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Die Predigt vom 29. Februar 2004 (Invokavit):
»Wir halten den Himmel offen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag der Passionszeit (Invokavit). Sein Thema ist die Versuchung. Evangelium dieses Sonntags ist die Erzählung von der Versuchung Jesu. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Hebräerbrief Kapitel 4:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Predigt
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Die Predigt

„Wir halten den Himmel offen“

"Wir halten den Himmel offen." Wäre das nicht ein gutes Motto für die Arbeit der Kirchen, für die Arbeit ihrer Pfarrerinnen und Pfarrer? Aber nein, es ist ein Werbespruch der Lufthansa. Bei der Öffentlichkeitsarbeit ist die Wirtschaft uns Kirchen halt immer noch weit voraus.
"Wir halten den Himmel offen." Der Spruch gefällt mir und so nehme ich ihn der Lufthansa ohne schlechtes Gewissen und ohne Angst vor dem
Urheberrecht weg: Die meinen den Himmel mit den Wolken, der wegen der vielen Flugzeuge schon lange nicht mehr so richtig blau und offen ist. Ich meine den Himmel Gottes. Wir halten den Menschen den Himmel offen. Ja, das tun wir in der Kirche. Das tun wir im Gottesdienst.

Jesus hat den Himmel geöffnet

Wohl bemerkt: Geöffnet haben wir den Himmel nicht. Das war jemand anders. Aber wir halten ihn den Menschen offen. So verstehe ich die Epistel aus dem Brief an die Hebräer, die Sie vorhin gehört haben:

14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn
Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an
dem Bekenntnis.

Wir tun uns vielleicht auf Anhieb schwer. Die Leser des Hebräerbriefes jedoch konnten mit dem Begriff Hoherpriester etwas anfangen, positiv etwas anfangen: Er war im Judentum der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Nur er konnte sich Gott nahen. Nur er durfte ins Allerheiligste des Tempels. Nur über ihn als Mittler konnten die Menschen sich Gott nahen. Der "große" Hohepriester ist Jesus, sagt der unbekannte Schreiber des Hebräerbriefs nun, also der, der endgültig und letztgültig zwischen Mensch und Gott vermittelt hat. Der selber in Mitte getreten ist und beide wieder zusammen gebracht hat. Der den Menschen den direkten Zugang zu Gott eröffnet hat, der ihnen den Himmel geöffnet hat, dass sie nun keinen Hohenpriester mehr brauchen.

Der Mensch hat sich den Himmel verschlossen

Die Versuchung, so lesen wir in der Geschichte von Adam und Eva, vom Apfel und von der, die Versuchung hat Gott und Menschen getrennt, hat dem Menschen den Himmel verschlossen: Im Paradies waren beide noch
zusammen. Das "Sein wollen wie Gott" hat sie getrennt. Aus eigener Kraft findet der Mensch nun nicht mehr den Weg zu Gott. Er braucht einen
Vermittler. Es muss jemand die Brücke bauen. Das war Jesus, so heißt es hier, Jesus der die Himmel durchschritten hat: Man stellte sich im Judentum einen siebenstöckigen Himmel vor. Durch alle diese Himmel ist Jesus hindurchgeschritten. Als Wanderer zwischen den Welten hat er den Himmel verlassen und sich auf den Weg zu den Menschen gemacht.
Jesus, der Sohn Gottes. Mit anderen Worten: Gott selber hat sich in Jesus auf den Weg zu den Menschen gemacht. Gott selber hat seinen Himmel
verlassen und uns Menschen den Himmel geöffnet. Bei Jesu Tod, so lesen wir in der Passionsgeschichte, sei der Vorhang vor dem Allerheiligsten mitten durch gerissen.

Jesus hat die Himmel durchschritten. Das gilt nun nicht nur für sein Herabkommen, sondern auch für die Gegenrichtung: Der Auferstandene
hat bei seiner Himmelfahrt den Weg zum Vater, den Weg zu Gott gebahnt. Der Himmel ist offen für den, der sich an ihn hält und sich ihm nach auf den Weg macht.

Pfarrerinnen können den Himmel offen halten

Liebe Frau Hötzel! Priesterin sein, Mittlerin sein zwischen Gott und den Menschen, den Menschen den Himmel offen halten. Eine von mehreren Seiten des Pfarrerberufes. Ich vermute, Sie würden sich so nicht in erster Linie charakterisieren. Lieber sind Sie gemeinsam mit den Menschen auf dem Weg, nicht herausgehoben.

