Das
Meer ausschöpfen Augustinus war Bischof in
Nordafrika. Im 4. Jhd. nach Christus, damals, als
Nordafrika noch christlich war. Augustinus war
auch einer der ersten christlichen Theologen.
D.h. er versuchte, alles, was man in der Bibel
lesen kann, zu einem verständlichen Ganzen zu
verbinden. Von diesem Augustinus wird folgende
Geschichte berichtet:
Er ging am Strand
des Mittelmeers spazieren und kam an einem Kind
vorbei, das am Strand spielte. Es schöpfte mit
großer Geduld mit einem Becher Wasser aus dem
Meer in eine kleine Grube, die es sich in den
Sand gegraben hatte. "Was hast du vor?"
fragte Augustinus das Kind freundlich. "Ich
will das Meer ausschöpfen", sagte der
Kleine. Augustinus musste lächeln, aber er kam
sogleich auch ins Nachdenken. Was er da erlebte,
war für ihn wie ein Fingerzeig für seine
momentanen theologischen Überlegungen: So wenig
es diesem Kind gelingen würde, das Meer
auszuschöpfen, so wenig würde es dem Menschen
jemals gelingen, mit seinem Verstand die
Dreieinigkeit Gottes zu ergründen.
Drei -
einigkeit
Dreieinigkeit
wie soll man das verstehen? Wir glauben an
einen Gott, aber wir glauben an Gott, den Vater,
der uns geschaffen hat und erhält; wir glauben
an Gott, den Sohn, der als Mensch auf dieser Erde
gelebt hat; wir glauben an Gott, den Heiligen
Geist, in dem Gottes Kraft zu uns kommt. Einzeln
macht das keine Probleme, aber wenn man es
zusammenbringen und in ein System packen will. 1
+ 1 + 1 ergibt 3. Aber im Blick auf Gott würde
die Rechnung lauten: 1 + 1 + 1 ist 1.
Bilder als
Krücken
Überall, wo unser
menschlicher Verstand nicht weiter kommt, helfen
wir uns mit Bildern. Das können sprachliche
Bilder sein. Wir sagen z.B.: Gott ist einer, aber
er begegnet uns, er zeigt sich uns auf dreifache
Art und Weise. Das können gedankliche Bilder
sein. Im Mittelalter sagt man z.B.: Gott ist wie
eine Blume, aber die hat Stängel, Blüte und
Duft. Alle zusammen ergeben sie die eine Blume.
Eines allein gibt es nicht.
Oder wir helfen
uns mit gemalten Bildern wie heute auf dieser
Postkarte. Das ist gut und recht. Wenn wir nur
nicht vergessen, dass, was wir sehen, nie die
ganze Wirklichkeit ist. Und so zeigt auch dieses
Bild etwas, was man eigentlich gar nicht zeigen
kann. Es ist eine Art Krücke, eine Geh- und
Sehhilfe für unsere Augen und unser Nachdenken.
Um 1440 ist diese Darstellung der Dreieinigkeit
entstanden. Das Bild hängt in der ungarischen
Nationalgalerie in Budapest. Sie können das
alles der Rückseite entnehmen.
Himmlische
Dinge malen
Wir sehen
Gott-Vater. Er zeigt uns Jesus als
Schmerzensmann. Und über allem schwebt der
Heilige Geist. Und doch wissen wir: Gott kann und
soll nicht gemalt werden, weil ihn jedes Malen
und Darstellen schon festhalten und begreifen
will. Das ist aber auch dem Künstler klar, indem
er alles vor einem goldenen Hintergrund malt.
Dieser goldene Hintergrund sagt in der
christlichen Kunst: Wir sehen himmlische Dinge,
Dinge also, die man eigentlich gar nicht zeigen
kann.
Und so sagt die
Orthodoxe Kirche, die Kirche des Ostens, uns
Christen im Westen mit einigem Recht: Die Frage
nach der Dreieinigkeit ist keine Frage des
theologischen Nachdenkens, sondern eine Frage des
Gottesdienstes, des Betens und des Singens. Redet
nicht so viel über Gott, sondern redet mit ihm.
Und so will ich dieses Bild auch mit Ihnen
singend betrachten. "Brunn alles Heils, dich
ehren wir" ist die Nr. 140 in unserem
Gesangbuch. Singend sollen wir uns Gott nähern,
so sagt die erste Strophe:
1. Brunn alles
Heils, dich ehren wir und öffnen unsern Mund vor
dir; aus deiner Gottheit Heiligtum dein hoher
Segen auf uns komm.
Von der
Traurigkeit Gottes
2. Der Herr,
der Schöpfer, bei uns bleib, er segne uns nach
Seel und Leib, und uns behüte seine Macht vor
allem Übel Tag und Nacht.
