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Die Predigt |
Und führe
mich nicht in Versuchung
Versuchung ist eigentlich ein biblisches und kirchliches Thema. Aber
es hat doch Eingang gefunden in den täglichen Sprachgebrauch:
Da gibt es eine Marke, die ist angeblich die süßeste Versuchung,
seit es Schokolade gibt. Oder Sie konnten lesen, dass sich in Selb
ein vorher unbescholtener und beliebter Pfarrer vom Geld in der Kasse
hat in Versuchung führen lassen. Und im Fasching, so vermutet
man, seien wieder manche der Versuchung erlegen, es in dieser Zeit
mit der Treue nicht so ernst zu nehmen.
Neben der tiefsten aller Versuchungen, Gott und dem Glauben untreu
zu werden, haben die folgenden Worte aus dem Jakobusbrief offenbar
auch solche alltäglichen Versuchungen im Blick. Es wird nämlich
davon erzählt, wie unsere Begierden und Süchte uns reizen
und locken:
12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem
er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott
verheißen hat denen, die ihn lieb haben. 13 Niemand sage, wenn
er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann
nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.
14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden
gereizt und gelockt. 15 Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert
sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert
den Tod.
16 Irrt euch nicht! 17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt
von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung
ist noch Wechsel des Lichts und der Finsternis. ...
Versuchung in der Verfolgung
Wer Versuchungen und Anfechtungen aushält und durchsteht, der
werde „die Krone des Lebens empfangen“. Das erinnert erst
einmal an die tiefste aller menschlichen Versuchungen, nämlich
von Gott abzufallen oder unter Lebensgefahr an ihm festzuhalten. Die
Offenbarung des Johannes, in der Zeit der Christenverfolgung als eine
Trostschrift geschrieben, gebraucht ähnliche Worte:
10 Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe,
der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr
versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage.
Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.
(Offb 2,10)
Diese Art Versuchung, die durch die Christenverfolgung entsteht, kennen
wir bei uns nicht. Dass manche als aktive Christen belächelt
oder gehänselt werden, ist mit wirklicher Bedrohung und Verfolgung
ja nicht zu vergleichen.
Aber auch bei den alltäglichen Versuchungen geht es letztlich
um die Frage nach Gott: Wenn ich von bestimmten Genussmitteln oder
Gewohnheiten nicht lassen kann, dann bin ich nicht frei. Dann haben
sie Macht über mich. Meine Zufriedenheit, meine Laune hängt
von ihnen ab. Oder ich achte meine Grenzen nicht. Martin Luther sagt:
Alles, woran du dein Herz hängst, alles, ohne das du nicht sein
kannst, das ist eigentlich dein Gott.
Versuchungen im Alltag
Deswegen ist alltägliche Versuchung von Hause aus nichts Negatives,
sondern sie hat einen positiven Zweck: Sie prüft einen, wie ernst
man es meint. Sie prüft einen, wovon man abhängig ist. Sie
öffnet einem die Augen für die eigenen Grenzen.
12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem
er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen.
Wer Versuchungen widersteht, bekommt einen Gewinn, einen Lohn. Wer
durch die Versuchung hindurch gegangen ist, geht gestärkt aus
ihr hervor. Das erleben z.B. auch die, die sich für die die Fastenzeit
freiwillig irgendeinen Verzicht vornehmen. Es ermutigt, es stärkt,
es lohnt, durchgehalten zu haben.
Und auch bei den noch problematischeren Alltagsversuchungen bewährt
sich das Starkbleiben: Es bewährt sich, seinem Partner die Treue
zu halten. Es bewährt sich, die Finger von fremdem Geld zu lassen.
Es bewährt sich, bei der Wahrheit zu bleiben. Es bewährt
sich, Grenzen zu beachten beim Umgang mit meinen Mitmenschen.
Wo kommt die Versuchung her?
So ist die Versuchung eigentlich von Hause aus etwas Gutes. Aber weil
sie einen auch in große Gefahr bringen kann und weil sie manchmal
übermächtig ist, folgt auch gleich die alte Frage, die die
Menschen schon immer umgetrieben hat: Wo kommt die Versuchung her?
Führt Gott selbst in Versuchung, um Menschen zu prüfen?
Aber was ist das für ein Gott, der Menschen absichtlich ein Bein
stellt? So fragen die anderen? Bzw.: Wenn die Versuchung von Gott
kommt, trägt dann der Mensch überhaupt Verantwortung für
sein Tun?
Die Bücher unserer Bibel reden hier nicht mit einer Stimme. Offenbar
handelt es sich um eine Menschheitsfrage, für die es keine einfache,
eindeutige Antwort gibt:
Das Alte Testament geht ganz selbstverständlich davon aus, dass
alles, was geschieht, aus Gottes Hand kommt. So auch die Versuchung
als Glaubensprüfung. Die moderne Frage: „Was bist du für
ein Gott, wenn du das tust?“ die hat niemand gestellt. So prüft
Gott den Glauben und die Treue seines Volkes oder auch den Glauben
einzelner: Die Wanderung durch die Wüste wird als Versuchung
verstanden. Werden sie durchhalten in Hunger, Durst und Anfechtung?
