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Die Predigt |
Advent
ist nicht nur im Dezember
Weihnachten steht vor der Tür. Doch Weihnachten ist nicht nur
im Dezember. Weihnachten ist das Fest der Nähe Gottes. Weihnachten,
ist wenn ein Mensch erfährt, dass Gott ihm ganz nahe ist. Näher
als in einem kleinen schutzlosen Kind kommt Gott in keiner Religion
zu den Menschen.
Und: Advent ist nicht nur im Dezember. Advent ist immer dann, wenn
einem Menschen das Warten schwer wird, wenn ein Mensch ungeduldig
nach Gott ruft. Komm doch, Gott. Wo bist du denn? Ich brauche dich.
Ich kann nicht bis Dezember warten. Ich brauche dich jetzt.
Der Prophet Jesaja redet zu den Israeliten, die nach Babylonien verschleppt
worden sind, und deren Verbannungszeit sich dem Ende zuneigt. Doch
nach 50 Jahren in der Fremde, fast zwei Generationen, gibt es nur
noch Resignation unter den Menschen: Werden wir je wieder nach Hause
kommen? Wird sich unsere Lage je wenden? Hat Gott überhaupt noch
Macht? Herrscht er noch? Wird das in Trümmern liegende Jerusalem
je wieder aufgebaut werden?
Eine Botschaft gegen die Resignation
7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten,
die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen,
die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! 8 Deine Wächter
rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen
werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. 9 Seid
fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems;
denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.
10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller
Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Der Prophet Jesaja sieht in die Zukunft: Über die Berge und Hügel
rund um Jerusalem kommen Boten mit einer unerwarteten Friedensbotschaft.
Sie verkünden Gottes Heil. Entgegen allem Augenschein regiert
Gott und hat die Macht über Welt und Geschichte. Er kommt sichtbar
in seine geliebte Stadt zurück. Und mit ihm kommen die Verschleppten.
Die Wächter auf den Mauern halten Ausschau und sehen ihn schon
von weiten. Das Schicksal wendet sich. Die Erlösung steht bevor.
Gottes Nähe ist da.
Jesaja hat eine Botschaft gegen Hoffnungslosigkeit und Resignation.
Ich meine, man könnte von ihm lernen, wie man heute Hoffnungslose,
Verzagte und Traurige trösten kann. Wie tröstet man?
Traurige nicht alleine lassen
Erstens: Traurige brauchen Menschen, die ihnen eine gute und aufmunternde
Botschaft bringen.
7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten,
die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen.
Boten eilen dem kommenden Gott voraus und kündigen seine Ankunft
an. Lieblich, wörtlich beglückend, ist ihre Botschaft.
So auch heute: Traurige, Depressive und Niedergeschlagene brauchen
Menschen. Sie brauchen Menschen, die zu ihnen kommen und ihnen Gutes
und Heilvolles sagen. Vielleicht auch durch das Telefon oder mit einem
Brief. Traurige sind begierig nach Zuwendung und nach guten Worten.
Gut ist, wenn jemand wie ein Bote von außen zu ihnen kommt,
denn sie sind in ihrer Welt und Lage gefangen und können nicht
heraus. Gut ist, wenn jemand erfährt und sagen kann: Dich schickt
mir Gott.
Gott dich nicht vergessen
Zweitens: Traurige müssen hören: Gott lebt und hat dich
nicht vergessen.
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten,
... die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!
Zion, ein anderer Name für Jerusalem. Zion, die von Gott geliebte
Stadt. Nie hätte man sich vorstellen können, dass diese
Stadt zusammen mit dem Tempel, der Wohnung Gottes, einmal zerstört
wird. Automatisch kam damals die Frage: Hat Gott noch Macht?
So auch heute: Trauernde, Depressive, an Leib und Seele Verletzte
fragen: Hat Gott mich vergessen? Gibt es ihn überhaupt noch?
Und sie müssen hören: Trotz allem, was geschehen ist, hat
Gott dich nicht vergessen. Du bist getauft. Du bist ein durch deine
Taufe von Gott geliebter Mensch.
Gott ist König. Gott herrscht. Gott hält Welt und Geschichte
in seiner Hand. Ich weiß zwar nicht, warum du jetzt in dieser
Situation bist. Ich weiß nicht, was Gott damit vor hat, aber
ich vertraue darauf, dass auch darin ein Sinn zu finden ist.
Über den engen Horizont schauen
Drittens: Die mit Weitblick müssen die anderen trösten und
ihren Blick weiten.
8 Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander;
denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt.
Die Wächter auf der Stadtmauer, die Türmer auf dem Kirchturm,
sie haben einen weiten Blick. Sie stehen über den Dingen. Sie
sehen manches schon von weitem.
So auch heute: Menschen mitten in der Not haben diesen weiten Blick
nicht. Menschen in der Not haben eher einen Tunnelblick, einen Scheuklappenblick.
Sie haben einen engen Horizont, über den sie nicht oder nur schwer
hinausschauen können. Ihr Blick und ihre Gedanken sind gefangen
von dem, was sie gerade bedrängt.
Menschen in der Not brauchen andere, die weiter blicken. Sie brauchen
Menschen mit Hoffnung, Menschen, die über den engen Horizont
hinaus schauen können. Sie brauchen Menschen, die ihnen die Augen
dafür öffnen können, dass die Welt größer
und weiter ist, als sie jetzt scheint. Sie brauchen Menschen, die
sehen, in welche Richtung es gehen könnte. Menschen, die ihnen
das Licht am Ende des langen Tunnels zeigen können.
Überraschend kommt Hilfe
Viertens: Wer solche Erlösung und Trost erfährt, der soll
dankbar sein.
9 Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer
Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem
erlöst.
Wenn das geschieht, dass Hilfe kommt, wo man sie fast nicht mehr erwartet
hat, dann ist Freude angesagt. Gott tröstet und macht los. Er
befreit: Da steht einer eine schwere Operation durch, deren Ausgang
man vorher nicht erahnen konnte. Da wird jemand wieder gesund, wo
man schon gar nicht mehr daran glauben konnte. Da renkt sich eine
ganz verfahrene Situation wieder ein. Da finden auf einmal zwei verfeindete
Menschen wieder zusammen. Das ist Erlösung. Das ist Weihnachten
– nicht nur im Dezember.
Von erfahrener Hilfe erzählen
Und fünftens und zu guter Letzt: Wenn jemand so etwas erleben
darf, dann sollen auch andere davon erfahren.
10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller
Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
Weil sich der Gott Israels in den Augen der damaligen Nachbarn als
der Schwächere erwiesen hat, hatten sie nur Hohn und Spott für
sie übrig. Doch nun werden sie eines Besseren belehrt und beschämt.
Ja, so ist es manchmal, dass Außenstehende einem Trauernden
oder Leidenden durch ihre Äußerungen, laut oder hinter
vorgehaltener Hand, das Leben noch schwerer machen. Sie müssen
erleben, dass sie leichtfertig geredet haben. Sie müssen beschämt
werden und sehen, dass sie gescheiter sein wollten als Gott selbst.
Wenn jemand also Überraschendes erlebt, dann sollen es auch andere
erfahren. Es soll nicht im stillen Kämmerlein bleiben. Es soll
bekannt werden, damit auch die anderen Gott loben.
So freue ich mich in diesen Tagen für alle, für die es Weihnachten
wird: nicht, weil es im Kalender steht, sondern weil sie Gottes unerwartete
Nähe erfahren. |
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