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predigt[e].de

Die Predigt vom 27. Februar 2005 (Okuli):
»Von der Bekehrung des Geldbeutels«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Okuli. Sein Thema ist die Nachfolge. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Ruf in die Nachfolge nach Lukas 9 und Epistel (2. Lesung) die Aufforderung des Epheserbriefs heilig zu leben. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Erzählung vom Scherflein der Witwe nach Markus 12:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. 42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. 43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. 44 Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.
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Die Predigt
Die Haussammlung und die Neugier

Eine Woche noch, dann stehen wieder die Sammlerinnen und Sammler für die Frühjahrssammlung der Diakonie vor der Haustür. Sie haben ihre Mappe dabei, ein Faltblatt zur Information und die Sammelliste. Und eine der
üblichen Erfahrungen ist, dass dann jemand nach dieser Liste fragt: "Na, was geben denn die anderen so?" Man möchte ungern herausstechen: weder positiv noch negativ. Wer möchte sich schon etwas nachsagen lassen?
Wenn's ums Geld geht, kommt die menschliche Eitelkeit ins Spiel: Ein wenig Neugier mag dabei sein. Das Staunen, wie viel jemand übrig hat,
oder die Verwunderung, wie wenig jemand gibt, dessen Verhältnisse man gut kennt. Deswegen ist es eine gute Einrichtung, dass der Name der Spenderin oder des Spenders nicht eingetragen werden muss, wenn man nicht will.
Daran bin ich erinnert worden, als ich den Predigttext für heute morgen gelesen habe. Folgendes wird bei Markus im 12. Kapitel berichtet:

Das Scherflein der Witwe

41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber ... (s.o.)

Eine kurze, für viele auch bekannte Geschichte. Der Ausdruck, dass jemand zu einer Sache auch "sein Scherflein beigesteuert" habe, ist sprichwörtlich. Sonst kommt dieses Wort in unserem Sprachgebrauch ja nicht mehr vor.
Noch ein weiterer Spezialausdruck kommt aus dieser Geschichte: etwas einlegen, das meint die Spende im Gottesdienst.
Martin Luther stand bei seiner Bibelübersetzung oft vor der Frage, wie er
fremde und unbekannte Begriffe, oder auch wie hier Münzeinheiten, aus der biblischen Welt für seine Zuhörer verständlich machen könnte. Ein Scherf oder Scherflein, das war die bis zum 15. Jhd. gebräuchliche Bezeichnung eines halben Pfennigs, die kleinste Münze der damaligen Zeit. Diese Bezeichnung wählt er, weil im griechischen Text auch die kleinste jüdische Kupfermünze genannt wird.

„Je nach dem Kamel die Last“

Und genau das ist ja die einsichtige Kernbotschaft dieser Erzählung: Auf die Höhe der Spende kommt es nicht an, sondern auf die Freude, mit der man gibt, und darauf, ob die Gabe bei jemands finanziellen Verhältnisse viel und wenig ausmacht.
Es gibt diesen Gedanken in verschiedenen Kulturen. (Und so werden ähnliche Geschichten z.B. auch in der griechischen Philosophie oder
im Buddhismus erzählt.) Die jüdischen Schriftgelehrten kannten den Ausdruck: "Je nach dem Kamel die Last." Also: Nicht jeder und jede kann gleich viel tragen. Und ähnlich ist es ja auch bei uns heute mit den Steuersätzen bei der Einkommensbesteuerung: Es beginnt mit Steuerfreiheit und niedrigen Eingangssteuersätzen bei geringem Verdienst und geht dann hin bis zu einem Höchststeuersatz. Soweit zumindest die Theorie: Leider
ermöglichen die sog. Steuerschlupflöcher, dass v.a. Gutverdienende Möglichkeiten haben, dieses Prinzip zu umgehen.

Anonym oder öffentlich geben?

Gerne geben und je nach den Möglichkeiten. Das ist der schnell erkannte Kern. Doch beim zweiten Hinhören gibt es noch zwei tiefer gehenden Fragen: Anonym oder öffentlich geben? Und: Sind es echte Opfer, was wir geben?

