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Die Predigt vom 5. November 2007 (Reformationsfest):
»Entweder oder«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging am Sonntag nach dem 31. Oktober das Reformationsfest. Sein Thema ist der Grund des Glaubens. Evangelium (1. Lesung) waren die Seligpreisungen Jesu und Epistel (2. Lesung) die Rechtfertigung allein aus Glauben. Der Predigttext dieses Sonntags waren Worte der Paulus aus dem Brief an die Galater Kapitel 5:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! 2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. 3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. 4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. 5 Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. 6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
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Die Predigt
Die Freiheit des Glaubens

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ So fasst Paulus seine Botschaft zusammen. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit:“ Weil Christen nur einen Herrn haben, können alle anderen, die auch gerne Herren sein möchten, ihnen nichts anhaben. Wer fest auf Gott vertraut, hat alles und braucht nichts darüber hinaus zu seiner Seligkeit und inneren Zufriedenheit.

Die Christen in Galatien

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Diesen Satz hat Paulus damals in einem ganz bestimmten Zusammenhang geschrieben. Paulus schreibt an die Galater, also an Christen in der Landschaft Galatien. Heute wäre das mitten in der Türkei, wo es praktisch keine Christen mehr gibt. Auf seiner 2. Missionsreise hatte Paulus dort als Wanderapostel Gemeinden gegründet. Menschen waren durch ihn zum Glauben und Christus gekommen. Bei seiner 3. Missionsreise ist er noch einmal bei ihnen vorbei gekommen. (In fast allen Bibeln befindet sich hinten eine Karte mit dem damaligen Mittelmeerraum, in dem diese Reisen des Paulus eingezeichnet sind.)
Und dann kommen nach seinem letzten Besuch andere Apostel in die Gemeinde: Christen, die vorher Juden gewesen sind. Und sie predigen den Christen dort in Galatien, die vorher nie etwas mit dem Judentum zu tun hatten: Ihr könnt nur gerettet werden, wenn ihr auch die wichtigsten jüdischen Gesetze einhaltet, Speisegebote z.B., wie das Schweinefleischverbot, bestimmte Feiertage, und v.a. wenn ihr euch zum Zeichen des Bundes mit Gott beschneiden lasst.

Es geht ums Ganze

Das kommt Paulus zu Ohren und er schreibt den Christen dort einen harten und unmissverständlichen Brief, der uns als der sog. Galatarbrief erhalten ist. Nach einer kurzen Begrüßung heißt es in diesem Brief:
6 Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, 7 obwohl es doch kein andres gibt; nur dass einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. 8 Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. (Gal 1,6-8)
Unmissverständlich: Christus allein genügt. Jede andere Botschaft ist ein anderes, ein falsches Evangelium. Und dann im 5. Kapitel die Worte für heute:
5 1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! 2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. 3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. 4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen. 5 Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. 6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Die geschenkte Gerechtigkeit

Harte Worte, denn für Paulus geht es ums Ganze, es geht Leben und Seligkeit. Paulus, der geborene Jude, hatte durch seine Bekehrung erlebt: Es gibt zwei Wege zu Gott: Den Weg des Alten Testaments, über das Einhalten des Gesetzes vor Gott gerecht zu werden. Und es gibt den Christusweg, den er selber vor Damaskus am eigenen Leib erlebt hat: Gott ist mir gnädig, ohne dass ich mir es erarbeitet habe. Und seine Erfahrung haben es ihm bestätigt: Man musste nicht Jude gewesen sein, um Jesus Christus als seinen Retter anzunehmen und den Heiligen Geist zu empfangen. So war es auch bei den Galatern. Und daran erinnert er sie:
O ihr unverständigen Galater! Wer hat euch bezaubert, denen doch Jesus Christus vor die Augen gemalt war als der Gekreuzigte? Das allein will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben? (Gal 3,1-2)

Der Weg der eigenen Gerechtigkeit

Mit anderen Worten gibt es nur zwei mögliche Wege: Sich aus eigener Kraft die Liebe und Annahme Gottes erarbeiten wollen. Und: Sich das Heil von Gott schenken lassen in dem Wissen, dass ich nie mit meiner Leistung vor ihm bestehen kann.
Das eine geht nicht mit dem anderen zusammen, schreibt Paulus den Galatern: Wenn ihr, die ihr Christus schon angenommen habt, nun meint, ihr könntet da noch ein i-Tüpfelchen draufsetzen, indem ihr auch noch das eine oder andere jüdische Gesetz einhaltet und euch beschneiden lasst, dann braucht ihr Christus nicht mehr.
4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.
Entweder ist das Heil in Christus geschenkt. Dann ist das endgültig und 100-prozentig. Und euch fehlt nichts. Oder ihr lasst euch auf den alten Weg der eigenen Leistungen und Verdienste ein, dann braucht ihr Christus nicht mehr. Aber dann müsst ihr wissen: Wenn ihr es aus eigener Kraft schaffen wollte, dann müsst ihr 100-prozentig sein, müsst alle jüdischen Gesetze einhalten und nicht nur auf ein paar.
3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.

Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Worte aus einer anderen Welt, die wir hier lesen. Ich weiß. Die Warnungen im Blick auf die Beschneidung und die Gesetze des Alten Testaments haben mich uns heute nichts mehr zu tun. Es gibt unter uns niemand, der auf diese Weise meint, vor Gott gerecht werden zu können.
Aber was dahinter steht, bleibt aktuell, solange es Menschen gibt: Luthers Frage: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? Oder: Was muss ich tun, dass Gott mich annimmt? Was muss ich tun, damit ich inneren Frieden finde?
Luther hat es persönlich in seinem Leben erfahren, was Jesus so deutlich erzählt hat, z.B. im Gleichnis vom verlorenen Sohn: Erarbeiten und verdienen kannst du dir Gottes Liebe nicht. Doch wenn du sie von Herzen suchst, dann schenkt er sie dir.
Wenn du dich aber hinstellen solltest: Um Gottes Liebe betteln? Mit leeren Hände vor ihn hintreten und mich beschenken lassen? Wer bin ich denn? Ich bin ein anständiger Mensch. Ich habe immer mein Bestes gegeben. Ich bin noch mit der gleichen Frau verheiratet. Ich habe noch niemanden umgebracht, usw. usw. Ist das nichts, lieber Gott?
Dann brauchst du eigentlich Gott überhaupt nicht. Dann hast du die Freiheit des Glaubens noch nicht geschmeckt.

Herrliche Freiheit

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Paulus an die Galater und auch an uns: Sich von Gott beschenken lassen, bringt eine riesige Freiheit mit sich: Ihr seid nur Gott verpflichtet und niemand anderem. Was euer Nachbar sagt, kann euch egal sein, wenn ihr mit Gott im Reinen seid. Auch was die sog. Frommen, die manchmal Überfrommen sagen. Auch was „man“ so sagt und was angeblich „in“ ist: Mode, Zeitgeschmack, es braucht euch nicht zu belasten. Wenn ihr euch davon irre machen lasst, dann verscherzt ihr diese Freiheit des Glaubens und dann müsst immer nur der neuesten Mode, dem neuesten Gerede, dem billigsten Preis der Stadt und dem höchsten Jackpot aller Zeiten hinterherlaufen.

Nicht Freiheit von ..., sondern Freiheit zu ...

Freiheit aus dem Glauben heraus. Freiheit, weil Gott mich annimmt, wie ich bin: Heißt das nun: Die ganze Welt kann mir egal sein. Ich kann machen, was ich will. Nichts verpflichtet mich mehr. Nichts belastet mich mehr. Keiner kann mich mehr, aber alle können mich mal. Nein, diese Freiheit meint Paulus nicht:
6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Oder weil es gerade am Reformationstag angebracht ist, auf Luthers Auslegung der Bibel zu hören. Er sagt zu diesem Thema Freiheit:
"Damit wir gründlich erkennen können, was ein Christenmensch sei und wie es um die Freiheit beschaffen sei, die ihm Christus erworben und gegeben hat, davon Paulus viel schreibt, will ich diese zwei Leitsätze aufstellen: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen (1520)

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.“ Das ist Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“
Aber da ist im gleichen Atemzug auch das andere: Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Die Freiheit, die uns als Christen geschenkt ist, ist keine egoistische Freiheit. Sie entlässt uns nicht aus der Verantwortung. Ich habe Verantwortung. Verantwortung für mich selbst: wie ich mit meinen Leib und meiner Gesundheit umgehe. Und ich stehe in der Verantwortung für meinen Nächsten, für meinen Mitmenschen.
Und da tue ich mein Bestes. Aber das tue ich, sagt Luther, nicht um vor Gott gut da zu stehen, um heimlich wieder etwas zurück zu bekommen, um Lob zu ernten oder mir selber innerlich auf die Schultern zu klopfen. Nein, ich tue es, weil es einfach aus dem Herzen kommt. Ich tue es von innen heraus, so wie ein guter Baum gute Früchte bringt.

Als von Gott Beschenkter beschenke ich andere. Als einer, mit dem Gott gnädig umgeht, gehe ich mit anderen gnädig um. Als einer, den Gott vorbehaltlos annimmt, nehme ich andere an. Als einer, zu dem Gott ja sagt, sage ich ja zu mir selbst und zu anderen.
Als innerlich Befreiter die Freiheit für andere haben. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de