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predigt[e].de

Die Predigt vom 20. Februar 2005 (Reminiscere):
»Gib uns ein Zeichen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag der Passionszeit. Er trägt den Namen „Reminiscere“ („Gedenke, Herr ...“). Sein Thema ist das „für uns“ des Todes Jesu. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis von den bösen Weingärtnern und Epistel (2. Lesung) die Gewissheit des Paulus, dass wir durch Christus mit Gott versöhnt sind. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Matthäus 12:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
38 Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. 39 Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. 40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. 41 Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. 42 Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.
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Die Predigt
Die bösen Pharisäer und Schriftgelehrten

Von der Mehrheit seiner Zeitgenossen wurde Jesus als Messias, als der versprochene und erhoffte Retter, abgelehnt. Hüten wir uns vor der Versuchung, aus unserer heutigen Warte zu sagen: "Wie konnten sie nur! Ja, wenn wir damals gelebt hätten ...!"
Es drängt mich, die Pharisäer und Schriftgelehrten in dieser Erzählung zu
verteidigen: Nicht gegen den Angriff Jesu, aber gegen uns heute, die wir zuhören wie unbeteiligte Zuschauer eines Streites, der uns nichts angeht. Die Pharisäer und Schriftgelehrten, das sind die Bösen. Das wussten wir schon immer. Heuchler, Jesusmörder. Schublade auf. Pharisäer und Schriftgelehrte rein. Schublade zu.

Es drängt mich, die Pharisäer zu verteidigen: Sie waren die Frommen der damaligen Zeit, wie die manchmal so genannten 150-prozentigen der heutigen Zeit. Sie haben den Gott des Alten Testamentes sehr sehr ernst
genommen. Sie haben ihr Leben konsequent geführt. Aber bei allem Ernst waren Hochmut, Hartherzigkeit und Abgrenzung ihre ständige Versuchung. Pharisäer, das Wort bedeutet: die Abgesonderten. Viele von ihnen haben das
ursprüngliche Schimpfwort als Kompliment verstanden.
Es drängt mich, die Schriftgelehrten zu verteidigen. Ihr Aufgabe als Studierte und in der Schrift Bewanderte war es, den Glauben zu lehren und ihn rein zu halten. Bei allem Ernst war das gelehrte Scheuklappentum ihre ständige
Versuchung. Der Blick auf Gott hinter den Buchstaben der Heiligen Schrift verstellte ihnen den Blick auf den lebendigen Gott, der ihnen damals in Jesus begegnete.

Jesus soll sich legitimieren

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen.
Sie haben recht: Da kann nicht einfach jeder daherkommen und göttliche Vollmacht beanspruchen. Und Jesus nahm nun einmal in Anspruch, in Gottes Namen zu reden, in seinem Namen zu vergeben, in seinem Namen Grenzen einzureißen und auch Grenzen ziehen. Aus ihrer Sicht weichte er alle Maßstäbe von Gerechtigkeit, Zucht und Ordnung auf. Er machte durch seinen Umgang Menschen salonfähig, mit denen man aus gutem Grund, gesellschaftlich und religiös, keinen Kontakt hatte. Wollte man sich nicht auf einen Volksverführer einlassen, war es ihre Pflicht, nach einem Zeichen, nach einer Beglaubigung durch Gott zu fragen.

Es drängt mich, die Pharisäer und Schriftgelehrten, die für den lebendigen Gott blind waren, gegen uns Zuschauer zu verteidigen: Wir sind Zuschauer von einer höheren Warte. Wir sehen die Geschichte von ihrem Ausgang her,
durch die Brille der Auferstehung sozusagen. Und wir sind in der Gefahr zu denken: "Wie konnten sie nur? Ja, wenn wir damals an ihrer Stelle gewesen wären! Ja, wenn wir das Privileg gehabt hätten, ihm lebendig zu begegnen ...!" Aber hätten wir nicht genauso bei seinem Einzug mit der Menge "Hosianna" gerufen, um dann fünf Tage später in das "Kreuzige, kreuzige" einzustimmen?

