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predigt[e].de

Die Predigt vom 7. August 2005 (11. Sonntag nach Trinitatis):
»Überraschendes von Zöllnern und Huren«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 11. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Hochmut und Demut vor Gott. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner und Epistel (2. Lesung) der Hinweis aus dem Epheserbrief, dass wir allein aus der Gnade Gottes leben. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war das Gleichnis von den ungleichen Söhnen aus Matthäus 21:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext

28 Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg. 29 Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn, und er ging hin. 30 Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr! und ging nicht hin. 31 Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie antworteten: Der erste. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. 32 Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr's saht, tatet ihr dennoch nicht Buße, so dass ihr ihm dann auch geglaubt hättet.

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Die Predigt
Ungleiche Söhne

Zwei Söhne. Der erste sagt: „Nein, will nicht.“ Aber dann besinnt er sich anders und geht doch. Der andere Sohn tut ganz ehrerbietig gegenüber seinem Vater und sagt: „Ja, Herr.“ Aber dann geht er doch nicht. So erzählt es Jesus nach Matthäus Kapitel 21.
Zwei Kinder eines Vaters und einer Mutter. Ein Erstgeborener und ein Zweitgeborener vielleicht. Wer von Ihnen zwei oder mehr Kinder hat, hat vielleicht manche Ähnlichkeit mit lebenden Menschen entdeckt.

Doch Jesus wollte keine Nachhilfe in Kinder- und Jugendpsychologie geben, als er den Hohenpriestern und den Ältesten damals in Jerusalem dieses Beispiel aus dem Leben erzählt hat. Sie selber, die Jerusalemer Honoratioren, waren mit diesem Gleichnis gemeint. Und sie haben sich selber ihr Urteil gesprochen, indem sie Jesus zustimmen, dass es nicht aufs Reden, sondern aufs Tun ankommt. Sie, die Honoratioren, sind die Ja-Sager und Nein-Tuer. Aber die am Rande der Gesellschaft, auf die sie herabsahen, und die eigentlich mit Gott nichts am Hut hatten – die ursprünglichen Nein-Sager also – die tun seinen Willen am Ende doch. „Die Zöllner und die Huren werden euch Rechtgläubigen ins Reich Gottes vorausgehen.“
Begonnen hatte jener Tag mit der Vertreibung der Händler vom Tempelgelände. Und mit diesen harten Worten lässt Jesus schließlich die Honoratioren stehen. Dass sie dann ein paar Tage später überlegen, wie sie ihn aus dem Weg schaffen könnten, ist eigentlich gut zu verstehen.

Äußerst harte Worte von Jesus

Wie kommt Jesus dazu, ein solches hartes Urteil zu fällen? Das müssen wir uns auch deswegen fragen, weil wir Kirchgänger heute morgen ja eindeutig eher den Frommen in Jesu Gleichnis und nicht den anderen am Rande der Gesellschaft vergleichbar sind.
Die jüdischen Honoratioren in Jerusalem, die hier so harte Worte hören, waren je auf ihre Art durchaus gestandene und ehrbare Männer. Da waren auf der einen Seite die mehr für die Politik zuständigen „Hohenpriester und Ältesten“, die mit anderen zusammen den sog. Hohen Rat bildeten. Und auf der anderen Seite die für das religiöse Leben verantwortlichen „Schriftgelehrten und Pharisäer“.

Harte Worte zu anständigen Leuten

Die Schriftgelehrten waren sehr bewandert in der Bibel und in den alten Überlieferungen und taten gewiss auch das, was ihnen darin vorgeschrieben war. Der rechte Glaube lag ihnen am Herzen. Auch die Pharisäer waren besonders eifrige und fromme Leute, denen man ihre Redlichkeit auf keinen Fall absprechen konnte. Sie geben ihrem Gott die Ehre, so wie der eine Sohn, der seinem Vater ehrerbietig und ohne Zögern Gehorsam verspricht. Wie kann ihnen Jesus vorwerfen, dass sie zwar ja, ja sagen, aber Gottes Willen nicht tun?

Für die Frommen ist Jesus ein Störenfried

Zum einen vielleicht, weil sie in seinen Augen letztlich Gottes Liebe nicht leben: Sie sehen herab auf die, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie sind für sie geradezu nicht vorhanden. Ja noch mehr: Weil sie nach ihren strengen Maßstäben nicht an Gott glauben, und weil sie moralisch gesehen ein sehr zweifelhaftes Leben führen, werden sie überhaupt nie vor Gott bestehen können. Sie sind abgeschrieben. Das steht für sie jetzt schon fest. Die Welt dieser jüdischen Männer ist in Ordnung. Wer gut und wer böse ist, steht fest und bleibt fest. Den Ausgang des jüngsten Gerichtes kennen sie schon.

Und noch ein zweites unterscheidet diese ehrbaren Männer von den Zöllnern und Dirnen; und das ist wohl das Ausschlaggebende: Sie sehen in Jesus nur den Störenfried, den Provokateur, der die fein ausgeklügelte gesellschaftliche und religiöse Ordnung im dem von den Römern besetzten Land durcheinanderbringt. Sie können nur taktisch mit ihm umgehen und übersehen, dass in diesem Jesus Gott selber sich ihnen zuwenden will. Gott ist nicht zu finden im peniblen Einhalten von Geboten und Verboten, sondern in diesem Jesus. Zugespitzt gesagt: Ich Achten auf den papierenen Gott übersehen sie den lebendigen.

