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Die Predigt |
Auf Besuch bereitet
man sich vor
Was tun wir, wenn wir Besuch erwarten? Ganz egal, ob es willkommener
Besuch ist, oder solcher, auf den wir gerne verzichtet hätten?
Wir bereiten uns irgendwie darauf vor. Das sieht sicher bei jedem
etwas anders aus, aber es gehören doch die einfachsten Dingen
dazu: Ich werde dafür sorgen, dass der Kommende überhaupt
den Weg zu mir findet. Wenn es Abend ist, werde ich für ihn ein
Licht anmachen. Ich werde dafür sorgen, dass etwas zu trinken
bereit steht. Ich werde etwas zu essen richten. Vielleicht ein Bett
zum Schlafen.
Doch nicht nur äußerlich will ich vorbereitet sein, sondern
auch innerlich: Ich
werde mir meine Arbeit und meine Vorhaben rechtzeitig so einteilen,
dass ich für den Gast auch Zeit und innere Aufmerksamkeit übrig
habe. Der Gast, der da kommt, wird es spüren.
Und wenn Gott zu Besuch kommt?
Und nun heißt Advent: Gott kommt. Gott kommt mich besuchen.
Er begegnet mir. "Wie soll ich dich empfangen und wie begegn
ich dir?" So fragt
das Adventslied. Wo und wie könnte er mir begegnen? Still und
unaufdringlich durch die Antwort auf ein Gebet, durch eine Ermutigung,
indem mir ein Weg gezeigt wird, indem ich ihn spüren kann in
Glücksmomenten meines Lebens. Oder deutlich spürbar durch
die Hilfe und Anwesenheit eines anderen Menschen. Oder aber auch herausfordernd,
indem er mir selber in einem Hilfsbedürftigen begegnet, indem
er mir auf einmal Grenzen aufzeigt, oder mich auf meiner Lebenswanderung
an eine Weggabelung oder gar in eine Sackgasse führt.
Wenn nun also Gott kommt, bei einem jeden auf seine Weise, muss ich
mich vorbereiten wie auf eine beliebten oder auch ungebetenen Gast.
Er kommt, ganz gewiss. Das hängt nicht von mir ab. Aber vielleicht
nehme ich ihn gar nicht wahr, wenn ich nicht auf ihn vorbereitet bin?
Johannes der Täufer und Jesus
3 1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius
... (Text siehe oben)
Johannes rechnete damals wie viele seiner Zeitgenossen ungeduldig
damit, dass Gott bald für alle sichtbar kommen werde. Er empfand
es als seine Lebensaufgabe, als seine Sendung, die Menschen radikal
darauf vorzubereiten. Johannes ... 3 kam in die ganze Gegend um
den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der
Sünden. Eine Taufe der Buße, also eine Taufe zur Vorbereitung
und Reinigung im Blick auf den
kommenden Herrn.
Etwas vereinfacht gesagt: Wenn jemand zum Zahnarzt geht, putzt er
sich zuvor die Zähne. Wenn jemand zum Friseur geht, wäscht
er sich zuvor die Haare. Wenn jemand zum Arzt geht, wäscht er
sich zuvor die Füße. Und vielleicht noch ein wenig mehr
– je nach Untersuchung. Und wenn nun jemand seinem Schöpfer
begegnet, der ganz tief in ihn hineinschauen kann, und vor dem er
daliegt wie ein aufgeschlagenes Buch, sollte der sich nicht zuvor
den inneren Menschen reinigen lassen?
Eine neue Lebensrichtung
Es gibt diese Reinigung des inneren Menschen nach Martin Luthers Übersetzung
nur durch "Buße". Umdenken steht da im Griechischen,
umkehren. Also nicht nur Umkehr mit den Füßen, sondern
mit der ganzen Person, mit der ganzen Lebensrichtung.
Und Johannes erinnert an den Propheten Jesaja, der 500 Jahre vorher
den nach Babylonien Verbannten das Kommen Gottes, ihres Retters, ankündigte.
Gott kommt euch entgegen. Also macht ihm den Weg frei:
»Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet
den Weg des
Herrn und macht seine Steige eben! 5 Alle Täler sollen erhöht
werden,
und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm
ist,
soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.«
Das Krumme im Leben eines Menschen soll gerade werden und das Unebene
eben: Wenn Jesus im Advent als Friedensbringer einzieht: Kann er mir
begegnen, wenn ich nicht, soweit an mir liegt, Frieden mache zwischen
mir und anderen in diesen Tagen? Wenn Jesus als der Sanftmütige
einzieht:
Kann er mir begegnen, wenn ich selber die Ellenbogen für das
wichtigste Werkzeug im Alltag halte?