Gott, der Vater,
der Schöpfer. Er hält alles in seiner Hand. So
auch auf diesem Bild. Was zuerst auffällt, sind
seine Augen: fragende Augen, traurige Augen. Kann
Gott ratlos sein oder traurig? Um den Künstler
zu verstehen, muss man die Vorgeschichte in der
christlichen Kunst kennen: Darstellungen der
Trinität entstehen erstmals im 12. Jhd. in der
sog. Romanik: Da sitzt Gott majestätisch auf dem
Thron und zeigt dem Betrachter das Kreuz mit
Jesus. "Gnadenstuhl", so nennt man
diese Form in der Kunst. Die darauf folgende
Gotik greift dann das Fragen der Menschen auf:
"Was ist das für ein Gott, der fern von uns
auf seinem Thron sitzt?" "Was ist das
für ein Gott, der seinen Sohn opfert?"
Die Darstellung
der Dreieinigkeit ändert sich Ende des 14. Jhd.:
Gott verlässt seinen Thron. Er kommt den
Menschen entgegen und zeigt ihnen Jesus als
Schmerzensmann. Der Schmerz Gottes wird in den
Vordergrund gerückt. "Not Gottes", so
wird dieses Bild aus Ungarn, das Sie vor sich
haben, auch genannt. Ich schaue ihm in die Augen
und stelle mir vor, wo und wie Gott auch heute
traurig den Kopf schüttelt:
- über Juden und Palästinenser,
- über die Kindersoldaten im Kongo,
- über die Katastrophen, die menschliches
Versagen und Leichtsinn auslösen,
- über die Allmachtsphantasien der
Wissenschaftler, die Gott spielen wollen,
- vielleicht auch über die gegenwärtige
Situation in der Ökumene ...
Wir singen die
zweite Strophe des angefangenen Liedes. ...
Von der
anderen Seite Gottes
3. Der Herr,
der Heiland, unser Licht, uns leuchten lass sein
Angesicht, dass wir ihn schaun und glauben frei,
dass er uns ewig gnädig sei.
Christus als
Schmerzensmann hält uns Gott vor Augen. Der Kopf
ist auf die Seite gefallen. Die Augen sind
gebrochen. Wir sehen die Blutspuren am Kopf, an
der Seite und an den Nägelmalen der Hände.
Dreieinigkeit und Passion eng verbunden. Nicht
die Allmacht Gottes steht im Vordergrund, sondern
seine Menschennähe. Gott ist nicht der
göttliche Tyrann, der gnadenlos seinen Sohn
sterben lässt, sondern er nimmt traurig über
die Menschheit das Selbstopfer seines Sohnes an.
Ja, noch mehr: In Jesus, den Gott uns da
entgegenhält, zeigt Gott nicht einen anderen,
sondern er zeigt sich sozusagen selber. Er zeigt
uns eine Seite an sich, die wir nicht gekannt und
ihm nicht zugetraut haben.
Wir singen die
dritte Strophe des angefangenen Liedes. ...
Von der
Nähe Gottes
4. Der Herr,
der Tröster, ob uns schweb, sein Antlitz über
uns erheb, dass uns sein Bild werd eingedrückt,
und geb uns Frieden unverrückt.
Die Taube, sie
begegnet uns als Friedenstaube in der Geschichte
von Noah, der Sintflut und der Arche. Und sie
begegnet uns in der biblischen Geschichte von der
Taufe Jesu als Symbol für den Heiligen Geist.
Wie eine Taube sei Gottes Kraft auf Jesus
gekommen: unversehens und überraschend, von
oben, aus dem Himmel. Wie eine Taube, die sich
freiwillig niedersetzt, aber sich nicht fangen
und festhalten lässt, wenn wir nach ihr greifen.
Noch mehr Bilder
kennt die Bibel für den Heiligen Geist. Bilder,
die wie bei der Taube nicht beschreiben wollen,
wer er ist, sondern wie er ist: Wie Feuerzungen
setzt er sich in der Pfingstgeschichte auf die
Jüngern und macht sie zu Begeisterten.
Mitreißend erscheint er ihnen wie das Brausen
eines Sturms. Oder wie im heutigen Evangelium:
geheimnisvoll wie ein leiser Wind, den man
spürt, den man aber nicht greifen kann. Auf
unserem Bild setzt die Taube zur Landung an. Der
Heilige Geist ist unterwegs. Ich hoffe, auch zu
uns.
Wir singen die
vierte Strophe des angefangenen Liedes. ...
Nicht
über, sondern mit Gott reden
5. Gott Vater,
Sohn und Heilger Geist, o Segensbrunn, der ewig
fließt: durchfließ Herz, Sinn und Wandel wohl,
mach uns deins Lobs und Segens voll!
Zurück zum Beginn
des Liedes in der ersten Strophe: singend wollen
wir uns Gott nähern. Zurück zur Erkenntnis der
orthodoxen Kirche: Nicht so sehr über Gott
reden, sondern mit ihm und zu ihm. So endet auch
dieses Lied: Verstehen, begreifen, ergreifen und
festhalten können und sollen wir Gott nicht.
Aber um seine Nähe bitten und um seinen Segen.
Dass er uns als Gott, Vater, Sohn und Heiliger
Geist mit seiner Kraft durchfließe und erfülle.
Wir singen die fünfte und letzte Strophe dieses
Liedes.
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