Die Außenseiter begegnen in Jesus Gottes Liebe

Und der in diesem Jesus erlebbare Gott war gerade den Außenseitern der Gesellschaft wichtig. Nur durch ihn konnten sie, die Zöllner und Dirnen, mit Gott überhaupt noch etwas anfangen. Sie waren nicht gläubig im damaligen und im heutigen Sinne, da braucht man gar nicht drumherum zu reden. Sie waren auch moralisch gesehen überhaupt keine Engel. Aber wie sollten sie auch eine gute Meinung von Gott haben, wenn die Priester, die Theologen und die Frommen sie nur ablehnten und verurteilten. Wie will man etwas anfangen mit einem Gott, von dem man dauernd nur hört, dass er einen ja sowieso schon längst abgeschrieben hat?

Das hat sich erst durch Jesus geändert: Er hat sie nicht abgeschrieben, er hat sie nicht verurteilt, er hat sie nicht abgelehnt. Der kleine Zöllner und Betrüger Zachäus z.B. wollte Jesus sehen, stieg deswegen auf einen Baum und machte sich dadurch zum Gespött der Leute. Zu ihm kehrt Jesus zum Essen ein und gibt ihm dadurch die Ehre. Von den Frommen, die sich wohl auch gerne mit Jesu Anwesenheit geschmückt hätten, muss er sich anhören, dass man das nicht tut.
Oder nehmen wir das Zusammentreffen Jesu mit jener verheirateten Frau, die man in flagranti mit einem anderen ertappt hat und zu Jesus führt: Er verurteilt ihr Tun, aber er verurteilt sie nicht, er schreibt sie nicht ab, sondern er fragt nur, ob vielleicht jemand von diesen Frommen, die die Frau herzerren, ohne Sünde sei.

Die Begegnung mit Jesus verwandelt

Noch einmal: Dass Jesus sich mit diesen Außenseitern der Gesellschaft abgegeben hat, bedeutet nicht, dass er ihren Lebenswandel und ihr Tun auch für recht gehalten hätte. Jesus hat ihr Tun schon beim Namen genannt, aber er hat sie als Menschen, als Geschöpfe Gottes akzeptiert. "Geh hin und sündige hinfort nicht mehr", hat er zu der Frau gesagt.
Und der Zöllner Zachäus hat sich, durch die Begegnung mit ihm verwandelt, bereit erklärt, was er den Leuten systematisch an Zoll zuviel verlangt hat, nun vierfach zurückzuerstatten. Aus dem ursprünglichen Nein-Sager ist durch die Begegnung mit Jesus ein Ja-Tuer geworden. Der zuvor mit Gott nichts am Hut hatte, hat nach der Begegnung mit Jesus sein Leben gewandelt und tut nun, was vor Gott recht ist. Er gleicht dem ersten Sohn, der auf die Bitte seines Vaters nein sagt, dann aber bereut und doch seinen Willen tut.

Gute und Böse heute?

Wo sind nun unter uns die Ja-Sager und Nein-Tuer, also die, die eilfertig ihren Glauben bekennen, aber dann doch nicht tun, was Gott will? Wo sind die Nein-Sager und Ja-Tuer, die mit Gott erst einmal nichts anfangen können, aber dann doch Gerechtigkeit und Liebe üben? Wem gilt Jesu Gleichnis im Guten wie im Bösen?

Eine ganz gefährliche Frage: Wir möchten, den damaligen Frommen gleich, auch gern die Menschen um uns herum einteilen in gute und böse, in fromme und nicht fromme. Wir möchten gerne wissen, wer die Bösen und Guten im Gleichnis und wer die Bösen und Guten heute sind. Und das Ergebnis ist ja meistens: Wir die Guten. Die anderen die Bösen.
Jesus ordnet eben nicht ein, er legt Menschen nicht fest. Er gesteht einem jeden Menschen zu, dass er sich zum Guten hin ändern kann, dass ihn sein Leben reuen kann. Wenn einer mit Gott nichts anfangen kann, muss das nicht so bleiben.
Und der, der sich sehr selbstverständlich unter die Glaubenden rechnet, muss achtgeben, dass sein Glaube nicht zur reinen Routine und zur guten Gewohnheit wird. Glaube muss lebendig bleiben und sich auch wandeln lassen.

Atheisten können Christen beschämen

Alle ohne Ausnahme müssen wir uns bei diesen harten Worten Jesu in der Stille selber prüfen: Wo sind wir im Leben und im Glauben Ja-Sager und Nein-Tuer. Wie viele Jas werden vor Gott ausgesprochen, wie viele Glaubensbekenntnisse werden gebetet, und bleiben dann doch nur Lippenbekenntnisse, weil die Taten nicht folgen?
Und andererseits: Beschämen uns gar viele, die zu Gott und zu Jesus nein sagen, Atheisten oder Menschen anderer Religionen, die aber in ihrem Tun, in ihrem Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden uns Christen vorangehen?
Ja-Sager und Ja-Tuer, die wären in der heutigen Zeit gefordert: Menschen, bei denen das Reden und Handeln zusammenstimmen. Menschen, die aus dem Glauben an Gott heraus sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Erhaltung der Schöpfung einsetzen. Menschen auch, die sich wie Jesus um Außenseiter kümmern und sie nicht abschreiben.

Tröstlich ist für mich das Ende der Worte Jesu: Es heißt, Zöllner und Dirnen, die ihr Leben geändert haben, würden den Frommen und Ehrbaren ins Himmelreich vorausgehen; es heißt nicht, dass die anderen nicht hineinkämen. Die Reihenfolge kann ich getrost der Gnade Gottes überlassen. Wundern werden wir uns eh, wem wir bei Gott einmal alles begegnen werden. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de