Werden sie durchhalten, auch wenn das Ziel nicht näher zu kommen
scheint?
Oder die in unseren Augen so harte Geschichte von der Versuchung Abrahams:
Ganz spät bekommen er und seine Frau Sara den Isaak, wo sie schon
gar nicht mehr mit einem Kind gerechnet haben. Viele Nachkommen hatte
ihm Gott versprochen. Und nun soll er diesen einen Sohn opfern?!
Führt Gott in Versuchung?
„Führe uns nicht in Versuchung!“ Auch Jesus geht
in der Vaterunserbitte davon aus, dass es solche Versuchung gibt.
Und trotz dieses Jesuswortes haben sich viele in der Folgezeit schwer
damit getan: Sollte Gott wirklich einen Menschen dem Bösen aussetzen?
Der Jakobusbrief spricht sich dagegen aus:
17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab,
von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch
Wechsel des Lichts und der Finsternis.
Also: Gott ist gut und vollkommen. Er ist eindeutig Licht und nicht
Finsternis. Er will das Gute, auch für die Menschen. Von ihm
kann unmöglich etwas Böses ausgehen.
Es ist hilfreich, in der Bibel die Zusammenhänge der Worte zu
beachten: 13 Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von
Gott versucht werde. Wahrscheinlich wendet sich Jakobus bewusst
gegen Menschen in seiner Gemeinde, die sich mit ihrem bösen Tun
herausreden wollten. Sie seien ja nicht selbst schuld, wenn Gott sie
in Versuchung gebracht hat.
Nach Jakobus wird die Versuchung nicht von Gott geschickt, sondern
sie begegnet dem Menschen in den Trieben, die in ihm wohnen, in den
Einflüsterungen, die ihn locken:
Ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden
gereizt und gelockt.
Ähnlich auch Martin Luther in seiner Auslegung zu dieser Vaterunserbitte:
Und führe uns nicht in Versuchung. Was ist das?
Gott versucht zwar niemand; aber wir bitten in diesem Gebet, dass
uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und
unser Fleisch nicht betrüge und verführe ...
Versuchung als innere Stimme
Auch das lesen wir ja an anderen Stellen der Bibel: Versuchung, das
ist wie eine Einflüsterung, eine Stimme die mich umgarnt wie
die Schlange bei Adam und Eva: „Warum solltest du ...? Könntest
du nicht auch ...? Wäre es nicht reizvoll ...? Es merkt ja niemand
... Du weißt gar nicht, was du verpasst ...“
Da ist nicht so sehr die Frage entscheidend, wo die Einflüsterung
her kommt, sondern wie ich reagiere. Ja, da ist die Frage, ob sie
von Gott kommen könnte, eher ein Ausweichen vor meiner Verantwortung.
Wie heißt es bei Kain und Abel, als Kain sich ungerecht behandelt
fühlt und Eifersucht und Zorn in ihm aufsteigen:
6 Da sprach der HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst
du deinen Blick? 7 Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst
du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die
Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber
herrsche über sie. (Gen 4,6-7)
Seine Grenzen erkennen
Vielleicht müssen wir bei der Frage, wo die Versuchung nun her
kommt, ganz einfach unterscheiden zwischen den Versuchungen im Alltag,
die alle betreffen, und den schweren Anfechtungen und Schicksalsschlägen
bei einem bestimmten Menschen. In beiden Fällen wird ja in der
Bibel das gleiche Wort „Versuchung“ verwendet:
Im Blick auf die kleinen Versuchungen im Alltag: Niemand muss als
Evangelischer fasten oder verzichten. Aber wer es tut, hat den anderen
etwas voraus: Er wird sich der Einflüsterungen und Reize bewusst.
Er stellt sich ihnen und versucht, mit ihnen umzugehen. Solche Versuchungen
sind also geradezu gut und hilfreich: Sie helfen uns, uns selber zu
erkennen. Sie helfen, unsere Grenzen zu erkennen. Sie helfen zu mehr
Ehrlichkeit vor mir und anderen.
Und sie helfen zu entdecken, dass wir einen gnädigen Gott haben,
wenn wir stolpern, es sei denn, wir hätten es bewusst und fahrlässig
darauf angelegt.
Gott meint es gut
Und wenn nun wirklich Gott eine Versuchung oder Anfechtung schickt,
um einen Menschen zu prüfen? Dann würde ich mich gerne an
solchen Bibelworten festhalten wie hier:
17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab,
von dem Vater des Lichts.
Also: Gott meint es gut mit mir, auch wenn ich anscheinend im Moment
genau das Gegenteil erfahre. Oder Psalm 68:
20 Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf,
aber er hilft uns auch.
Oder Paulus in 1. Korinther 10:
13 Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über
eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt,
dass ihr's ertragen könnt.
Gott gebe uns die Kraft, unseren Versuchungen zu widerstehen und daran
zu reifen. „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen." Amen |
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