Wir und die anderen

Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden.
Es drängt mich, die Pharisäer und Schriftgelehrten als Vertreter einer treulosen und bundesbrüchigen Generation zu verteidigen. Nicht gegen diesen Vorwurf Jesu, sondern gegen die, die heute jammern über die unchristliche Zeit, die fehlende Kirchlichkeit und das Interesse an allen möglichen Heilsangeboten, nur nicht dem Heil in Jesus Christus. Das Jammern birgt die Gefahr in sich, dass man sich selbst immer nur bestätigt, sich automatisch natürlich unter die Guten einordnet, und gegen das Bejammerte eigentlich nichts tut.
Jesus weist damals die, die sich selbstgenügsam ihres Glaubens so sicher waren, darauf hin, dass Gott Glauben wirken könnte bei denen, wo man es nicht erwartet: Die Menschen in Ninive, fern von Israel, die durch die Predigt
des Propheten Jona aufgerüttelt wurden und umkehrten. Und er erinnert an die Königin von Saba, die sich auf den Weg machte, den wegen seiner Weisheit gerühmten König Salomo aufzusuchen.
Wo ist heute Ninive, wo ist Saba? Woran liegt es? Ist es vielleicht unsere europäische Sattheit, das Jammern auf hohem Niveau, dass der christliche Glaube anderswo auf der Welt, in Afrika und Lateinamerika z.B., deutlich sichtbar wächst, während er bei uns stagniert? Und wer weiß, wieviel verborgener Glaube auch bei den Zeitgenossen ist, die nicht in unserem kirchlichen Sinn gläubig sind?

Auch die Jünger haben nichts begriffen

Noch einmal drängt es mich, die Pharisäer und die Schriftgelehrten, die blind waren für Jesus, zu verteidigen. Und zwar deswegen, weil am Ende auch diejenigen, die dauernd um ihn herum waren, seine Jünger, nicht mehr begriffen haben als sie. Stereotyp heißt es in den Evangelien immer wieder, dass die Jünger nicht verstanden, wenn Jesus ihnen vom Sinn seines
Weges erzählte.
Ganz typisch erleben wir es bei den beiden sogenannten Emmausjüngern, die ihm als dem Auferstandenen begegnen, und deren Augen, wie Luther übersetzt, gehalten waren: Nicht einmal sie verstehen das Zeichen des Jona, von dem Jesus hier redet: Die drei Tage und drei Nächte, die der Prophet Jona im Fischbauch war, bis er wieder das Licht und das Land sehen durfte, als ein Hinweis auf Jesu Auferstehung am dritten Tag.
Sie gehen mit dem Auferstandenen und sie erkennen ihn nicht. Er selber legt ihnen die Schrift aus, und es geht ihnen kein Licht auf. Nicht mehr und nicht weniger als für die Pharisäer war auch für sie der Gekreuzigte ein
Gescheiterter. Sie erkennen ihn erst, als sie mit ihm am Tisch sitzen und er mit dem Brechen des Brotes Gemeinschaft stiftet.
Oder Maria Magdalena, die traurig im Garten sitzt und ihn für den Gärtner hält: Als er sie beim Namen ruft, gehen ihr die Augen auf.

Beweise für den Glauben?

Ich verstehe das so, dass wir keine Zeichen und Beweise für den Glauben zur Verfügung haben als nur den sogenannten Erfahrungs"beweis". (Beweis in Anführungszeichen.) Es gibt keinen allgemeinen Beweis, außer man lässt sich auf eine persönliche Begegnung mit Gott ein. Das ist der springende Punkt, sowohl für die Pharisäer damals als auch für uns heute: Ihre Forderung nach einem Zeichen dreht Jesus um. Nicht: "Tu ein Wunder, dann werden wir an dich glauben." Sondern: "Glaubt mir, dann werdet ihr Wunder erleben."
Und so gibt es ganz gewiss Zeichen und Wunder, aber nur für den, der die offenen Augen dafür hat. Und mancher kann eine ganze Menge davon erleben, und es geht ihm dennoch kein Licht auf.

Es geht nur mit einem Vertrauensvorschuss

Noch einmal mit anderen Worten in dem Bild, das Jesus hier verwendet: Als abtrünnig, wörtlich ehebrüchig, bezeichnet Jesus die Pharisäer und Schriftgelehrten und ihre Generation, und er erinnert damit an den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat.
Das erinnert an den Ehebund, der von denselben Grundlagen lebt: Aus dem gegenseitigen Vertrauen heraus gibt es ganz gewiss Erweise und Beweise von Treue und Liebe. Doch wenn einer vom anderen Beweise fordert, damit er vertrauen und lieben kann, dann ist die gemeinsame Basis schon erschüttert. Wer von Hause aus misstraut, dem reicht kein Beweis, welchen man auch bringen mag. Wer aber einen Vertrauensvorschuss gibt, der kann was erleben.

Das Zeichen des Jona im eigenen Leben erleben: Durch das Dunkel hindurch geduldig auf das Licht warten. Erleben, wie im geduldigen Ausharren sich Wege und Lösungen auftun können. Das Geheimnis des dritten Tages erleben. Mit den Worten der Dichterin Marie Luise Kaschnitz: Die Auferstehung mitten am Tage. (Textblatt)

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de