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Die Predigt vom 31. Dezember 2006 (Altjahrsabend):
»Dreimal drei Minuten verändern das Leben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Altjahrsabend. So heißt der letzte Tag des Jahres im kirchlichen Sprachgebrauch. Sein Thema ist die Gnade und Begleitung Gottes. Evangelium (1. Lesung) war der Hinweis auf Gottes überraschendes Kommen und Epistel (2. Lesung) die Gewissheit des Paulus, dass nichts uns von ihm trennen kann. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Johannes 8:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. 33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? 34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. 35 Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. 36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.
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Die Predigt
Mehr Freiheit im Neuen Jahr

Silvester, Altjahresabend. Der Tag, wo die meisten innehalten und auf ihr Leben schauen. Zurück ins zu Ende gehende Jahr. Voraus ins Kommende.
Silvester. Der Tag, wo sich mancher etwas vornimmt. Wir wissen nicht, was das Jahr bringen wird. Aber was die eigenen Gewohnheiten angeht, könnte man vielleicht doch dem Leben eine etwas andere Richtung geben.
Wenn Menschen sich etwas vornehmen für ein neues Jahr, dann hat das oft mit Freiheit und Gebundenheit zu tun: Bindungen loswerden und mehr Freiheit finden. Freiheit von Dingen, die einen abhängig machen. Freiheit von Dingen, die einen binden: Zigaretten vielleicht, Alkohol, andere Suchtmittel. Zu viel oder falsche Ernährung. Zu wenig Sport. ...
Mehr Freiheit: Nicht so sehr darauf schauen, was man so tut, was man so kauft. Entdecken, was wichtig ist und was nicht so wichtig ist.
Mehr Gelassenheit: Frei werden vom Urteil anderer. Seinen eigenen Weg finden.

Freiheit in der Bindung an Gott

„Von guten Mächten wunderbar geborgen ...“ So hat Bonhoeffer zu Silvester 1945 an seine Familie aus dem Gefängnis gedichtet. Zum Bonhoefferjahr hatten wir diese Worte hier in der Kirche hängen. Dietrich Bonhoeffer war nicht frei, nein. Aber doch klingt aus seinen Worten so viel innere Freiheit, so viel Gelassenheit.

Bonhoeffer fand diese Freiheit und Gelassenheit in der Bindung an Gott. Vor ihm und nach ihm haben es glaubende Menschen immer wieder erfahren: Wer sich an Menschen bindet, der muss Freiheit aufgeben. Wer sich an Gott bindet, der findet Freiheit. Das ist paradox. Das ist nicht logisch. Das kann man nicht erklären. Das kann man nur durch Ausprobieren erfahren.

Wahre Freiheit durch die Bindung an Gott. So lese ich es auch in den Worten aus dem Johannesevangelium, die uns für heute zum Nachdenken aufgegeben sind. Aus Johannes 8:

31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. 33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? 34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. 35 Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. 36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

Dran bleiben und Freiheit finden

Wo ist Freiheit zu finden? Wo kommt sie her? So ist der logische Aufbau dieser Worte:
Die Wahrheit macht frei. Die Wahrheit ihrerseits ist in den Worten Jesu zu entdecken. Man entdeckt sie aber nur, wenn man dran bleibt.
Kurz gesagt: Ein frommer Text für heute Abend und für den Gang in das neue Jahr. Auf Gottes Wort hören und dadurch Freiheit finden. Von vorne:

Worte, die weiterhelfen

Jesu Worte: Damals konnten sie die Menschen leibhaftig von ihm hören. Jetzt, wo man ihn nicht mehr leibhaftig erleben kann, sind seine Worte in den Worten der Bibel zu hören. Die Worte der Bibel sind nicht unmittelbar Jesu Worte. Sie sind Jesuswort im Menschenwort. Der heilige Geist, so sagt Jesus, muss sie uns auslegen und uns in die Wahrheit führen.
Wahrheit ist in der Bibel zu entdecken. Wahrheit, die frei macht. Wahrheit, das ist hier nicht in dem Sinne von wahr und falsch gemeint. Sondern Wahrheit eher in dem qualitativen Sinn, dass man in der Bibel Worte findet, die zum Leben helfen. Worte, die weiterbringen.
An Worten fehlt es nicht in unserer gegenwärtigen Welt: Wir leben in einer Medien- und Informationsgesellschaft. Wir haben eher eine Inflation der Worte. Und wie es auch bei der Geldinflation ist: Wovon man zu viel hat, desto weniger ist das einzelne wert. Wir brauchen weniger Worte, aber dafür hilfreiche Worte. Worte, die weiterbringen. Worte, die den Kern treffen. Worte, die befreien.

Aus Getauften sollen Glaubende werden

Aber wir sind doch frei. So sagen die Hörer, die Jesus damals anspricht: Wir sind doch frei. Wir sind Abrahams Kinder, Abrahams Nachkommen. Die großen Verheißungen Gottes an den Stammvater Abraham gelten uns doch. Wer will sie rückgängig machen? Gott ist auf unserer Seite.