Richtig ist: Hoherpriester und einmaliger Mittler zwischen Gott und Mensch war nur Jesus. Und so spricht uns in der evangelischen Kirche auch niemand als Priesterin oder Priester an. Und doch suchen die Menschen auch heute noch Mittlerinnen und Mittler, wenn sie selber den Weg zu Gott nur noch schwer finden. Menschen, die ihnen den Weg zu Gott zeigen und sie wieder mit ihm zusammenbringen.
Der Münchner Theologieprofessor Michael Schibilsky, der am Aschermittwoch den Gottesdienst in der Stadtkirche und am Nachmittag einen Vortrag im Evangelischen Gemeindehaus gehalten hat, hat sinngemäß gesagt: Menschen rechnen ganz selbstverständlich damit, dass wir als Pfarrerinnen und Pfarrer mit Gott reden. Dass wir auch stellvertretend für die reden, die das selber nicht mehr können. Dass wir andere mit ihrer Not priesterlich vor Gott bringen. Dass Menschen in uns einen Fürsprecher haben.
Pfarrerinnen und Pfarrer können und brauchen den Menschen den Himmel nicht zu öffnen. Das ist durch Jesus geschehen. Aber sie können sozusagen den Menschen den Himmel offen halten.

Mit leiden, nicht Mitleid haben


15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit
leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in
allem wie wir, doch ohne Sünde.

Der beste Zuhörer und Seelsorger, so höre ich es immer wieder, ist, wer ähnliches schon erlebt hat. Und das gilt nicht nur für Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern für alle, die als Besuchsdienst, als Gemeindeglieder und Nachbarn ein offenes Ohr für jemand haben. Menschen mit gleichem Schicksal gehen aufeinander zu. Sie fühlen sich verstanden. Sie fühlen sich ernst genommen. Sie werden nicht mit billigem Trost abgespeist.
So ähnlich hier im Hebräerbrief: Jesus ist der rechte Hohepriester, der rechte Mittler, weil er ganz Mensch war und auf der Seite der Menschen steht, weil er selber Versuchung erlebt hat. Das erinnert an das vorhin gehörte Evangelium, wo Jesus der Versuchung der Macht und der Sattheit widersteht. Das erinnert an die größte aller menschlichen Versuchungen, vor der auch er nicht gefeit war: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Der rechte Hohepriester und der rechte Mittler ist er, weil er diesen Versuchungen nicht erlegen ist und Gott nicht weggeworfen hat. Damit ist er Vorbild und Ansporn für alle, die an Gott zweifeln.

Und: Der rechte Mittler ist er auch, weil er wirklich mit leidet. Mitleid haben und mit leiden sind zwei verschiedene Dinge. Auch da, so meine ich, sind wir alle als Christen, aber speziell auch als Pfarrerinnen und Pfarrer gefordert. Da sein, wo die Menschen sind, mit ihnen gehen, mit ihnen leiden, sie in ihren Häusern und an ihren Krankenbetten nicht alleine lassen. Das haben Sie in unserer Gemeinde getan, liebe Frau Hötzel. Dafür sage ich Ihnen Dank. Sie sind den Menschen und dem Leid nicht ausgewichen.

Menschen den offenen Himmel zeigen

Den Menschen den Himmel offen halten. Das bedeutet auch, ihnen zu sagen, wohin sie sich wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. Der
abschließende Vers des Predigttextes:
16 Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der
Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der
Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Darum lasst uns hinzutreten: Wir können direkt und unmittelbar zu Gott kommen. Weil Gott selber in Jesus uns nahe gekommen ist, weil der
Vorhang zum Allerheiligsten symbolisch zerrissen ist, braucht es keinen Hohenpriester mehr, über dessen Vermittlung wir uns Gott nahen dürfen.
Zum Thron der Gnade dürfen wir hintreten: Zu Gott selbst ist gemeint, zu Jesus, in dem Gott uns nahe gekommen ist, und der wieder zu Gott
gegangen ist.
Wo finden wir den Thron der Gnade, wo finden wir Gottes Nähe und Anwesenheit: Wir finden sie im Gottesdienst, in Lied, Gebet, Meditation und Abendmahl.

Im Gottesdienst ist Gott nah und der Himmel ist offen für den, der Hilfe braucht. Lasst uns zusammen den Himmel offen halten für die, die Gott suchen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de