Wenn er einzieht als der Heiland, wie Luther übersetzt: Kann
er mir überhaupt begegnen, wenn mir mein inneres Heil, meine
seelische und
geistliche Gesundheit gar kein Anliegen sein sollten?
Manchmal braucht es ein deutliches Wort
Hier legt Johannes der Täufer den Finger in die Wunde. Er redet
nicht um den heißen Brei, sondern geradezu hart und unbarmherzig,
wenn er die Umstehenden anschnauzt:
Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr
dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 8 Seht zu, bringt rechtschaffene
Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir
haben Abraham zum Vater.
Glaubt nicht, sagt er, Ihr könnt euch darauf berufen, dass Ihr
Juden seid, dass euch Gottes Verheißungen an Abraham automatisch
gelten, wenn Ihr Euch nicht im täglichen Leben danach ausrichtet.
Der Name allein tuts nicht, wenn nicht euer Verhalten dazu passt.
"Ihr Schlangenbrut." Als falsch und hinterlistig galten
die Schlangen im Volksmund. Darf man Menschen so anschnauzen? Darf
man Menschen, die freiwillig kommen, um einer Predigt zuhören,
so unbarmherzig verprellen?
Sollte er nicht froh sein, dass sie überhaupt da sind?
Aber andererseits: Muss man nicht manchmal so unbarmherzig und unmissverständlich
sein, wenn es um Sein oder Nichtsein geht? Darf z.B.
ein Arzt, der sieht, dass ein Mensch durch seine Lebensweise eindeutig
auf einen Herzinfarkt zusteuert, oder der seine Lebensweise partout
nicht seiner Zuckerkrankheit anpassen will, noch abwiegelnd und zögerlich
reden? Muss er nicht klar und unbarmherzig sagen, was Sache ist? Es
gibt im Leben Situationen, würde Johannes vielleicht mit den
Worten des Volksmunds sagen, wo es spitz auf Knopf steht, oder wo
es um die Wurst geht. In seinen Worten:
9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder
Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Johannes ist radikal
Radikal ist diese Predigt im wahrsten Sinne des Wortes: "Radikal"
kommt nämlich aus dem lateinischen und bedeutet: an die Wurzel
gehend. Und so muss wohl manchmal auch eine Drohung im Dienste des
Lebens stehen: Es geht manchmal nicht ohne eine schmerzhafte Wurzelbehandlung.
Alles andere wäre nur Herumdoktern.
Kein Wunder, dass die Zuhörer des Johannes, derart angeschnauzt
und verunsichert, am Ende fragen: "Was sollen wir denn nun tun?"
"Gibt es überhaupt noch eine Rettung bei diesen radikalen
Maßstäben?" Höre ich aus dieser Frage heraus.
Oder: "Ist denn von einem jeden die radikale Wende gefordert?"
11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der
gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 12 Es
kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen
zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 13 Er sprach zu ihnen: Fordert
nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 14 Da fragten ihn auch die
Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen:
Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem
Sold!
Nein, offensichtlich ist nicht bei jedem und nicht zu jeder Zeit eine
radikale Wende angesagt: Der Soldat darf Soldat bleiben. Der Zöllner
muss seinen Beruf nicht aufgeben. Doch beide sollen in Zukunft ihre
Grenzen respektieren, da wo sie sie vorher überschritten haben.
Sie sollen das rechte Maß finden und beachten, wenn sie vorher
maßlos waren. Und sie sollen bei allen Kompromissen, die ihr
Beruf ihnen abverlangt, dem Mitmenschen dienen.
Müssen wir auch radikal sein?
Aber, bevor wir uns nach dem ersten Schreck wieder erleichtert zurücklehnen.
Ohne innere adventliche Unruhe lässt Johannes doch niemand
nach Hause gehen: Wer zwei Hemden hat, braucht sie nicht beide hergeben.
Aber doch eines dem, der keines hat. Und wir haben alle eine ganze
Menge Hemden und alle möglichen anderen Dinge. ... Da müsste
jetzt die Predigt noch einmal ganz von vorne losgehen. Aber die muss
sich jeder im Stillen selbst halten. ... |
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