Wir sind Abrahams Kinder! Christen könnten sagen: Ich bin getauft. Gott hat ja zu mir gesagt. Wer will mir das nehmen? Was will mir passieren?
Wie in der Epistel: „Denn ich bin gewiss ...“

Das ist richtig. Mit der Taufe im Rücken, mit Gott an der Seite kann man in die Zukunft, kann man in das neue Jahr gehen.
Aber es soll auch Gestalt gewinnen im Alltag. Es soll lebendig werden, spürbar, sichtbar werden im Leben. Aus Getauften sollen Glaubende werden. Aus Menschen, die evangelisch ihrem Pass stehen haben, sollen praktizierende Christen werden.

Festigkeit im Glauben gewinnen

Das ist eigentlich kein Tadel, das ist eine Ermutigung. Ich höre diese Worte nicht so: Reicht es denn Gott nicht, wenn ich mich auf ihn verlasse? Bin ich ihm nicht genug?
Nein, kein Tadel: Jesus redet zu Glaubenden.
31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger 32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Auch Sie sollen diese Worte nicht als Tadel hören: Ist’s denn nicht genug, dass wir heute im Gottesdienst sind? Müssen wir schon wieder auf unsere Defizite angesprochen werden? Kann man es dem Pfarrer, der Kirche und Gott denn nie recht machen?
Kein Tadel, sondern Ermutigung: Dran bleiben am Glauben. Mehr und mehr hinein finden, immer mehr Festigkeit gewinnen, indem man sich Lebensworte sagen lässt.

Was heißt das praktisch? Wo sind Lebensworte, ermutigende Worte, wegweisende Worte, Worte, die in die Freiheit und Gelassenheit führen, zu finden?
Sie sind zu finden im Gottesdienst mit seinen Lesungen und der Predigt. Da versucht man, sie auszulegen ins Leben hinein. Sie sind zu finden beim Lesen der Bibel zu Hause, auch wenn man ohne Auslegung nicht alles versteht. Sie sind zu finden in Büchern wie dem Losungsheft, wo für jeden Tag des Jahres zwei Sprüche stehen: An manchen Tagen passen sie wie die Faust aufs Auge. An manchen Tagen bleiben sie leer.

Drei mal drei Minuten verändern das Leben

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so ... werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Dranbleiben an der Suche nach Lebensworten. Wie bei allen Neujahrsvorhaben ist die beste Möglichkeit zu scheitern, sich zu viel vorzunehmen, die Hürde viel zu hoch zu setzen.
Wichtiger als die Menge, wichtiger als die Zeitdauer ist die Regelmäßigkeit. Ich verspreche Ihnen: Drei mal drei Minuten am Tag verändern das Leben. DreiMinuten am Morgen: ein Bibelwort lesen, nachdenken, was es für den heutigen Tag bedeuten könnte. Ein kurzes Gebet: „Gott, du weißt, was heute alles ansteht. Schenke mir Gelingen.“ Punkt. Drei Minuten am Mittag: Innehalten vor Gott, aufschnaufen, gar nichts sagen, nur still sein. Drei Minuten am Abend: Noch einmal das Bibelwort anschauen. Fragen: Hat sich was getan? Ein kurzes Gebet: Danke sagen für den Tag. Klagen, was beklagenswert ist. Um Vergebung bitten, wo Fehler passiert sind.
Sollte jemand in der Nähe der Kirche wohnen und das Gebetsläuten hören: Fünf Minuten zu jedem Läuten. Drei mal fünf Minuten am Tag ändern das Leben. Von mir aus auch: Drei mal drei Minuten.

Verse von Paul Gerhardt

Wie wir 2006 an Dietrich Bonhoeffer, geboren 1906, erinnert haben, erinnern wir ab morgen an den Liederdichter Paul Gerhard, geboren 1607.
Deswegen noch ein anderer Vorschlag für die drei mal drei Minuten: Am Morgen einen Paul-Gerhard-Vers lesen. Einen, mehr nicht. „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt ...“ „Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben.“ „Nun lasst uns gehn und treten mit Singen und mit Beten zum Herrn, der unserm Leben bis hierher Kraft gegeben.“ „Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust“. „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich.“ „Nun ruhen alle Wälder, Vieh, Menschen, Städt und Felder.“ „Geh aus, mein Herz, und suche Freud.“
Ein Vers nur, mehr nicht. Der wird einen den Tag über begleiten. Und wenn einer gerne singt, dann wird der Vers den Tag über von alleine in ihm singen.

Nicht die Menge macht’s. Nicht die Zeitdauer ist entscheidend. Die Regelmäßigkeit ist das Geheimnis. Das Dranbleiben an Lebensworten. Auch beim Sport gibt es keinen Erfolge ohne Training. Auch beim Gewicht gibt es keine Fortschritte ohne Konsequenz.

Aber Sie werden erfahren: Solche Worte oder Verse, mit denen man durch den Tag geht, sie machen freier, sie machen gelassener.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de