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predigt[e].de

Die Predigt vom 21. Dezember 2003 (4. Advent):
»Warum feierst du eigentlich?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 4. Sonntag im Advent. Sein Thema ist die Vorfreude auf die Nähe Gottes. Evangelium dieses Sonntags ist der Lobgesang der Maria aus Lukas 1. Epistel und Predigttext (s.u.) war der Aufruf des Paulus zur Freude aus Philipper 4:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5 Eure Güte lasst kundsein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
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Die Predigt

Weihnachten: Ein Grund zur Freude?

Vorgestern habe ich eine Frau auf der Straße getroffen. Sie ist seit drei Jahren verwitwet und nun allein im Haus. Der Sohn holt sie an Weihnachten. Das ist klar. Aber die langen Abende! "Gesegnete Feiertage" oder so ähnlich habe ich ihr am Ende des Gesprächs gewünscht. Und was hat sie geantwortet: "Ja, wenn's nur schon vorbei wär."


4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet
euch! 5 Eure Güte lasst kundsein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in
Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7 Und der
Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.


Ja, bei der Frau war so gar nichts von dieser vorweihnachtlichen Freude. Freude, dass das Fest nahe ist. Freude, dass Gott nahe ist. Auch der doppelte Aufruf des Paulus hilft da wahrscheinlich nicht viel. Weihnachten erinnert sie an andere Zeiten, die nicht mehr wiederkommen. Weihnachten erinnert sie an ihr Alleinsein.

4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet
euch! 5 ... Der Herr ist nahe!


Die Kinder andererseits und - Gott sei Dank - auch viele Erwachsene braucht man zu dieser Freude nicht zweimal aufzurufen. Da ist freudige Ungeduld: Freude auf die arbeitsfreie Zeit, Freude auf die Geschenke, Freude auf den
kommenden Besuch, Freude auf das festliche Essen, Freude auf glitzernden Kinderaugen, Freude auf die weihnachtlichen Lieder, Freude auf den Gottesdienst und alles, was Herz und Gefühle anrührt.
Aber: Ist es wirklich die Freude des Paulus, dass Gott ganz nahe kommt?

Warum feierst du eigentlich?

Wenn das doch Weihnachten als Geschenk bringen könnte: Der einsamen Frau das feste Wissen und die getroste Erfahrung, dass Gott ihr bei aller menschlichen Einsamkeit ganz nahe ist. Dass sie eben nicht allein ist.
Und denen mit Vorfreude auf alle die Stimmung und Gefühle die heilsame Frage: Warum feierst du eigentlich?
Dass vielen unserer Zeitgenossen die tiefere Bedeutung von Weihnachten immer mehr verloren gehe, dass es vor allem um Lichterketten, Stimmung und winterlich Wellness gehe, konnten wir in der Wochenendausgabe der Zeitung lesen.
Ich sage das nicht resigniert. Es ist für mich mehr ein heilsamer Aufruf, mich selber immer neu zu besinnen und andere zur Besinnung zu rufen: "Vergiss nicht, warum du feierst. Vergiss nicht, warum du dich freust." Paulus
sagt es uns in aller Deutlichkeit, eindringlich und unmissverständlich:
4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5 ... Der Herr ist nahe!

Weihnachten: Das Fest der Nähe Gottes

Weihnachten ist das Fest der Nähe Gottes. Näher kann Gott uns Menschen nicht kommen, als dass er selber Mensch wird. Näher kann Gott nicht kommen, als dass er ein verletzliches Kind wird. Ein von den Eltern nicht geplantes, ein an seinem Geburtsort nicht willkommenes, ein kurz nach seiner Geburt schon verfolgtes. Ein Kind, das von Anfang an den Ernst des Lebens kennengelernt hat.
Wenn es stimmt, dass nur der einen anderen recht verstehen kann, der dasselbe schon erlebt hat, dann gilt das für dieses Kind, dessen Leben
in einem Futtertrog beginnt und am Kreuz endet. Es kennt die menschliche Freude, es kennt aber auch alle Einsamkeit, alle Widersprüche, alle
Unfertigkeiten und alle Schmerzen.