41 Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten.
Und so fragen manche: Warum setzt sich Jesus überhaupt dorthin? Sitzt er dort absichtlich oder zufällig? Ist er neugierig? Was geht's ihn an, was die Menschen spenden? Der sog. Gotteskasten, das war eine Einrichtung im Vorhof des Jerusalemer Tempels, wo man in verschiedenen Behältern seine Abgaben für verschiedene Zwecke geben konnte. Einer davon auch für, wie man heute sagen würde, "zur freien Verfügung", oder "wo am nötigsten"
Manche Ausleger vermuten, die eingelegte Gabe sei öffentlich bekannt gegeben worden, und manche hätten sich auf diese Weise in aller
Öffentlichkeit hervortun wollen. Daran erinnert auch ein anderes Wort Jesu:
Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon gehabt. (Matthäus 6,2)

„Tu Gutes und rede darüber“

Doch wahrscheinlich übertreibt Jesus hier. Es ist nicht bekannt, dass damals große Geldspenden im wörtlichen Sinne mit Posaunenspiel veröffentlicht worden wären. Aber Möglichkeiten, jemand öffentlich zu ehren, gab es schon. Zum Beispiel konnte man in der Synagoge einen Ehrenplatz erhalten. "Ausposaunen" ist wohl eher übertragen gemeint. Wir haben diesen Ausdruck ja aus der Bibel in unsere Umgangssprache übernommen.
Wer kann schon sagen, dass er vor dieser Versuchung gefeit wäre? Wir leben als Menschen von der Anerkennung, vom Lob. Wer hat sich da
noch nicht bei dem Gedanken erwischt: "Hoffentlich hat das jetzt auch jemand gesehen." Und dann wird vielleicht auch manche Gabe so in
den Klingelbeutel oder die Büchse gesteckt, dass der Nachbar wirklich merkt, es ist ein Schein, es sind keine Münzen.
Auch bei uns war es früher üblich, dass Spenden mit einem Bibelwort gegeben wurden, dass dann in den Abkündigungen vorgelesen wurde.
Kollegen aus dem Dorf, wo diese Praxis noch üblich ist, haben wir schmunzelnd berichtet, dass man dann wie in einer Art Geheimsprache dem
Bibelwort entnehmen kann, von wem die Spende stammt.

Sie kennen vermutlich die Fortsetzung der eben zitierten Worte Jesu:
Wenn du Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die
rechte tut.
(Matthäus 6,3)

"Tu Gutes und rede darüber." Wir leben in einer Mediengesellschaft. Und so findet sich auch manche Anzeige in der Zeitung, die mit Bild von der Geldübergabe für einen sozialen Zweck berichtet. Oder denken Sie an die Spenderlisten für "Menschen in Not" in der Tageszeitung. Da hat man ja auch die Möglichkeit, von seiner Namensnennung abzusehen.

Opfer oder Geben vom Überfluss

43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. 44 Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Sollte es wirklich so gewesen sein, dass die Spenden damals öffentlich genannt wurden, dann hebt Jesus die Frau auch ganz bewusst öffentlich
heraus. Als arme Witwe war sie doppelt arm. Sie war ein Nichts gegenüber denen, die vor ihr oder nach ihr Geld in diesen Gotteskasten warfen. Und sie wird von ihm ganz bewusst öffentlich herausgehoben, geehrt und gewürdigt.

Sie gibt ihren Tagesbesitz, sie gibt das Geld, das sie für diesen Tag zum Ernähren gebraucht hätte. D.h. in einem tiefen Sinn, sie gibt nicht irgendetwas, sondern sie gibt sich selbst. Sie gibt ihre ganze Sicherheit auf und gibt sich Gott in die Hand. Sie wird wie Jesus, der – wie es im Evangelium heißt – keinen Platz hat, wo er sein Haupt hinlegen kann. Der darauf vertraut, dass sich das jeden Tag neu finden wird. Wenn Gott für die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Feld sorgt (Matthäus 6,26-34), sollte er nicht auch für die Menschen sorgen?

Ist, um bei den Worten Jesu zu bleiben, unser Dank-Opfer nach der Predigt wirklich noch ein Opfer, ein Opfer im echten Sinn, ein Opfer, das weh tut? Oder geben wir, wie Jesus sagt, doch nur vom Überfluss?
Es geht also im Hintergrund um die tiefe Frage: Was, und vor allem wieviel, brauche ich wirklich zum Leben? Und: Wer setzt überhaupt den Standard fest, was genug ist und was zuviel? Ist es der Standard des unmittelbaren Nachbarn? Ist es der Durchschnittsstandard des reichen Westens? Ist es vielleicht gar der Durchschnitt der ganzen Schöpfung, Nord und Süd, Ost und West zusammengenommen, über dem wir allemal alle liegen, auch die kleinste Rentnerin und der ärmste Sozialhilfeempfänger?

Die Bekehrung des Geldbeutels

Oder wie es einmal jemand provozierend formuliert hat: Wenn jemand einmal begriffen hat, was Gott für ihn bedeutet und wie wichtig er für ihn ist, dann geht es nicht mehr nur allein um die Bekehrung des Herzens, sondern auch um die Bekehrung des Geldbeutels.

Ich rede nicht weiter, denn spätestens jetzt würde ich von oben herab reden, und bin doch selber betroffen. Gemeinsam stehen wir vor Gott und müssen ganz allein und privat vor ihm Rechenschaft ablegen in dieser Frage.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de