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Die Predigt |
Vatertag oder Christi
Himmelfahrt?
Wenn man heute ein Umfrage auf der Straße machen würde,
welchen Tag wir heute haben, dann würden die meisten wohl antworten:
„Vatertag“. Ende des 19. Jh. ist diese Sitte im Berliner
Raum entstanden und hat sich über ganz Deutschland verbreitet.
In anderen Regionen Deutschland wird der Vatertag oft auch „Herrentag“
genannt.
Wenn ich diese Umfrage nach dem heutigen Tag bei Ihnen oder vor einer
Kirche machen würde, bekäme ich natürlich eine andere
Antwort: Wir feiern Christi Himmelfahrt. 40 Tage, so lesen wir es
in der Apostelgeschichte, hat sich Jesus nach seiner Auferstehung
seinen Jüngern noch leibhaftig gezeigt und sie auf die Zukunft
vorbereitet. Dann hat er sich in eine unsichtbare Gegenwart verabschiedet.
Vatertag – Herrentag. Damit kann man jetzt verschieden umgehen:
Man kann jammern über die moderne Zeit, und dass der eigentliche
Inhalt des Feiertags für viele verloren gegangen ist.
Man kann aber auch den Begriff ganz bewusst gegen den Strich bürsten
und ihn positiv aufnehmen: Der Vatertag ist der Tag Gottes, des Vaters,
so wie das kommende Pfingstfest der Tag Gottes, des Heiligen Geistes
ist. Dann würde Himmelfahrt als Vatertag darauf aufmerksam machen:
Wir haben, seit Jesus zur Rechten Gottes sitzt und ihm gleich geworden
ist, einen Gott und Vater im Himmel.
Die Taube und das Heilig-Geist-Loch
Dass viele sich mit dem christlichen Inhalt des Festes schwer tun,
ist ja eigentlich kein Wunder:
An Weihnachten hat man mit dem Kind in der Krippe etwas Sichtbares
und Greifbares für alle Sinne. Mit der Weihnachtskrippe im Haus
lebt auch die Botschaft im Haus. An Ostern ist mit Kreuz und Grab
auch noch Fassbares und Greifbares da. Manche Familien bauen zuhause
auch einen Ostergarten auf. Aber an Himmelfahrt und Pfingsten gibt
es halt nichts mehr für die Hände, die etwas greifen wollen.
Wir tun uns viel schwerer mit dem Er-fassen der Botschaft.
In manchen Kirchen hat man im Mittelalter an Christi Himmelfahrt eine
hölzerne Christusstatue an einem Seil nach oben gezogen, bis
sie in einem Loch in der Kirchendecke verschwunden ist. An Pfingsten
hat man dann stattdessen eine hölzerne Taube herabgelassen. Das
Loch in der Decke hat dann den Namen „Heilig-Geist-Loch“
und ist noch in vielen alten Kirchen erhalten. Wir mögen das
mit der Christusfigur und der Taube heute vielleicht belächeln.
Aber es war nichts anderes als der Versuch, auch diese Feste für
die Sinne greifbarer zu machen.
Diese Sehnsucht, dass man beim Glauben auch etwas Greifbares hat,
hat vermutlich auch mit der Entstehung der Vatertagsbräuche zu
tun, die vielleicht schon viel weiter zurückreicht: Manche sehen
in ihnen eine Art Verweltlichung katholischer Flurprozessionen. Wie
an Fronleichnam ging man andernorts an Himmelfahrt durch die Fluren
und betete um eine gute Ernte. Und schon im Mittelalter endeten diese
Bittgänge mit Tanz, Musik und gemeinsamem Essen. Das ist richtig,
weil Leib und Seele zusammengehören. Aber es kam wie so oft:
Das Feiern blieb erhalten und den eigentlichen Sinn hat man nach und
nach vergessen.
So ist und bleibt Christi Himmelfahrt eine Herausforderung für
den Glauben: Wenn Weihnachten der Tag des kindlichen Glaubens ist,
dann sind Himmelfahrt und Pfingsten sind die Feste des erwachsenen,
des nachdenkenden, des gereiften Glaubens. Der entsteht aber erst,
wenn man den Kinderglauben hinter sich lässt.
Jesus ist weg und doch da
Hören wir noch einmal auf das Evangelium. Da endet der Abschied
Jesu von seinen Jüngern im Lukasevangelium mit den Worten:
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen
hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet
werdet mit Kraft aus der Höhe. 50 Er führte sie aber hinaus
bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. 51 Und
es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen
Himmel. 52 Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem
mit großer Freude 53 und waren allezeit im Tempel und priesen
Gott.
