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Die Predigt |
Ungleiche Söhne
Zwei Söhne. Der erste sagt: „Nein, will nicht.“ Aber
dann besinnt er sich anders und geht doch. Der andere Sohn tut ganz
ehrerbietig gegenüber seinem Vater und sagt: „Ja, Herr.“
Aber dann geht er doch nicht. So erzählt es Jesus nach Matthäus
Kapitel 21.
Zwei Kinder eines Vaters und einer Mutter. Ein Erstgeborener und ein
Zweitgeborener vielleicht. Wer von Ihnen zwei oder mehr Kinder hat,
hat vielleicht manche Ähnlichkeit mit lebenden Menschen entdeckt.
Doch Jesus wollte keine Nachhilfe in Kinder- und Jugendpsychologie
geben, als er den Hohenpriestern und den Ältesten damals in Jerusalem
dieses Beispiel aus dem Leben erzählt hat. Sie selber, die Jerusalemer
Honoratioren, waren mit diesem Gleichnis gemeint. Und sie haben sich
selber ihr Urteil gesprochen, indem sie Jesus zustimmen, dass es nicht
aufs Reden, sondern aufs Tun ankommt. Sie, die Honoratioren, sind
die Ja-Sager und Nein-Tuer. Aber die am Rande der Gesellschaft, auf
die sie herabsahen, und die eigentlich mit Gott nichts am Hut hatten
– die ursprünglichen Nein-Sager also – die tun seinen
Willen am Ende doch. „Die Zöllner und die Huren werden
euch Rechtgläubigen ins Reich Gottes vorausgehen.“
Begonnen hatte jener Tag mit der Vertreibung der Händler vom
Tempelgelände. Und mit diesen harten Worten lässt Jesus
schließlich die Honoratioren stehen. Dass sie dann ein paar
Tage später überlegen, wie sie ihn aus dem Weg schaffen
könnten, ist eigentlich gut zu verstehen.
Äußerst harte Worte von Jesus
Wie kommt Jesus dazu, ein solches hartes Urteil zu fällen? Das
müssen wir uns auch deswegen fragen, weil wir Kirchgänger
heute morgen ja eindeutig eher den Frommen in Jesu Gleichnis und nicht
den anderen am Rande der Gesellschaft vergleichbar sind.
Die jüdischen Honoratioren in Jerusalem, die hier so harte Worte
hören, waren je auf ihre Art durchaus gestandene und ehrbare
Männer. Da waren auf der einen Seite die mehr für die Politik
zuständigen „Hohenpriester und Ältesten“, die
mit anderen zusammen den sog. Hohen Rat bildeten. Und auf der anderen
Seite die für das religiöse Leben verantwortlichen „Schriftgelehrten
und Pharisäer“.
Harte Worte zu anständigen Leuten
Die Schriftgelehrten waren sehr bewandert in der Bibel und in den
alten Überlieferungen und taten gewiss auch das, was ihnen darin
vorgeschrieben war. Der rechte Glaube lag ihnen am Herzen. Auch die
Pharisäer waren besonders eifrige und fromme Leute, denen man
ihre Redlichkeit auf keinen Fall absprechen konnte. Sie geben ihrem
Gott die Ehre, so wie der eine Sohn, der seinem Vater ehrerbietig
und ohne Zögern Gehorsam verspricht. Wie kann ihnen Jesus vorwerfen,
dass sie zwar ja, ja sagen, aber Gottes Willen nicht tun?
Für die Frommen ist Jesus ein Störenfried
Zum einen vielleicht, weil sie in seinen Augen letztlich Gottes Liebe
nicht leben: Sie sehen herab auf die, die am Rande der Gesellschaft
stehen. Sie sind für sie geradezu nicht vorhanden. Ja noch mehr:
Weil sie nach ihren strengen Maßstäben nicht an Gott glauben,
und weil sie moralisch gesehen ein sehr zweifelhaftes Leben führen,
werden sie überhaupt nie vor Gott bestehen können. Sie sind
abgeschrieben. Das steht für sie jetzt schon fest. Die Welt dieser
jüdischen Männer ist in Ordnung. Wer gut und wer böse
ist, steht fest und bleibt fest. Den Ausgang des jüngsten Gerichtes
kennen sie schon.
Und noch ein zweites unterscheidet diese ehrbaren Männer von
den Zöllnern und Dirnen; und das ist wohl das Ausschlaggebende:
Sie sehen in Jesus nur den Störenfried, den Provokateur, der
die fein ausgeklügelte gesellschaftliche und religiöse Ordnung
im dem von den Römern besetzten Land durcheinanderbringt. Sie
können nur taktisch mit ihm umgehen und übersehen, dass
in diesem Jesus Gott selber sich ihnen zuwenden will. Gott ist nicht
zu finden im peniblen Einhalten von Geboten und Verboten, sondern
in diesem Jesus. Zugespitzt gesagt: Ich Achten auf den papierenen
Gott übersehen sie den lebendigen.
Die Außenseiter begegnen in Jesus Gottes Liebe
Und der in diesem Jesus erlebbare Gott war gerade den Außenseitern
der Gesellschaft wichtig. Nur durch ihn konnten sie, die Zöllner
und Dirnen, mit Gott überhaupt noch etwas anfangen. Sie waren
nicht gläubig im damaligen und im heutigen Sinne, da braucht
man gar nicht drumherum zu reden. Sie waren auch moralisch gesehen
überhaupt keine Engel. Aber wie sollten sie auch eine gute Meinung
von Gott haben, wenn die Priester, die Theologen und die Frommen sie
nur ablehnten und verurteilten. Wie will man etwas anfangen mit einem
Gott, von dem man dauernd nur hört, dass er einen ja sowieso
schon längst abgeschrieben hat?
