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Die Predigt |
Die Haussammlung
und die Neugier
Eine Woche noch, dann stehen wieder die Sammlerinnen und Sammler für
die Frühjahrssammlung der Diakonie vor der Haustür. Sie
haben ihre Mappe dabei, ein Faltblatt zur Information und die Sammelliste.
Und eine der
üblichen Erfahrungen ist, dass dann jemand nach dieser Liste
fragt: "Na, was geben denn die anderen so?" Man möchte
ungern herausstechen: weder positiv noch negativ. Wer möchte
sich schon etwas nachsagen lassen?
Wenn's ums Geld geht, kommt die menschliche Eitelkeit ins Spiel: Ein
wenig Neugier mag dabei sein. Das Staunen, wie viel jemand übrig
hat,
oder die Verwunderung, wie wenig jemand gibt, dessen Verhältnisse
man gut kennt. Deswegen ist es eine gute Einrichtung, dass der Name
der Spenderin oder des Spenders nicht eingetragen werden muss, wenn
man nicht will.
Daran bin ich erinnert worden, als ich den Predigttext für heute
morgen gelesen habe. Folgendes wird bei Markus im 12. Kapitel berichtet:
Das Scherflein der Witwe
41 Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber ... (s.o.)
Eine kurze, für viele auch bekannte Geschichte. Der Ausdruck,
dass jemand zu einer Sache auch "sein Scherflein beigesteuert"
habe, ist sprichwörtlich. Sonst kommt dieses Wort in unserem
Sprachgebrauch ja nicht mehr vor.
Noch ein weiterer Spezialausdruck kommt aus dieser Geschichte: etwas
einlegen, das meint die Spende im Gottesdienst.
Martin Luther stand bei seiner Bibelübersetzung oft vor der Frage,
wie er
fremde und unbekannte Begriffe, oder auch wie hier Münzeinheiten,
aus der biblischen Welt für seine Zuhörer verständlich
machen könnte. Ein Scherf oder Scherflein, das war die bis zum
15. Jhd. gebräuchliche Bezeichnung eines halben Pfennigs, die
kleinste Münze der damaligen Zeit. Diese Bezeichnung wählt
er, weil im griechischen Text auch die kleinste jüdische Kupfermünze
genannt wird.
„Je nach dem Kamel die Last“
Und genau das ist ja die einsichtige Kernbotschaft dieser Erzählung:
Auf die Höhe der Spende kommt es nicht an, sondern auf die Freude,
mit der man gibt, und darauf, ob die Gabe bei jemands finanziellen
Verhältnisse viel und wenig ausmacht.
Es gibt diesen Gedanken in verschiedenen Kulturen. (Und so werden
ähnliche Geschichten z.B. auch in der griechischen Philosophie
oder
im Buddhismus erzählt.) Die jüdischen Schriftgelehrten kannten
den Ausdruck: "Je nach dem Kamel die Last." Also: Nicht
jeder und jede kann gleich viel tragen. Und ähnlich ist es ja
auch bei uns heute mit den Steuersätzen bei der Einkommensbesteuerung:
Es beginnt mit Steuerfreiheit und niedrigen Eingangssteuersätzen
bei geringem Verdienst und geht dann hin bis zu einem Höchststeuersatz.
Soweit zumindest die Theorie: Leider
ermöglichen die sog. Steuerschlupflöcher, dass v.a. Gutverdienende
Möglichkeiten haben, dieses Prinzip zu umgehen.
Anonym oder öffentlich geben?
Gerne geben und je nach den Möglichkeiten. Das ist der schnell
erkannte Kern. Doch beim zweiten Hinhören gibt es noch zwei tiefer
gehenden Fragen: Anonym oder öffentlich geben? Und: Sind es echte
Opfer, was wir geben?
41 Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu,
wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten.
Und so fragen manche: Warum setzt sich Jesus überhaupt dorthin?
Sitzt er dort absichtlich oder zufällig? Ist er neugierig? Was
geht's ihn an, was die Menschen spenden? Der sog. Gotteskasten, das
war eine Einrichtung im Vorhof des Jerusalemer Tempels, wo man in
verschiedenen Behältern seine Abgaben für verschiedene Zwecke
geben konnte. Einer davon auch für, wie man heute sagen würde,
"zur freien Verfügung", oder "wo am nötigsten"
Manche Ausleger vermuten, die eingelegte Gabe sei öffentlich
bekannt gegeben worden, und manche hätten sich auf diese Weise
in aller
Öffentlichkeit hervortun wollen. Daran erinnert auch ein anderes
Wort Jesu:
Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen
lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen,
damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch,
sie haben ihren Lohn schon gehabt. (Matthäus 6,2)
„Tu Gutes und rede darüber“
Doch wahrscheinlich übertreibt Jesus hier. Es ist nicht bekannt,
dass damals große Geldspenden im wörtlichen Sinne mit Posaunenspiel
veröffentlicht worden wären. Aber Möglichkeiten, jemand
öffentlich zu ehren, gab es schon. Zum Beispiel konnte man in
der Synagoge einen Ehrenplatz erhalten. "Ausposaunen" ist
wohl eher übertragen gemeint. Wir haben diesen Ausdruck ja aus
der Bibel in unsere Umgangssprache übernommen.
