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Die Predigt vom 21. Mai 2009 (Himmelfahrt):
»Vatertag? Ja, Vatertag!«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging das Fest Christi Himmelfahrt. Sein Thema ist die Machtergreifung Jesu. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war die Himmelfahrtsdarstellung des Lukas und Epistel (2. Lesung) die Darstellung in der Apostelgeschichte.
Predigttext
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Der Predigttext
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. 50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. 51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. 52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude 53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott. (Lukas 24,49-53)
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Die Predigt
Vatertag oder Christi Himmelfahrt?

Wenn man heute ein Umfrage auf der Straße machen würde, welchen Tag wir heute haben, dann würden die meisten wohl antworten: „Vatertag“. Ende des 19. Jh. ist diese Sitte im Berliner Raum entstanden und hat sich über ganz Deutschland verbreitet. In anderen Regionen Deutschland wird der Vatertag oft auch „Herrentag“ genannt.
Wenn ich diese Umfrage nach dem heutigen Tag bei Ihnen oder vor einer Kirche machen würde, bekäme ich natürlich eine andere Antwort: Wir feiern Christi Himmelfahrt. 40 Tage, so lesen wir es in der Apostelgeschichte, hat sich Jesus nach seiner Auferstehung seinen Jüngern noch leibhaftig gezeigt und sie auf die Zukunft vorbereitet. Dann hat er sich in eine unsichtbare Gegenwart verabschiedet.

Vatertag – Herrentag. Damit kann man jetzt verschieden umgehen: Man kann jammern über die moderne Zeit, und dass der eigentliche Inhalt des Feiertags für viele verloren gegangen ist.
Man kann aber auch den Begriff ganz bewusst gegen den Strich bürsten und ihn positiv aufnehmen: Der Vatertag ist der Tag Gottes, des Vaters, so wie das kommende Pfingstfest der Tag Gottes, des Heiligen Geistes ist. Dann würde Himmelfahrt als Vatertag darauf aufmerksam machen: Wir haben, seit Jesus zur Rechten Gottes sitzt und ihm gleich geworden ist, einen Gott und Vater im Himmel.

Die Taube und das Heilig-Geist-Loch

Dass viele sich mit dem christlichen Inhalt des Festes schwer tun, ist ja eigentlich kein Wunder:
An Weihnachten hat man mit dem Kind in der Krippe etwas Sichtbares und Greifbares für alle Sinne. Mit der Weihnachtskrippe im Haus lebt auch die Botschaft im Haus. An Ostern ist mit Kreuz und Grab auch noch Fassbares und Greifbares da. Manche Familien bauen zuhause auch einen Ostergarten auf. Aber an Himmelfahrt und Pfingsten gibt es halt nichts mehr für die Hände, die etwas greifen wollen. Wir tun uns viel schwerer mit dem Er-fassen der Botschaft.
In manchen Kirchen hat man im Mittelalter an Christi Himmelfahrt eine hölzerne Christusstatue an einem Seil nach oben gezogen, bis sie in einem Loch in der Kirchendecke verschwunden ist. An Pfingsten hat man dann stattdessen eine hölzerne Taube herabgelassen. Das Loch in der Decke hat dann den Namen „Heilig-Geist-Loch“ und ist noch in vielen alten Kirchen erhalten. Wir mögen das mit der Christusfigur und der Taube heute vielleicht belächeln. Aber es war nichts anderes als der Versuch, auch diese Feste für die Sinne greifbarer zu machen.
Diese Sehnsucht, dass man beim Glauben auch etwas Greifbares hat, hat vermutlich auch mit der Entstehung der Vatertagsbräuche zu tun, die vielleicht schon viel weiter zurückreicht: Manche sehen in ihnen eine Art Verweltlichung katholischer Flurprozessionen. Wie an Fronleichnam ging man andernorts an Himmelfahrt durch die Fluren und betete um eine gute Ernte. Und schon im Mittelalter endeten diese Bittgänge mit Tanz, Musik und gemeinsamem Essen. Das ist richtig, weil Leib und Seele zusammengehören. Aber es kam wie so oft: Das Feiern blieb erhalten und den eigentlichen Sinn hat man nach und nach vergessen.
So ist und bleibt Christi Himmelfahrt eine Herausforderung für den Glauben: Wenn Weihnachten der Tag des kindlichen Glaubens ist, dann sind Himmelfahrt und Pfingsten sind die Feste des erwachsenen, des nachdenkenden, des gereiften Glaubens. Der entsteht aber erst, wenn man den Kinderglauben hinter sich lässt.

