allein sein macht verletzlich. Fasten macht verletzlich. Es macht
angreifbar. Jesus begegnet, wie es die Geschichte sagt, dem Teufel:
Wer mit sich allein unterwegs ist, wer fastet, der begegnet auch der
Versuchung. Der begegnet seinen eigenen Grenzen. Der begegnet seinen
schwachen Stellen. Der begegnet den Einflüsterungen.
Das ist das Wesen der Versuchung: Es lässt sich jemand reizen
und hinreißen, etwas zu tun, was er hinterher bereut. Versuchung
denkt nur an den Moment, denkt nur an das Jetzt, an die unmittelbare
Befriedigung, und vergisst die Folgen.
Versuchung ist der Reiz, den rechten Weg, den man eigentlich kennt,
zu verlassen. Man kennt ja den rechten Weg: Man weiß, was mein
und dein ist. Man weiß, was wahr und was falsch ist. Man weiß,
wem man die Treue versprochen hat. Man weiß, was einem gut tut
und was einem schadet. Aber der Versucher, diese schmeichelnde, honigsüße
Stimme von innen oder von außen, diese Stimme, die genau meine
Schwächen kennt, die den Nagel auf den Kopf trifft, die will
auf einmal nicht verstummen.
Das Wesen der Versuchung
In dreifacher Weise trifft Jesus diese Versuchung: Es ist die Versuchung,
sich mit äußerer Sattheit zufrieden zu geben. Es ist die
Versuchung, als Showstar im Mittelpunkt zu stehen. Und es ist die
Versuchung der Macht.
Natürlich hätte Jesus aus Steinen Brot machen können.
Aber er hätte doch nur egoistisch seine eigenen Bedürfnisse
befriedigt und die Menschen, also seinen eigentlichen Auftrag, darüber
vergessen.
Natürlich hätte ihn Gott beim Sprung von der höchsten
Stelle der Tempelmauer nicht ins Bodenlose fallen lassen. Aber es
wäre doch nur eine nutzlose Show gewesen.
Natürlich hätte sich Jesus alle Reiche der Welt nehmen können.
Aber er hätte dabei nur an sich gedacht und darüber Gott
und die Menschen vergessen.
Und so ist wahrscheinlich auch für uns der Kern jeder Versuchung
der Egoismus: Schauen, wie es uns am besten geht, wie wir am besten
voran kommen, wie wir nicht zu kurz kommen, wie wir unser Schäfchen
ins Trockene bringen. In dieser Frage ist wahrscheinlich der Versucher
am deutlichsten zu hören: „Wenn du es dir nicht nimmst,
wer gibt es dir denn? Und wenn du nicht für dich sorgst, meinst
du, die anderen tun es für dich?"
Gott enthält mir nichts vor
Gegen diese fiese Stimme hilft nur Gottvertrauen. Nicht aus eigener
Kraft besiegt Jesus die Versuchung, sondern im Blick auf Gott:
„Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein
dienen. Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel
zu ihm und dienten ihm.“
Gott gibt mir, was ich brauche, deswegen brauche ich es mir nicht
zu nehmen. Gott lässt mich nicht fallen, deswegen muss ich seine
Macht nicht herausfordern. Gott enthält mir nichts vor, deswegen
kann ich ihn meinen Herrn sein lassen.
„Du schenkst uns Zeit! Wir wollen sie gestalten, als dein
Geschenk in unsern Händen halten. Herr, lass uns stille werden,
dass wir sehn: Du willst zu aller Zeit mit uns durchs Leben gehn."
Amen |
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