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predigt[e].de

Die Predigt vom 19. März 2006 (Okuli):
»Christen sind keine komischen Heiligen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Okuli. Sein Thema ist die Nachfolge, der christliche Lebenswandel. Evangelium (1. Lesung) waren Worte Jesu zur Nachfolge und Epistel (2. Lesung) Hinweise auf den rechten christlichen Lebenswandel. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief Kapitel 1:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
13 Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. 14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet; 15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. 16 Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottesfurcht.
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Die Predigt
Das Leben ist ein Werden

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,
nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden,
nicht ein Sein, sondern ein Werden,
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind's noch nicht, wir werden's aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen,
es ist aber im Gang und im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.
Es glüht und glänzt noch nicht alles,
es reinigt sich aber alles.


Diese Worte Martin Luthers finden wir unter den Zwischentexten unseres Gesangbuchs. Wer sie zu Hause noch einmal in Ruhe nachlesen will: nach dem Lied Nr. 200.
Das Leben ist ein Weg. Das Leben ist Unterwegssein. Ein Ziel vor Augen haben. Geduldig gehen. Dann wieder ausruhen. Miteinander unterwegs sein: „Aufstehn, aufeinander zugehn.“ Neue Aufbrüche wagen: „Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit. Gott will, dass Ihr ein Segen für diese Erde seid.“

Das Leben als Gehen und Aufstehn

Christ sein kann man nur im Gehen. Christ sein kann man nur, wenn man auch Schritte tut und vorankommt. Wer stehen bleibt und sich auf dem Erreichten ausruhen will, der rostet ein, wie ein deutsches Sprichwort weiß. Das gilt nicht nur bei der äußeres Fitness, sondern auch bei der inneren, der geistlichen Fitness.
Zur Liturgie, zu den gewohnten Abläufen der „ProChrist“-Abende, die heute Abend beginnen, gehört auch, dass, wer sich durch Worte und Lieder auf seinem Lebensweg angesprochen und herausgerufen fühlt, zum Aufstehen und Nachvornegehen ermuntert wird. Das fällt erfahrungsgemäß in einem großen, eher anonymen Raum wie der Münchner Olympiahalle leichter als in unserem kleinen Gemeindehaus. Denn wer aufsteht, präsentiert sich ungeschützt und macht sich verletzlich. Doch es ist etwas Wahres dran: Wer innerlich einen neuen Schritt, einen neuen Weg in seinem Leben braucht oder gehen möchte, tut sich leichter, wenn er das auch äußerlich tun kann.

Nachfolge: Leben als Lebenswandel

Leben ist Gehen. Leben ist Unterwegssein. Aber nun nicht irgendwie und auf irgendwelchen Wegen. Das sagt das alte deutsche Wort „Lebens-wandel“. Wandeln, das ist im Deutschen ein bewusstes Gegen. Nicht zu schnell, nicht zu langsam. Mit Bedacht. Mit Sinn und Ziel. Wir achten auf diesen Lebenswandel, auf unseren eigenen und auf den anderer.

Unsere Bibel kennt dafür verschiedene Begriffe. Einer dieser Begriffe ist die „Nachfolge“, das Thema des heutigen Sonntags.
Wo dieses Wort "Nachfolge" herkommt, haben Sie im Evangelium gehört. Nachfolge, das hieß damals bei Jesus in einem wörtlichen Sinn: ihm auf seinem Weg folgen. Seine Heimatlosigkeit teilen. Loslassen können. Unterwegs sein. Eine „Wanderuniversität“ hatte Jesus mit seinen Jüngern, so hat Ulrich Parzany, der Prediger der ProChrist-Abende einmal so schön gesagt.
In der Epistel kam das Wort Nachfolge nicht vor. Aber auch dort war sie Thema: Bestimmte Dinge stehen einem Christen in seinem Lebenswandel einfach nicht an: lose Reden, zweideutige Witze oder ein lockerer, unverantwortlicher Umgang mit Geld oder mit der Sexualität.

Leben: Heilig sein!?

Ein anderer Begriff für den christlichen Lebenswandel findet sich im heutigen Predigttext: heilig sollen wir sein, wenn wir Christen sein wollen. Leider ist das Wort „heilig“ mit so vielen Missverständnissen verbunden: Der ist wohl auf einmal „heilig geworden“, heißt es eher abwertend, wenn jemand auf einmal mit seinem christlichen Glauben ernster macht. Sofort ist der Verdacht da, diese Heiligkeit könnte vielleicht nur Scheinheiligkeit sein. Oder man stempelt ihn gar zu einem „seltsamen Heiligen“.