Das hat sich erst durch Jesus geändert: Er hat sie nicht abgeschrieben,
er hat sie nicht verurteilt, er hat sie nicht abgelehnt. Der kleine
Zöllner und Betrüger Zachäus z.B. wollte Jesus sehen,
stieg deswegen auf einen Baum und machte sich dadurch zum Gespött
der Leute. Zu ihm kehrt Jesus zum Essen ein und gibt ihm dadurch die
Ehre. Von den Frommen, die sich wohl auch gerne mit Jesu Anwesenheit
geschmückt hätten, muss er sich anhören, dass man das
nicht tut.
Oder nehmen wir das Zusammentreffen Jesu mit jener verheirateten Frau,
die man in flagranti mit einem anderen ertappt hat und zu Jesus führt:
Er verurteilt ihr Tun, aber er verurteilt sie nicht, er schreibt sie
nicht ab, sondern er fragt nur, ob vielleicht jemand von diesen Frommen,
die die Frau herzerren, ohne Sünde sei.
Die Begegnung mit Jesus verwandelt
Noch einmal: Dass Jesus sich mit diesen Außenseitern der Gesellschaft
abgegeben hat, bedeutet nicht, dass er ihren Lebenswandel und ihr
Tun auch für recht gehalten hätte. Jesus hat ihr Tun schon
beim Namen genannt, aber er hat sie als Menschen, als Geschöpfe
Gottes akzeptiert. "Geh hin und sündige hinfort nicht mehr",
hat er zu der Frau gesagt.
Und der Zöllner Zachäus hat sich, durch die Begegnung mit
ihm verwandelt, bereit erklärt, was er den Leuten systematisch
an Zoll zuviel verlangt hat, nun vierfach zurückzuerstatten.
Aus dem ursprünglichen Nein-Sager ist durch die Begegnung mit
Jesus ein Ja-Tuer geworden. Der zuvor mit Gott nichts am Hut hatte,
hat nach der Begegnung mit Jesus sein Leben gewandelt und tut nun,
was vor Gott recht ist. Er gleicht dem ersten Sohn, der auf die Bitte
seines Vaters nein sagt, dann aber bereut und doch seinen Willen tut.
Gute und Böse heute?
Wo sind nun unter uns die Ja-Sager und Nein-Tuer, also die, die eilfertig
ihren Glauben bekennen, aber dann doch nicht tun, was Gott will? Wo
sind die Nein-Sager und Ja-Tuer, die mit Gott erst einmal nichts anfangen
können, aber dann doch Gerechtigkeit und Liebe üben? Wem
gilt Jesu Gleichnis im Guten wie im Bösen?
Eine ganz gefährliche Frage: Wir möchten, den damaligen
Frommen gleich, auch gern die Menschen um uns herum einteilen in gute
und böse, in fromme und nicht fromme. Wir möchten gerne
wissen, wer die Bösen und Guten im Gleichnis und wer die Bösen
und Guten heute sind. Und das Ergebnis ist ja meistens: Wir die Guten.
Die anderen die Bösen.
Jesus ordnet eben nicht ein, er legt Menschen nicht fest. Er gesteht
einem jeden Menschen zu, dass er sich zum Guten hin ändern kann,
dass ihn sein Leben reuen kann. Wenn einer mit Gott nichts anfangen
kann, muss das nicht so bleiben.
Und der, der sich sehr selbstverständlich unter die Glaubenden
rechnet, muss achtgeben, dass sein Glaube nicht zur reinen Routine
und zur guten Gewohnheit wird. Glaube muss lebendig bleiben und sich
auch wandeln lassen.
Atheisten können Christen beschämen
Alle ohne Ausnahme müssen wir uns bei diesen harten Worten Jesu
in der Stille selber prüfen: Wo sind wir im Leben und im Glauben
Ja-Sager und Nein-Tuer. Wie viele Jas werden vor Gott ausgesprochen,
wie viele Glaubensbekenntnisse werden gebetet, und bleiben dann doch
nur Lippenbekenntnisse, weil die Taten nicht folgen?
Und andererseits: Beschämen uns gar viele, die zu Gott und zu
Jesus nein sagen, Atheisten oder Menschen anderer Religionen, die
aber in ihrem Tun, in ihrem Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden
uns Christen vorangehen?
Ja-Sager und Ja-Tuer, die wären in der heutigen Zeit gefordert:
Menschen, bei denen das Reden und Handeln zusammenstimmen. Menschen,
die aus dem Glauben an Gott heraus sich für Gerechtigkeit, Frieden
und die Erhaltung der Schöpfung einsetzen. Menschen auch, die
sich wie Jesus um Außenseiter kümmern und sie nicht abschreiben.
Tröstlich ist für mich das Ende der Worte Jesu: Es heißt,
Zöllner und Dirnen, die ihr Leben geändert haben, würden
den Frommen und Ehrbaren ins Himmelreich vorausgehen; es heißt
nicht, dass die anderen nicht hineinkämen. Die Reihenfolge kann
ich getrost der Gnade Gottes überlassen. Wundern werden wir uns
eh, wem wir bei Gott einmal alles begegnen werden. Amen |
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