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predigt[e].de

Die Predigt vom 14. Juni 2009 (1. Sonntag nach Trinitatis):
»Gegen das Schwarz-Weiß-Denken«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind die praktischen Taten der Nächstenliebe. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war Jesu Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus und Epistel (2. Lesung) das Bleiben in der Liebe nach dem 1. Johannesbrief:
Predigttext
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Der Predigttext
19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren 21 und begehrte, sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre. 22 Es begab sich aber, daß der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. 24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, und du wirst gepeinigt. 26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, daß niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, daß du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. 30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. 31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde. (Lk 16,19-31)
Predigt
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Die Predigt
Eine Geschichten zum Mitdenken

Der reiche Mann und der arme Lazarus. Eine einfache und klare Geschichte auf den ersten Blick – auf das erste Hinhören. Wenige Personen, klarer Ablauf, verständliche Botschaft. Eine Art soap opera aus alter Zeit unter dem modernen Motto „Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Geschichten von menschlichen Schicksalen wecken Gefühle.
Solche Geschichten wecken beim Zuhören Gefühle. War da vielleicht ein wenig Befriedigung oder gar Schadenfreude: „Recht geschieht's ihm, dem Reichen. Hätte er sich doch um den Armen vor der Haustür gekümmert!"
Vielleicht ist Ihnen unter dem Motto „Gottes Mühlen mahlen langsam aber sicher." gar irgendein Reicher oder Prominenter eingefallen, dem Sie ein solches Ende als göttlichen Ausgleich wünschen würden.
Vielleicht haben Sie aber auch an den letzten Bettler gedacht, der auf der Maxstraße saß oder vor Ihrer Haustür stand. Sie hatten ein wenig übrig für ihn. Oder Sie sind achtlos vorbeigegangen, so als würden Sie ihn nicht sehen.
Vielleicht hat sich auch jemand durch den Ausgang der Geschichte getröstet gefühlt: einer, dem es jetzt schlecht geht, finanziell, gesundheitlich, seelisch, und der gehört hat, dass das nicht Gottes letztes Wort über sein Leben ist.
Vielleicht ist jemand beim Hören aber ganz einfach auch erschrocken, dass es so etwas geben könnte: ewige Qual im Feuer des Gerichts, ewige Verlorenheit – als Möglichkeit für andere … oder gar für uns selbst.

Ganz egal, was Ihnen beim Hören durch den Kopf gegangen ist: Wichtig ist, dass Sie sich und Ihr Leben in dieser Geschichte heimlich irgendwo selbst entdeckt haben. Wichtig ist es, weil Gottes Wort keine unbeteiligten Zuschauer liebt, sondern Menschen, die sich angesprochen fühlen, so oder so.

Reich und arm in der Bibel

Reich und arm – ein beliebtes Thema im Lukasevangelium: Vielleicht erinnern Sie sich an den Reichen Jüngling, der Jesus nachfolgen will, und dem Jesus deutlich macht, dass er sich zuvor erst innerlich lösen muss von seinem Besitz.
Vielleicht erinnern Sie sich an den Reichen Kornbauern, den selbstzufriedenen, dem gesagt wird: Für wen hast du all das angesammelt, wenn du doch morgen dein Leben hergeben musst?
Die Reichen und der Reichtum kommen im Neuen Testament nicht sehr gut weg. Aber – und das muss um der Klarheit willen gesagt werden: Nicht Geld oder Reichtum an sich sind einfach schon Sünde oder gottlos. Sondern einzig und allein die Versuchungen, in die sie Menschen führen können: Selbstsicherheit, Egoismus, falsche Zufriedenheit, Gottlosigkeit.
Denken wir an den reichen Kornbauern: Er wird von Jesus nicht dafür getadelt, dass er viel besitzt. Er wird auch nicht getadelt, dass er seinen Besitz vernünftig und weitblickend anlegt und sichert. Jesus nennt ihn deswegen einen Narren, weil der reiche Mann in seinem Herzen sagt: „Was kann dir in deinem Leben jetzt noch passieren? Nun hast du endlich ausgesorgt." Und dann die Pointe: „Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat, also dass er viel von dem besitzt, was er am Ende nicht mitnehmen kann."
Oder denken wir an den Reichen Jüngling: Jesus tadelt ihn nicht für seinen Reichtum. Es heißt sogar, er gewann ihn lieb in seiner Art. Aber der junge Mann muss schmerzlich erfahren, wie ihn sein Reichtum unfrei und ängstlich macht, und ihn hindert, loszulassen und neue Schritte zu tun.