Wer kann schon sagen, dass er vor dieser Versuchung gefeit wäre?
Wir leben als Menschen von der Anerkennung, vom Lob. Wer hat sich
da
noch nicht bei dem Gedanken erwischt: "Hoffentlich hat das jetzt
auch jemand gesehen." Und dann wird vielleicht auch manche Gabe
so in
den Klingelbeutel oder die Büchse gesteckt, dass der Nachbar
wirklich merkt, es ist ein Schein, es sind keine Münzen.
Auch bei uns war es früher üblich, dass Spenden mit einem
Bibelwort gegeben wurden, dass dann in den Abkündigungen vorgelesen
wurde.
Kollegen aus dem Dorf, wo diese Praxis noch üblich ist, haben
wir schmunzelnd berichtet, dass man dann wie in einer Art Geheimsprache
dem
Bibelwort entnehmen kann, von wem die Spende stammt.
Sie kennen vermutlich die Fortsetzung der eben zitierten Worte Jesu:
Wenn du Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen,
was die
rechte tut. (Matthäus 6,3)
"Tu Gutes und rede darüber." Wir leben in einer Mediengesellschaft.
Und so findet sich auch manche Anzeige in der Zeitung, die mit Bild
von der Geldübergabe für einen sozialen Zweck berichtet.
Oder denken Sie an die Spenderlisten für "Menschen in Not"
in der Tageszeitung. Da hat man ja auch die Möglichkeit, von
seiner Namensnennung abzusehen.
Opfer oder Geben vom Überfluss
43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen:
Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten
gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. 44 Denn sie haben alle
etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer
Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.
Sollte es wirklich so gewesen sein, dass die Spenden damals öffentlich
genannt wurden, dann hebt Jesus die Frau auch ganz bewusst öffentlich
heraus. Als arme Witwe war sie doppelt arm. Sie war ein Nichts gegenüber
denen, die vor ihr oder nach ihr Geld in diesen Gotteskasten warfen.
Und sie wird von ihm ganz bewusst öffentlich herausgehoben, geehrt
und gewürdigt.
Sie gibt ihren Tagesbesitz, sie gibt das Geld, das sie für diesen
Tag zum Ernähren gebraucht hätte. D.h. in einem tiefen Sinn,
sie gibt nicht irgendetwas, sondern sie gibt sich selbst. Sie gibt
ihre ganze Sicherheit auf und gibt sich Gott in die Hand. Sie wird
wie Jesus, der – wie es im Evangelium heißt – keinen
Platz hat, wo er sein Haupt hinlegen kann. Der darauf vertraut, dass
sich das jeden Tag neu finden wird. Wenn Gott für die Vögel
unter dem Himmel und die Lilien auf dem Feld sorgt (Matthäus
6,26-34), sollte er nicht auch für die Menschen sorgen?
Ist, um bei den Worten Jesu zu bleiben, unser Dank-Opfer nach der
Predigt wirklich noch ein Opfer, ein Opfer im echten Sinn, ein Opfer,
das weh tut? Oder geben wir, wie Jesus sagt, doch nur vom Überfluss?
Es geht also im Hintergrund um die tiefe Frage: Was, und vor allem
wieviel, brauche ich wirklich zum Leben? Und: Wer setzt überhaupt
den Standard fest, was genug ist und was zuviel? Ist es der Standard
des unmittelbaren Nachbarn? Ist es der Durchschnittsstandard des reichen
Westens? Ist es vielleicht gar der Durchschnitt der ganzen Schöpfung,
Nord und Süd, Ost und West zusammengenommen, über dem wir
allemal alle liegen, auch die kleinste Rentnerin und der ärmste
Sozialhilfeempfänger?
Die Bekehrung des Geldbeutels
Oder wie es einmal jemand provozierend formuliert hat: Wenn jemand
einmal begriffen hat, was Gott für ihn bedeutet und wie wichtig
er für ihn ist, dann geht es nicht mehr nur allein um die Bekehrung
des Herzens, sondern auch um die Bekehrung des Geldbeutels.
Ich rede nicht weiter, denn spätestens jetzt würde ich von
oben herab reden, und bin doch selber betroffen. Gemeinsam stehen
wir vor Gott und müssen ganz allein und privat vor ihm Rechenschaft
ablegen in dieser Frage. |
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