Erst vor kurzen habe ich erfahren, dass nach der Lesung dieses Evangeliums
früher traditionell die Osterkerze ausgelöscht wurde. In
der Osternacht angezündet, ist sie Zeichen der Gegenwart des
Auferstandenen. Und mit Himmelfahrt geht seine 40-tägige Erdenzeit
zu Ende. Wir sollten einmal überlegen, ob wir das auch bei uns
einführen wollen, so wie wir gewohnt sind, nach dem Karfreitagsevangelium
die Kerzen auf dem Altar zu löschen.
Man müsste es natürlich sehr gut erklären, denn es
handelt sich ja um einen ganz anderen Abschied: An Karfreitag ein
trauriger Abschied, der betroffen macht. An Himmelfahrt ein fröhlicher
Abschied: Das Himmelfahrtsevangelium endet mit der Freude der Jünger.
Wie können sie sich Jünger freuen, als Jesus weggeht?
Man kann es nur verstehen, wenn man bei Johannes oder in der Apostelgeschichte
liest, wie Jesus die Jünger auf diesen Abschied vorbereitet hat.
Sie freuen sich, weil sie begriffen haben: Er geht zwar sichtbar und
greifbar weg, um aber auf eine andere Art und Weise umso näher
zu sein. Dazu gehört erwachsener, reifer Glaube.
Kraft zur rechten Zeit
50 Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die
Hände auf und segnete sie.
Wenn auf Erden Menschen sich durch den Tod verabschieden, dann ist
für die Zurückbleibenden der letzte Eindruck sehr entscheidend.
Von Jesus heißt es hier: Segnend hat er sich von seinen Jüngern
verabschiedet. Mitten im Segnen geht er. Er geht, aber sein Segen
bleibt. Als den Segnenden sollen sie ihn immer vor Augen behalten.
Und was sie trotz des Abschieds noch fröhlich und gelassen macht:
Dass Jesus geht, heißt nicht, dass sie nun allein gelassen sind.
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen
hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet
werdet mit Kraft aus der Höhe.
Der Heilige Geist als „Kraft aus der Höhe": Kraft
von oben, die nötige Kraft zur rechten Zeit ist nun Zeichen der
Gegenwart Gottes. Auch dazu gehört erwachsener und reifer Glaube,
der solche Kraft zur rechten Zeit schon erfahren hat.
Machtergreifung und Thronbesteigung
51 Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und
fuhr auf gen Himmel.
Auch dazu gehört erwachsener und reifer Glaube, der nicht am
Vordergründigen hängen bleibt: Himmelfahrt ist ja keine
räumliche Angelegenheit. Himmelfahrt ist nicht Weltraumfahrt.
Gott ist nicht einfach oben über den Wolken, so wie man sich
es früher gedacht haben mag, als man die Erde noch für eine
flache Scheibe hielt. Himmel ist die Welt Gottes, die man nicht mit
räumlichen oder zeitlichen Vorstellungen fassen kann.
Himmelfahrt ist das Fest einer Thronbesteigung. Besser noch, wenn
dieser Begriff durch die deutsche Geschichte nicht so einseitig belastet
wäre, das Fest einer Machtergreifung:
„Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm
untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß." So haben
wir vorhin gesungen. Und: „Gleicher Macht und gleicher Ehren
sitzt er unter lichten Chören über allen Cherubim."
Oder in einem neuen Himmelfahrtslied, das wir anschließend singen:
„Das Reich, in das du wiederkehrst, ist keine ferne Höhe.
/ Der Himmel, dem du zugehörst, ist Herrschaft und ist Nähe.
/ Präg du uns ein, Herr Jesu Christ: Gott ist nicht, wo der Himmel
ist; / wo Gott ist, da ist Himmel.“
Wie können wir also mit einem erwachsenen und reifen Glauben
die Himmelfahrt glauben?
In der Art eines Katechismus-Satzes könnte man sagen: Wir glauben
nicht an die Himmelfahrt, sondern wir glauben an den durch seinem
Heiligen Geist erfahrbaren erhöhten Herrn.
49 Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen
hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet
werdet mit Kraft aus der Höhe.
Himmelfahrtsglaube hat der unter uns, der in seinem Leben erfahren
hat und erfährt, dass er „mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet"
wird. Forschen Sie nach und erinnern Sie sich dankbar, wo Sie im Leben
solche Kraft von oben bekommen haben in Situationen, wo Sie nicht
damit gerechnet haben. Wenn es überhaupt einen Beweis für
den erhöhten und lebendigen Herrn gibt, dann ist es diese Kraft
aus der Höhe. |
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