Das ist auch unsere Geschichte

Ähnlich auch hier in dieser Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus: Egoistisch und selbstzufrieden machen den Reichen sein Reichtum, so dass er den übersieht, der vor seiner Tür liegt und nicht nur mit Resten abgespeist werden möchte wie ein Hund. Er übersieht ihn und meint, ihn nicht zu brauchen. Ja, wie er ihn braucht, sieht er erst dann, wie er ihn dann in seiner eigenen Not um Hilfe bittet.

Vielleicht haben Sie inzwischen gespürt: Das hier ist keine alte, irgendwann einmal geschehene Geschichte von zwei irgendwelchen Männern zu irgendeiner Zeit mit uns als unbeteiligten Zuschauern. „Ein reicher Mann" heißt es und es ist kein bestimmter gemeint. Und genauso auch kein ganz bestimmter Lazarus, wenn man weiß: Lazarus heißt auf Deutsch „Gott hilft". Lazarus, das ist zu allen Zeiten und an allen Orten der, der meine Hilfe braucht, und dem sie von Gott versprochen wird, wenn ich mein Herz verhärte.
Wenn wir also keine Zuschauer sein und uns fein heraushalten können, wer sind wir dann in dieser Geschichte: Der Reiche oder der Arme? Wo stehen wir? Inwiefern ist es auch unsere, meine und deine Geschichte?
Sind wir der Reiche: Wir im reicheren Westen unseres wirtschaftlich immer noch geteilten Landes? Wir im reicheren Westen Europas? Wir im reichen Norden dieser einen Erde, von dessen Überfluss und Abfällen die 3. Welt im Süden so recht und schlecht am Leben bleibt? Wenn es einfach nur um ausgleichende Gerechtigkeit ginge, dann würden die Entwicklungsländer einmal in Abrahams Schoß sitzen und wir Europäer allesamt im Feuer schmoren.
Aber was ist dann mit den neuen Armen unter uns: Menschen, die durch die Wirtschaftskrise, durch einen plötzlichen Arbeitsplatzverlust auf einmal unverschuldet zu den Armen gehören?
Hier die Reichen, da die Armen. Hier die Bösen, da die Guten. Hier schwarz, da weiß. So einfach und klar wie die Geschichte, so einfach und klar wie manche Vorabendserie ist das Leben einfach nicht.

Ewig in der Hölle schmoren?

Und dann noch die Sache mit dem letzten Gericht: Ist es bei aller Schadenfreude über die Bösen überhaupt ein erstrebenswertes Ziel, am Busen Abrahams (so heißt es wörtlich) zu sitzen und genüsslich auf die Schmorenden zu meinen Füßen hinunterzublicken? Soll das der Himmel sein, wenn nicht einmal dort die Schadenfreude aufhört über die anderen, die hier mehr hatten als ich? Und: Will ich es überhaupt jemand wünschen, am Ende auf ewig braten zu müssen, ganz abgesehen davon, dass ich ja vielleicht derjenige sein könnte?

Ewige Pein oder Abrahams Busen. Um seine Hörer aufzurütteln, trägt der Evangelist Lukas sehr dick auf und beschreibt die Folgen sehr drastisch. Er greift dabei auf jüdische Vorstellungen und Bilder seiner Zeit zurück. Aber Lukas ist nicht „die“ Bibel. Wir lesen auch anderes, wenn es darum geht, wie uns am Ende Gerechtigkeit widerfährt. Es würde zu weit führen, alle diese verschiedenen Vorstellungen jetzt zusammenzutragen. Eine nur will ich noch nennen, weil sie ähnlich ist wie diese hier und doch deutlich verschieden: Auch für den Apostel Paulus gehört zum Tag des Gerichts über alle Menschen (wohlgemerkt alle) der Gang durchs Feuer, wenn er sagt:
„Von welcher Art eines jeden Werk ist, wird am Ende das Feuer erweisen: Wird dann jemandes Werk verbrennen, so wird er zwar Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch." (1. Korinther 3,15)
Bei Paulus also nur ein zeitlicher, ein läuternder Durchgang durch das Feuer, nicht ewige Hölle und ewige Pein. Aber genauso wie bei Lukas die klare Botschaft: Es ist nicht egal, wie du lebst. Du wirst einmal gerade stehen müssen.

