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predigt[e].de

Die Predigt vom 12. Dezember 2004 (3. Advent):
»Wer zum Arzt geht, wäscht sich die Füße«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag im Advent. Sein Thema ist die Vorbereitung auf die Begegnung mit Gott. Das Evangelium (1. Lesung) erzählt von Johannes, dem Wegbereiter Jesu. Die Epistel (2. Lesung) verweist auf die Verantwortung, die jeder angesichts der Begegnung mit Gott trägt. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war der Bericht des Lukas über das Auftreten Johannes des Täufers:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
3 1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa ... da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste. 3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, 4 wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. 6 Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.« 7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? 11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 12 Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!
Predigt
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Die Predigt
Auf Besuch bereitet man sich vor

Was tun wir, wenn wir Besuch erwarten? Ganz egal, ob es willkommener Besuch ist, oder solcher, auf den wir gerne verzichtet hätten? Wir bereiten uns irgendwie darauf vor. Das sieht sicher bei jedem etwas anders aus, aber es gehören doch die einfachsten Dingen dazu: Ich werde dafür sorgen, dass der Kommende überhaupt den Weg zu mir findet. Wenn es Abend ist, werde ich für ihn ein Licht anmachen. Ich werde dafür sorgen, dass etwas zu trinken bereit steht. Ich werde etwas zu essen richten. Vielleicht ein Bett zum Schlafen.
Doch nicht nur äußerlich will ich vorbereitet sein, sondern auch innerlich: Ich
werde mir meine Arbeit und meine Vorhaben rechtzeitig so einteilen, dass ich für den Gast auch Zeit und innere Aufmerksamkeit übrig habe. Der Gast, der da kommt, wird es spüren.

Und wenn Gott zu Besuch kommt?

Und nun heißt Advent: Gott kommt. Gott kommt mich besuchen. Er begegnet mir. "Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?" So fragt
das Adventslied. Wo und wie könnte er mir begegnen? Still und unaufdringlich durch die Antwort auf ein Gebet, durch eine Ermutigung, indem mir ein Weg gezeigt wird, indem ich ihn spüren kann in Glücksmomenten meines Lebens. Oder deutlich spürbar durch die Hilfe und Anwesenheit eines anderen Menschen. Oder aber auch herausfordernd, indem er mir selber in einem Hilfsbedürftigen begegnet, indem er mir auf einmal Grenzen aufzeigt, oder mich auf meiner Lebenswanderung an eine Weggabelung oder gar in eine Sackgasse führt.

Wenn nun also Gott kommt, bei einem jeden auf seine Weise, muss ich mich vorbereiten wie auf eine beliebten oder auch ungebetenen Gast.
Er kommt, ganz gewiss. Das hängt nicht von mir ab. Aber vielleicht nehme ich ihn gar nicht wahr, wenn ich nicht auf ihn vorbereitet bin?

Johannes der Täufer und Jesus

3 1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius ... (Text siehe oben)

Johannes rechnete damals wie viele seiner Zeitgenossen ungeduldig damit, dass Gott bald für alle sichtbar kommen werde. Er empfand es als seine Lebensaufgabe, als seine Sendung, die Menschen radikal darauf vorzubereiten. Johannes ... 3 kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Eine Taufe der Buße, also eine Taufe zur Vorbereitung und Reinigung im Blick auf den
kommenden Herrn.
Etwas vereinfacht gesagt: Wenn jemand zum Zahnarzt geht, putzt er sich zuvor die Zähne. Wenn jemand zum Friseur geht, wäscht er sich zuvor die Haare. Wenn jemand zum Arzt geht, wäscht er sich zuvor die Füße. Und vielleicht noch ein wenig mehr – je nach Untersuchung. Und wenn nun jemand seinem Schöpfer begegnet, der ganz tief in ihn hineinschauen kann, und vor dem er daliegt wie ein aufgeschlagenes Buch, sollte der sich nicht zuvor den inneren Menschen reinigen lassen?