Jesus ist weg und doch da

Hören wir noch einmal auf das Evangelium. Da endet der Abschied Jesu von seinen Jüngern im Lukasevangelium mit den Worten:
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe. 50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. 51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. 52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude 53 und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

Erst vor kurzen habe ich erfahren, dass nach der Lesung dieses Evangeliums früher traditionell die Osterkerze ausgelöscht wurde. In der Osternacht angezündet, ist sie Zeichen der Gegenwart des Auferstandenen. Und mit Himmelfahrt geht seine 40-tägige Erdenzeit zu Ende. Wir sollten einmal überlegen, ob wir das auch bei uns einführen wollen, so wie wir gewohnt sind, nach dem Karfreitagsevangelium die Kerzen auf dem Altar zu löschen.
Man müsste es natürlich sehr gut erklären, denn es handelt sich ja um einen ganz anderen Abschied: An Karfreitag ein trauriger Abschied, der betroffen macht. An Himmelfahrt ein fröhlicher Abschied: Das Himmelfahrtsevangelium endet mit der Freude der Jünger. Wie können sie sich Jünger freuen, als Jesus weggeht?
Man kann es nur verstehen, wenn man bei Johannes oder in der Apostelgeschichte liest, wie Jesus die Jünger auf diesen Abschied vorbereitet hat. Sie freuen sich, weil sie begriffen haben: Er geht zwar sichtbar und greifbar weg, um aber auf eine andere Art und Weise umso näher zu sein. Dazu gehört erwachsener, reifer Glaube.

Kraft zur rechten Zeit

50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.
Wenn auf Erden Menschen sich durch den Tod verabschieden, dann ist für die Zurückbleibenden der letzte Eindruck sehr entscheidend.
Von Jesus heißt es hier: Segnend hat er sich von seinen Jüngern verabschiedet. Mitten im Segnen geht er. Er geht, aber sein Segen bleibt. Als den Segnenden sollen sie ihn immer vor Augen behalten.

Und was sie trotz des Abschieds noch fröhlich und gelassen macht: Dass Jesus geht, heißt nicht, dass sie nun allein gelassen sind.
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.
Der Heilige Geist als „Kraft aus der Höhe": Kraft von oben, die nötige Kraft zur rechten Zeit ist nun Zeichen der Gegenwart Gottes. Auch dazu gehört erwachsener und reifer Glaube, der solche Kraft zur rechten Zeit schon erfahren hat.

Machtergreifung und Thronbesteigung

51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Auch dazu gehört erwachsener und reifer Glaube, der nicht am Vordergründigen hängen bleibt: Himmelfahrt ist ja keine räumliche Angelegenheit. Himmelfahrt ist nicht Weltraumfahrt. Gott ist nicht einfach oben über den Wolken, so wie man sich es früher gedacht haben mag, als man die Erde noch für eine flache Scheibe hielt. Himmel ist die Welt Gottes, die man nicht mit räumlichen oder zeitlichen Vorstellungen fassen kann.
Himmelfahrt ist das Fest einer Thronbesteigung. Besser noch, wenn dieser Begriff durch die deutsche Geschichte nicht so einseitig belastet wäre, das Fest einer Machtergreifung:
„Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß." So haben wir vorhin gesungen. Und: „Gleicher Macht und gleicher Ehren sitzt er unter lichten Chören über allen Cherubim."
Oder in einem neuen Himmelfahrtslied, das wir anschließend singen:
„Das Reich, in das du wiederkehrst, ist keine ferne Höhe. / Der Himmel, dem du zugehörst, ist Herrschaft und ist Nähe. / Präg du uns ein, Herr Jesu Christ: Gott ist nicht, wo der Himmel ist; / wo Gott ist, da ist Himmel.“

Wie können wir also mit einem erwachsenen und reifen Glauben die Himmelfahrt glauben?
In der Art eines Katechismus-Satzes könnte man sagen: Wir glauben nicht an die Himmelfahrt, sondern wir glauben an den durch seinem Heiligen Geist erfahrbaren erhöhten Herrn.
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.
Himmelfahrtsglaube hat der unter uns, der in seinem Leben erfahren hat und erfährt, dass er „mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet" wird. Forschen Sie nach und erinnern Sie sich dankbar, wo Sie im Leben solche Kraft von oben bekommen haben in Situationen, wo Sie nicht damit gerechnet haben. Wenn es überhaupt einen Beweis für den erhöhten und lebendigen Herrn gibt, dann ist es diese Kraft aus der Höhe.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de