Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 2. November 2008 (Reformationstag):
»Gott ist nicht billig zu haben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 24. Sonntag nach Trinitatis. Als Sonntag nach dem 31. Oktober wurde er aber als Reformationstag begangen. Sein Thema ist der feste Grund. Evangelium (1. Lesung) waren die Seligpreisungen Jesu und Epistel (2. Lesung) die Überzeugung des Paulus, dass es Gerechtigkeit vor Gott nur geschenkt gibt. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem Philipperbrief Kapitel 2:
Predigttext
Online-Bibeln der Bibelgesellschaft

Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
Also, meine Lieben, schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beiden, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt
Was trägt im Leben?

„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen“
So soll Martin Luther trotzig ausgerufen haben, als er sich im Jahr 1521 auf dem Reichstag in Worms vor Kaiser und Reich verantworten musste. Das war die höchste Instanz der damaligen Zeit. Es ging um Kopf und Kragen. Das Vertrauen auf das Wort Gottes war für ihn ein so fester Grund, dass er sich dorthin nach Worms in die Höhle des Löwen wagte.
Vier Jahre vorher noch war er ein eher unbekannter, braver Mönch und Theologieprofessor gewesen. Bis zu jenem denkwürdigen 31. Oktober 1517, wo er in Wittenberg seine 95 Thesen öffentlich bekannt machte. Deswegen wohl am Vorabend des Allerheiligentages, weil er in der damaligen Art der Heiligenverehrung eine Gefahr für den rechten Glauben sah.

Luther und der Ablass

Wer genügend Geld für Ablassbriefe hatte, konnte sein Gewissen beruhigen, ohne seinen Lebenswandel zu ändern. Wer wie sein Landesvater, Kurfürst Friedrich der Weise, eine Menge Reliquien, also Überreste von Heiligen, besaß, und sie an Allerheiligen stolz der Öffentlichkeit präsentieren konnte, der hatte für das Himmelreich ausgesorgt. Die Heiligen, so meinte man, hatten so viel Gutes getan, dass man diesen Überschuss, dieses Guthaben für sich selber vor Gott anrechnen lassen konnte.
Martin Luther war der Überzeugung, dass man damit den Menschen eben keinen festen, tragfähigen Grund für ihr Leben angeboten hat. Die Sicherheit, in der sich jemand mit dem Ablass wiegen konnte, war für ihn eine Scheinsicherheit.
So billig ist Gott nicht zu haben. So verstehe ich in moderneren Worten das damalige Anliegen Martin Luthers.

Gott ist nicht billig zu haben

Gott ist nicht billig zu haben. Das Gelingen meines Lebens ist nicht billig zu haben. Dasselbe Anliegen lese ich in den beiden Bibelversen, die uns heute als Predigttext zum Nachdenken aufgegeben sind. So schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde in Philippi im 2. Kapitel:

„Also, meine Lieben, schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beiden, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen."
„Schaffet, dass ihr selig werdet." In einer moderneren Übersetzung: „Bemüht euch mit allen Kräften, dass ihr das ewige Leben gewinnt." Oder noch ein wenig moderner: „Tut alles dafür, dass euer Leben einen bleibenden Sinn gewinnt."
Auch Martin Luther hat damals alles für sein Heil tun wollen. Ein Gewitter mit einem Blitzeinschlag direkt neben sich hatte ihn aus der seelischen Bahn geworfen. Er hatte keinen Boden mehr unter den Füßen. Aus dieser Erschütterung heraus ging er ins Kloster. Man war zu seiner Zeit der Meinung, dass der Gott und sein Seelenheil am meisten ernst nimmt, der ein Mönch wird. Und Martin Luther wurde ein tadelloser Mönch. Er ging zum strengsten Orden und erfüllte dort seine Mönchspflichten 110-prozentig. Durch Verzicht auf Essen, Schlaf und jede Bequemlichkeit hat er in einem wörtlichen Sinne gelebt, was Paulus schreibt: sich nämlich mit Furcht und Zittern das ewige Leben zu erarbeiten.
Doch je ärger er sich quälte, desto unsicherer wurde er, ob Gott wirklich mit ihm zufrieden sein könne und ob er wirklich sein Menschenmögliches getan hat. Und an dieser Unsicherheit ist er fast zerbrochen. In seinem Reformationslied, das wir vorhin gesungen haben, erzählt er von diesen inneren Kämpfen:
„Dem Teufel ich gefangen lag, im Tod war ich verloren, mein Sünd mich quälte Nacht und Tag, darin ich war geboren. Ich fiel auch immer tiefer drein, es war kein Guts am Leben mein, die Sünd hatt' mich besessen.“
Und: „Die Angst mich zu verzweifeln trieb, dass nichts denn Sterben bei mir blieb, zur Höllen musst ich sinken."

