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Die Predigt |
Eine schöne
Predigt!
Ich freue mich natürlich, wenn sich am Ende eines Gottesdienstes
jemand für die Predigt bedankt. Oder wenn ich ganz allgemein
gesagt bekomme, es sei schön gewesen. Ich freue mich –
rein menschlich gesehen.
Aber geistlich gesehen ist mir nicht ganz wohl in meiner Haut: Es
sei schön gewesen, das kann man ja auch so verstehen, dass ich
zwar verständlich, aber doch sehr brav geredet habe, dass ich
mit meinen Worten niemand gestört, niemand geärgert oder
niemand weh getan habe, dass ich getröstet und gestärkt
habe, dass alles gut ist und so bleiben kann, wie es ist. Getreu dem
Faschingsschlager „Wir kommen alle alle alle in den Himmel,
weil wir so brav sind.“
Im Evangelium fragt der reiche Mann: „Müsste man die Menschen
nicht viel intensiver vor den Folgen ihres Lebensstiles warnen?“
Oder die Propheten des Alten Testamens haben heftig gewettert über
die Geistlichen ihrer damaligen Zeit, die den Leuten gesagt haben:
„Passt schon alles.“ Worte des Propheten Jeremia aus dem
23. Kapitel: (Text siehe oben)
Predigt als Beschwichtigung?
Könnte es nicht sein, dass das, was Jeremia über die falschen
Propheten und ihre Hörer sagt, uns hier und heute trifft:
17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch
wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln,
sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
Könnte es nicht sein, dass mich dieses Wort trifft, weil ich
eher brav rede und tröste, weil Gerichtsbotschaft und Aufrütteln
nicht so sehr meine Sache ist, und ich Sie als Hörer damit in
dem Glauben lasse, es sei ja alles nicht so schlimm?
Könnte es nicht sein, dass Sie dieses Wort trifft, weil Sie im
Gottesdienst zwar gut zuhören, auch freundlich nicken, aber sich
letztlich in Ihrem Leben durch eine Predigt nicht viel ändert?
Besser eine Gerichtspredigt?
Ein anderes Beispiel: Wie geht es Ihnen, wenn Sie einem der altertümlichen
Gerichtsprediger begegnen, auf dem Markt oder unten an der Rotmainhalle,
vorne ein Plakatkarton, hinten ein Plakatkarton. Er wettert über
die verruchte moderne Zeit, über die lasche Kirche, und dass
Gott vielleicht morgen schon vor der Tür steht. Hören Sie
ihm zu? Nehmen Sie ihn für voll? Und er sagt eigentlich nicht
viel anderes als Jeremia:
19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein
schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. 20
Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte,
was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.
Wenn es also so wäre, dass man einem Pfarrer ganz gern zuhört,
weil er schön redet und einen dabei nicht sehr stört, und
einem Gerichtsprediger nicht zuhört, ihn nicht ernst nimmt und
eher verlacht - wenn es also so wäre, dann müssten wir alle
uns überprüfen: die Pfarrer und die Predigthörer.
Als Kennzeichen des Wortes Gottes, und das soll ja in der Predigt
zur Sprache kommen, werden hier ja gerade genannt: es ist nicht bequem,
es beschwichtigt nicht, es belässt die Menschen nicht beim Alten,
es wirkt lebensändernd und aufrüttelnd.
Gottes Wort oder menschliche Ideen?
Wird also in unserer Kirche Wort Gottes verkündigt? Kommt Gott
selber zur Sprache oder nur menschliche Gedanken? Das ist die Gretchenfrage
des Propheten Jeremia.
Er selber, Jeremia, war ja damals der vollsten Überzeugung, dass
er im Gegensatz zu den anderen Propheten im Namen Gottes redet. Er
hatte sich diese Aufgabe nicht selbst ausgesucht. Er hat sich nach
dem Prophetenamt nicht gedrängt, sondern sich von Gott geradezu
überredet gefühlt. Die Worte Gottes überfielen ihn
geradezu. Er konnte nicht anders als sie weitersagen. Bei den anderen
dagegen fand er nur menschliche Worte und Gedanken, eigene Ideen,
Beschwichtigung, kurz gesagt, alles was die Zuhörer gerne hören
wollten.
25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge
weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir
hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören,
die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen,
dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen,
die einer dem andern erzählt. 28 Ein Prophet, der Träume
hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige
mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? spricht
der HERR.
Wer sagt heute die Wahrheit?