Richtige Freude, nicht nur gute Laune

Nur deswegen kann Paulus sagen: "Freut euch in dem Herrn allewege!" Also: jederzeit, in jeder Situation. Die Gemeindeglieder in der griechischen Stadt Philippi, die das lesen, empfinden das nicht als zynisch: So auf die Art "Du hast gut reden!" Denn sie wissen, dass Paulus, als er diese Zeilen schreibt, selber im Gefängnis sitzt. Die Lebensfreude, von der er spricht, ist also nicht einfach nur die gute Laune, die launisch davon abhängig ist, wie gut oder schlecht der Tag ist. Es ist die Freude, die aus der Erfahrung kommt: Gott ist mir nahe. Egal wann und egal wo.

Weil das nicht alle Menschen erfahren, nimmt Paulus seine Gemeindeglieder in die Pflicht. "Ihr müsst mit eurem Leben von dieser Freude, die aus der Nähe Gottes kommt, erzählen. Ihr müsst mit eurem Leben predigen:"
5 Eure Güte lasst kundsein allen Menschen!


Ansteckende Freude

"Eure Güte lasst kundsein." Kund, bekannt, hörbar und sichtbar. "Seid ansteckend! Tut etwas dazu, dass andere sich auch freuen können." "Eure Güte lasst kundsein." Da steht im Griechischen ein schillerndes Wort, das man nicht leicht übersetzen kann. In der alten Lutherübersetzung hieß es noch: "Eure Lindigkeit lasst kund sein". Eine Mischung aus Güte, Milde,
Freundlichkeit, nicht recht haben müssen, sich nicht durchsetzen müssen.
Ich bin dankbar für jeden solche gütigen, herzlichen Menschen unter unseren
Gottesdienstbesuchern und Mitarbeiterinnen. Wir haben sie. Und sie bewirken etwas. Herzlichkeit, Offenheit, Freundlichkeit und eine Umarmung im rechten Moment, das ist wie Weihnachten, wie die gelebte Nähe Gottes.
Für manchen Mitmenschen ist die weihnachtliche Botschaft von der Nähe Gottes vielleicht solange unglaublich oder vielleicht sogar ein Hohn, wenn er diese Nähe nicht von Menschen erfährt. Was hilft es einem Menschen,
wenn ich ihm fromm predige: "Gott ist dir nahe." Und ich selber bin's ihm nicht?

Gott: nur ein Gebet weit weg

Und Paulus geht noch einen Schritt weiter: "Macht auch für euch persönlich damit Ernst, dass Gott euch nahe ist:" Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Rechnet mit seiner Nähe. Rechnet damit, dass er zuhört. Rechnet damit, dass er ein offenes Ohr hat. Rechnet damit, dass er höchstens ein Gebet weit von euch entfernt ist. Rechnet mit ihm "in allen Dingen", also in jeder denkbaren Situation, bei jedem denkbaren
Anliegen.
Und: Wenn ihr bittet, dann vergesst darüber das Danken nicht. Nicht weil Gott eure Dankbarkeit nötig hätte. Ihr habt das Danken nötig: Es ändert die Lebenseinstellung. Wer betet, überlässt das Sorgen Gott. Also: Macht euch keine Sorgen.

Die höhere Logik von Weihnachten

Und dann breitet Paulus zum Ende seines Grußes sozusagen bildlich die Arme aus: 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Der Weihnachtsfrieden ist höher als unsere Vernunft. Er übersteigt unsere Vernunft, unsere Logik und unsere Vorstellungskraft. Keine andere Religion, kennt einen Gott, der sich den
Menschen gleich macht und ihnen nahe kommt. Gott, der ein Mensch wird, der klein und schwach wird: Schon für den jüdischen Glauben eine
Zumutung, für den Islam eine Gotteslästerung.

Wer sich auf diese Unvernunft, oder besser: Wer sich auf diese höhere Logik einlässt, wer kindlich zu glauben bereit ist, der findet Frieden für Herz und Sinn, für Gefühle und Verstand.
7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure
Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de