Auf festem Grund

Was war das für eine Erlösung, als er in diesen geistlichen Kämpfen erkannt hat, dass man sich Gottes Anerkennung und Liebe eben nicht erarbeiten kann, auch nicht unter größten Anstrengungen. Man kann sie nur wie ein Geschenk empfangen.
Oder anders ausgedrückt: Was war das für eine Erlösung, als er erkannt hat, dass er sich den festen Boden unter den Füßen nicht selbst schaffen kann und muss. Der feste Grund ist da. Man muss ihn nur betreten.

Eigene Bemühungen und Gottes Tun

Wie kann man das nun verstehen und logisch zusammenbringen, wenn Paulus sagt: Wir sollen alles für ein gelingendes und ein sinnvolles Leben tun, aber letztenendes liegen doch unsere Bemühungen und das Gelingen allein bei Gott?
Die Volksmeinung legte es sich zu Luthers Zeiten so zurecht, und auch heute denken manche noch genauso: Erst muss der Mensch seinen Teil zum Gelingen beitragen und sich redlich bemühen, damit Gott dann sozusagen das Begonnene zum Abschluss bringen kann. „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." So lesen wir es in Goethes „Faust". Aber genau das meint Paulus nicht:
Gott schenkt Wollen und Vollbringen. Also: Wir können mit Gott nicht in einen Handel eintreten und ihm vorrechnen: „Lieber Gott, schau her, so viel habe ich nun schon aus eigener Kraft auf die Beine gestellt. Jetzt bist du an der Reihe.“ Im Gegenteil: Alles, was uns bisher im Leben gelungen ist, und von dem wir meinen, wir hätten es uns selbst erarbeitet, kam genauso von Gott wie das Unverdiente und Unerwartete.

Erschütterung in Grenzsituationen

Noch einmal also: Wie kann man beides miteinander vereinbaren: Unser Bemühen um ein sinnvolles und gelingendes Leben und den Erfolg, der letztlich doch von Gott allein kommt? Ich kann diesen Widerspruch nicht auflösen. Doch der Schlüssel liegt vielleicht woanders:
„Erarbeitet euch euer Heil mit Furcht und Zittern." Es liegt bei diesem Satz offenbar die Betonung nicht so sehr auf der ersten Hälfte, dem Erarbeiten, der eigenen Kraft und Leistung. „Furcht und Zittern." Da liegt das Geheimnis: Von Furcht und Zittern ist im Alten Testament, der Bibel des Paulus, immer dann die Rede, wenn Menschen in einer entscheidenden Situation ihres Lebens Gott begegnen.
„Furcht und Zittern." Damit ist jene tiefe Erschütterung gemeint, die Menschen in Grenzsituationen erlebt haben und heute noch erleben. Wenn das Leben umgekrempelt wird. Wenn auf einmal nichts mehr so ist wie zuvor: In großer Angst, aber auch in großer Freude; in einer Bewahrung, aber auch am Rande des Todes; im überraschenden Gelingen, oder auch im totalen Versagen.

Gotteserfahrungen den Boden bereiten

Billiger und einfacher als durch solche einschneidenden Erfahrungen ist das Heil, ist gelingendes und sinnvolles Leben offenbar nicht zu haben.
Nur bedingt liegen solche Erfahrungen in unserer eigenen Hand. Wir können einschneidende Gotteserfahrungen nicht in einem wörtlichen Sinne „machen“, wir können ihnen aber sehr wohl den Boden bereiten. Wir können ihnen einen Raum eröffnen, in dem sie geschehen können: durch Gebet, durch Meditation, durch Pilgern, durch Bibellese, durch den Gottesdienst, durch Kirchenmusik, durch Offenheit für Überraschungen.
Insofern liegt der feste Grund unter den Füßen ein klein wenig auch in unserer Hand. Doch das Entscheidende ist Geschenk. Geschenk, bei dem wir nur noch die Hände aufhalten können. Gott sei Dank.

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de