Mit der Bibel hat das nichts zu tun. Dort heißt „heilig“ ganz einfach: zu Gott gehörig. Heiligkeit ist keine besondere Leistung, sondern ein Geschenk. Heilig sind wir alle, indem wir getauft sind. Da denkt die Bibel genau andersherum als die meisten Zeitgenossen: Wenn du das oder das tust, wenn du so oder so lebst, dann bist zu heilig. Und dann denkt man an Mutter Teresa oder Papst Johannes Paul II. Und die Katholische Kirche verstärkt dieses Missverständnis durch ihre Heiligsprechungen noch.
Die Bibel redet genau andersherum: Du musst dir deine Heiligkeit nicht erst verdienen. Du bist heilig. Werde, der du bist! Geh kleine Schritte, aber geh!

13 Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi. 14 Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet; 15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. 16 Denn es steht geschrieben: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.« 17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottesfurcht.

Wer getauft ist, ist heilig

Altertümliche Worte aus dem 1. Petrusbrief, zugegeben, noch dazu in Martin Luthers Sprache. Die Sprache fordert, dass man Stück für Stück herangeht.
15 ... wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel. 16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
Da kommt all das Gesagte noch einmal in einer konzentrierten Form. Wie Kaffeepulver, das man erst aufgießen muss, um es genießen zu können. Mit dem Geschenk, mit dem Zuspruch geht es los: Berufen seid ihr, getauft also. Und dazu gehört ein bestimmter Wandel, ein Lebenswandel. Und euer ganzer Wandel ist betroffen: Ihr könnt nicht am Sonntag Christ und am Werktag anders sein. Weil Gott heilig ist, sollt auch ihr heilig sein: Also, einen Gott entsprechenden Lebenswandel führen. Wie könnte das aussehen?

Christsein mit beiden Beinen auf dem Boden

13 Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.
Heilig sein ist also nichts Abgehobenes. Wer heilig ist, schwebt nicht zehn Zentimeter über dem Boden. Christsein heißt, ganz nüchtern und mit wachen Augen durch den Alltag gehen: „Darum umgürtet die Lenden eures Gemüts“. Seine Lenden umgürten, das bedeutete damals: Das lange, nachthemdartige Gewand der orientalischen Welt an den Hüften mit einem Gürtel hochbinden, damit man gehen kann und nicht drüber stolpert. „Seine Lenden umgürten“ meinte also: Zum Aufstehen, zum Gehen bereit sein. Die „Lenden seines Gemüts“ umgürten: aufmerksam sein, reaktionsfähig, handlungsfähig, der Gegenwart zugewandt.
Und „nüchtern“, setzt der 1. Petrusbrief hinzu. Nüchtern nicht unbedingt in der Bedeutung, dass man keinen zu viel getrunken hat, auch wenn das für einen Christen durchaus empfehlenswert wäre. Sondern nüchtern und gelassen, mit beiden Beinen auf dem Boden, nicht ausgeflippt, nicht geziert, nicht hochgestochen, nicht verkrampft.

Wir sind schon heilig

Und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird.
Ein solches Leben, eine solche christliche Gelassenheit und Nüchternheit sind Gnade. Auf deutsch: man kann sie sich nur schenken lassen. Heilig werden, richtig verstanden, ist also nicht so sehr eine Sache eigener Anstrengung und Bemühung. Heilig sind wir von Gott her, heilig sind wir von unserer Taufe her. Erkämpfen können und müssen wir es nicht, aber verscherzen können wir es. Das wird nicht verschwiegen:

Gehen in der Verantwortung vor Gott

17 Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben ... in Gottesfurcht.
Gottesfurcht: Noch so ein oft missverstandener Begriff. Man kann es nur immer wieder neu wiederholen: Gottesfurcht heißt nicht, Angst haben vor Gott. Christsein und Angst passen nicht zusammen. Gottesfurcht hat etwas mit Ehr-furcht zu tun. Respekt würden wir heute vielleicht sagen. Gott will von uns respektiert werden, er will ernst genommen werden, genauso wie wir ganz selbstverständlich wollen, dass andere uns respektieren und uns Ernst nehmen.
Sein Leben führen, seinen Lebensweg gehen, heißt mit Respekt vor Gott nicht, einfach irgendwie von A nach B kommen, sondern auf dem rechten Weg und in der rechten Weise.

1. Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun. Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute und morgen zu handeln.
2. Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun. Gib uns den Mut, voll Liebe, Herr, heute die Wahrheit zu leben.
3. Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun. Gib uns den Mut, voll Hoffnung, Herr, heute von vorn zu beginnen.
4. Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun. Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zu Menschen zu werden.


Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de