Damit Menschen aufmerksam werden, muss man Dinge manchmal halt sehr drastisch und übertrieben darstellen. Denken Sie nur an den Struwwelpeter, dessen Erfinder Heinrich Hoffmann vor 200 Jahren geboren wurde. Wenn der Suppenkaspar stirbt, wenn die bösen Buben ins Tintenfass gesteckt werden, wenn der Zappelphilipp alles vom Tisch herunter reißt, dann ist das ganz schön heftig. Aber eigentlich geht es um die Botschaft. Ganz moderne Themen übrigens: Magersucht, Ausländerfeindlichkeit, Hyperaktivität.

Wir haben nur dieses eine Leben

Wenn ich also das einfache Schwarz-Weiß-Denken beim Reichen Mann und armen Lazarus einmal außen vor lasse, dann bleiben für mich zwei Botschaften:
Zum einen: Dieses Leben hier ist nur der erste Teil des ganzen Lebens. Was jetzt ungerecht scheint, ist noch nicht das Ganze. Gott wird Gerechtigkeit schaffen.
Und zum zweiten: Wie ich jetzt hier und heute mein Leben führe, ist nicht gleichgültig für das, was aus mir einmal wird. Nur dieses eine Leben habe ich vor Gott und ich soll es ganz ernst nehmen. Ich werde einmal dafür gerade stehen müssen.

Das ist ja die größte Gefahr der Vorstellung von der sog. Reinkarnation, von der Wiedergeburt, von der Vorstellung also, ein Mensch lebe öfter auf dieser Erde, und hätte dadurch immer wieder eine neue Chance, sich zu vervollkommnen. Ganz abgesehen davon, dass diese Vorstellung, nach diesem Leben gar nicht zur Ruhe kommen zu dürfen, gar nicht so einladend ist; sie nimmt diesem Leben hier den Ernst und die Einmaligkeit vor Gott. Nein, so betont es die Bibel unzweifelhaft im Guten und im Bösen: Bei dem, was ich hier und jetzt tue und nicht tue, will Gott mich behaften. Jetzt schon und rechtzeitig soll und muss ich meinen Leben eine Richtung geben. Ich soll nicht wurstig damit umgehen so auf die Art: Dann probieren wir’s halt ein zweites oder drittes Mal.

Gott meint es ernst mit meinem Leben

Gott meint es ernst mit meinem Leben. Das ist der Kern dieser Geschichte. Gott meint es ernst mit mir im Guten wie im Bösen. Was hier vom reichen Mann gesagt wird, gilt mir, und auch was vom armen gesagt wird. Ich bin beides in den je verschiedenen Situationen meines Lebens: der arme und der reiche. Gott will mich trösten, aber auch mahnen. Gottes Wort ist mir Gesetz und auch Evangelium, so sagen es die Theologen. Es ist mir zugleich Forderung und Trost:

Wenn ich reich bin, zufrieden, glücklich, gesund; wenn ich einmal alles habe für einen Moment, dann ruft mir Gott zu:
Wiege dich nicht in falscher Sicherheit. Vergiss nicht den Menschen vor deiner Tür. Denk nicht, du bräuchtest niemand und kämst alleine aus. Und vor allem: Vergiss nicht, wer dir dies alles schenkt.
Und wenn ich einmal arm, unglücklich, am Boden und verlassen bin, ruft mir Gott zu:
Denk dran, dass das, was jetzt geschieht nicht das letzte Wort ist. Sieh nicht neidisch auf den äußeren Reichtum, den andere haben. Suche den Reichtum, der wirklich zählt. Denke nicht, dass du endgültig vergessen wärest. Es gibt vor Gott noch eine Gerechtigkeit.
Gott meint es erst mit mir. Gott sei Dank.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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