Diese unerschütterliche Gewissheit des Jeremia, dem egal war,
was die Leute von ihm sagten, habe ich nicht. Gewiss, ich vertraue
darauf, dass der Heilige Geist am Werk ist, wo ich, wo andere Pfarrer
heute morgen in dieser Kirche reden. Aber „Gott mit mir“,
das können wir doch nur mit einer gewissen Zurückhaltung
sagen. Jeremia ganz deutlich:
18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort
gesehen und gehört hätte?
Ich spüre solche Unsicherheit über den richtigen Weg auch
bei den Fragen der heutigen Zeit: Wo sind die wegweisenden Botschaften?
Auf der Seite der Politiker, Wissenschaftler und Experten, die uns
sagen, es sei ja alles gar nicht so schlimm und mit der richtigen
Politik und der Freiheit des Marktes könne man es schon in den
Griff bekommen? Oder ist das Wort Gottes eher bei denen, die vehement
zur Umkehr rufen, sich hungerstreikend für den Erhalt von Arbeitsplätzen
einsetzen, sich im Regenwald auf Bäume setzen oder sich bei Giftmüllschiffen
an den Bug anketten, sich gegen große Staudammprojekte einsetzen
und dafür zum Krüppel geschlagen werden?
Wir brauchen dringend Wegweisung – politisch und im persönlichen
Leben. Jede Zeit neu braucht solche Wegweisung. Und wir sind als Christen
überzeugt, dass wir sie im Wort Gottes finden. Aber wo ist Gottes
Wort? Wo sind wegweisende und hilfreiche Worte eher zu finden sind
und wo nicht? Andeutung aus dem Predigttext:
Worte müssen durch und durch gehen
Zum einen: Wort Gottes wird da gesagt, wo Worte bei einem Menschen
durch und durch gehen:
29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie
ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben,
aber wir können sie nur hören, wenn wir bereit sind, uns
von Gott provozieren zu lassen. Gottes Wort ist nicht bequem und unverbindlich.
Deswegen müssen wir die Worte von Menschen, die Predigten der
Pfarrer und die Äußerungen der Politiker daraufhin abklopfen:
Sind sie nur schön und wohlklingend oder gehen sie zur Sache,
treffen sie den Kern, haben sie Überzeugungskraft? Beruhigen
sie nur oder beunruhigen sie auch?
Worte müssen kritisch sein
Zum zweiten: Gottes Wort wird da gesagt, wo Menschen auf einen falschen
Weg aufmerksam werden:
22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten
sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen
Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben,
aber wir können sie nur dann hören, wenn wir bereit sind,
uns von Gott in Frage stellen zu lassen.
Jede Predigt, jede Bibellesung, jedes Gespräch mit einem anderen
Christen ist fruchtlos, wenn ich nicht die Frage zulasse: Wo bin ich
hier gemeint? Wo muss ich umdenken? Wo muss ich mich vielleicht ändern?
Worte müssen ernst sein
Zum dritten: Gottes Wort wird da gesagt, wo von Gott nicht billig,
sondern mit ganzem Ernst geredet wird:
23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht
auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich
verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe? spricht der HERR.
Wir brauchen wegweisende und hilfreiche Worte für unser Leben,
aber wir können sie nur dann hören, wenn wir bereit sind,
Gott ernst zu nehmen. Gewiss ist Gott der liebe Gott, der, der mit
seiner ganzen Liebe auf uns zukommt und um uns wirbt, aber er ist
nicht der Gott, den man einen lieben, guten Mann sein lassen kann.
Einer, der einem nichts tut und gefälligst auch nichts tun darf.
Worte müssen ehrlich sein
Zum vierten und letzten: Gottes Wort wird da gesagt, wo Gottes Name
in Erinnerung gerufen wird und die Abgötter beim Namen genannt
werden:
26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge
weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein
Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer
dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen
über dem Baal?
Baal, der Gott der kanaanäischen Ureinwohner, war der große
Gegenspieler Gottes zur Zeit der Propheten des Alten Testaments. Ihm
haben sich damals viele zugewandt, weil er ihre Bedürfnisse bequemer
erfüllte. Ein Gott der Lust, ein Gott der Ausgelassenheit, ein
Gott der Lebensfreude war er; aber damit auch ein Gott, der immer
nur für den Moment befriedigte.
1. Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen
Götter neben mir haben!“ Wo heute die Baale sind, die einen
zwar für den Moment befriedigen, aber letztlich keinen tragenden
Lebenssinn vermitteln, das muss ein jeder bei sich selbst überprüfen.
Bitten wir also darum, dass in unserer Kirche Wort Gottes verkündigt
wird und nicht menschliche Gedanken. Bitten wir auch um Offenheit,
damit uns das Wort Gottes auch verunsichern und weiterführen
kann. |
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