Eine neue Lebensrichtung

Es gibt diese Reinigung des inneren Menschen nach Martin Luthers Übersetzung nur durch "Buße". Umdenken steht da im Griechischen, umkehren. Also nicht nur Umkehr mit den Füßen, sondern mit der ganzen Person, mit der ganzen Lebensrichtung.
Und Johannes erinnert an den Propheten Jesaja, der 500 Jahre vorher den nach Babylonien Verbannten das Kommen Gottes, ihres Retters, ankündigte. Gott kommt euch entgegen. Also macht ihm den Weg frei:
»Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des
Herrn und macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist,
soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.«

Das Krumme im Leben eines Menschen soll gerade werden und das Unebene eben: Wenn Jesus im Advent als Friedensbringer einzieht: Kann er mir begegnen, wenn ich nicht, soweit an mir liegt, Frieden mache zwischen mir und anderen in diesen Tagen? Wenn Jesus als der Sanftmütige einzieht:
Kann er mir begegnen, wenn ich selber die Ellenbogen für das wichtigste Werkzeug im Alltag halte?
Wenn er einzieht als der Heiland, wie Luther übersetzt: Kann er mir überhaupt begegnen, wenn mir mein inneres Heil, meine seelische und
geistliche Gesundheit gar kein Anliegen sein sollten?

Manchmal braucht es ein deutliches Wort

Hier legt Johannes der Täufer den Finger in die Wunde. Er redet nicht um den heißen Brei, sondern geradezu hart und unbarmherzig, wenn er die Umstehenden anschnauzt:
Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater.

Glaubt nicht, sagt er, Ihr könnt euch darauf berufen, dass Ihr Juden seid, dass euch Gottes Verheißungen an Abraham automatisch gelten, wenn Ihr Euch nicht im täglichen Leben danach ausrichtet. Der Name allein tuts nicht, wenn nicht euer Verhalten dazu passt.
"Ihr Schlangenbrut." Als falsch und hinterlistig galten die Schlangen im Volksmund. Darf man Menschen so anschnauzen? Darf man Menschen, die freiwillig kommen, um einer Predigt zuhören, so unbarmherzig verprellen?
Sollte er nicht froh sein, dass sie überhaupt da sind?
Aber andererseits: Muss man nicht manchmal so unbarmherzig und unmissverständlich sein, wenn es um Sein oder Nichtsein geht? Darf z.B.
ein Arzt, der sieht, dass ein Mensch durch seine Lebensweise eindeutig auf einen Herzinfarkt zusteuert, oder der seine Lebensweise partout nicht seiner Zuckerkrankheit anpassen will, noch abwiegelnd und zögerlich reden? Muss er nicht klar und unbarmherzig sagen, was Sache ist? Es gibt im Leben Situationen, würde Johannes vielleicht mit den Worten des Volksmunds sagen, wo es spitz auf Knopf steht, oder wo es um die Wurst geht. In seinen Worten:
9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Johannes ist radikal

Radikal ist diese Predigt im wahrsten Sinne des Wortes: "Radikal" kommt nämlich aus dem lateinischen und bedeutet: an die Wurzel gehend. Und so muss wohl manchmal auch eine Drohung im Dienste des Lebens stehen: Es geht manchmal nicht ohne eine schmerzhafte Wurzelbehandlung. Alles andere wäre nur Herumdoktern.

Kein Wunder, dass die Zuhörer des Johannes, derart angeschnauzt und verunsichert, am Ende fragen: "Was sollen wir denn nun tun?" "Gibt es überhaupt noch eine Rettung bei diesen radikalen Maßstäben?" Höre ich aus dieser Frage heraus. Oder: "Ist denn von einem jeden die radikale Wende gefordert?"
11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 12 Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

Nein, offensichtlich ist nicht bei jedem und nicht zu jeder Zeit eine radikale Wende angesagt: Der Soldat darf Soldat bleiben. Der Zöllner muss seinen Beruf nicht aufgeben. Doch beide sollen in Zukunft ihre Grenzen respektieren, da wo sie sie vorher überschritten haben. Sie sollen das rechte Maß finden und beachten, wenn sie vorher maßlos waren. Und sie sollen bei allen Kompromissen, die ihr Beruf ihnen abverlangt, dem Mitmenschen dienen.

Müssen wir auch radikal sein?

Aber, bevor wir uns nach dem ersten Schreck wieder erleichtert zurücklehnen. Ohne innere adventliche Unruhe lässt Johannes doch niemand
nach Hause gehen: Wer zwei Hemden hat, braucht sie nicht beide hergeben. Aber doch eines dem, der keines hat. Und wir haben alle eine ganze Menge Hemden und alle möglichen anderen Dinge. ... Da müsste jetzt die Predigt noch einmal ganz von vorne losgehen. Aber die muss sich jeder im Stillen selbst halten. ...

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de